Nach 32 Jahren geht Edda Castelló in den Ruhestand. Sie machte Versicherungen und Banken das Leben schwer

Hamburg. Nicht lange nach ihrem Start bei der Verbraucherzentrale Hamburg saß Edda Castelló zum ersten Mal in einem Fernsehstudio beim NDR. „Die Sendung hieß ,Rufen Sie uns an‘ mit Bernd Leptihn. Ich war furchtbar aufgeregt. Die Anrufer konnten überteuerte Verbraucherkreditverträge überprüfen lassen. Im Hintergrund wurde gerechnet, und wir konnten dann dem Zuschauer mitteilen: Sie können sich 4526 Mark zurückerstatten lassen“, erzählt die Verbraucherschützerin. Auch ihre allererste Beratung einer Verbraucherin verwandelte sie gleich in ein Erfolgserlebnis. Die Frau hatte sich bei einem Haustürgeschäft eine Markise für rund 400 Mark aufschwatzen lassen. „Damals gab es noch kein Widerrufsrecht für Haustürgeschäfte“, sagt die Hamburgerin. Doch mit einigen Briefen an den Verkäufer schaffte sie es, dass er auf seine Forderung verzichtete und die Verbraucherin die Markise nicht abnehmen musste.

Sie war bei den TV-Talkshows von Frank Plasberg und Maybrit Illner

Für solche Erinnerungen ist jetzt Zeit, denn Ende April geht die Juristin Castelló in den Ruhestand – nach 32 Jahren Arbeit für die Verbraucherzentrale Hamburg als Leiterin der Abteilung Geld und Recht. Mit der Zeit ist die Bedeutung des Ressorts gewachsen. Aus einst vier Köpfen wurden 40. Nicht alle sind fest angestellt, „aber alle sind Individualisten“, sagt sie mit einem Augenzwinkern. Die lange Zeit bei einer Institution war nicht geplant. Beinahe wäre es auch schiefgegangen, weil die Verbraucherzentrale 1991 Konkurs anmelden musste. Doch diese Lage stachelte sie eher an, für den Erhalt der Verbraucherberatung zu kämpfen, als nach einem neuen Job zu suchen.

Inzwischen ist sie eine der bekanntesten Verbraucherschützerinnen der Republik. Sie war bei den Talkshows von Frank Plasberg, Maybrit Illner und auch schon bei Schreinemakers. Ihre Botschaften sind gefragt: sicher sparen, wenig Risiko eingehen. Vor der Geldanlage erst die Schulden tilgen. Hohen Gewinnversprechen misstrauen. Sie selbst hat ihr Geld in eine selbst genutzte Immobilie investiert. Es gibt Hunderte Verbraucherschützer in der Republik, aber nur wenige erreichen eine solche Popularität und Fernsehtauglichkeit.

„Es liegt mir, juristische Sachverhalte einfach zu erklären“, sagt Castelló. Das komme den TV-Formaten entgegen und sei bei Juristen eher unüblich. „Als Anwältin der Verbraucher habe ich in den Talkshows auch eine leichte Rolle.“ Außerdem hat sie bei der Verbraucherzentrale Hamburg früh erkannt, wie wichtig die Öffentlichkeitsarbeit ist, um ein Thema voranzubringen. Dann dauert es immer noch sechs bis sieben Jahre, bis ein Ärgernis für Verbraucher durch den Gesetzgeber abgestellt ist.

Obwohl die Verbraucher heute mit dem Internet wesentlich bessere Informationsmöglichkeiten haben als vor zwei oder drei Jahrzehnten, sind die Konsumenten nicht wirklich besser geschützt. Castelló geht es nicht um Konsumgüter. „Da kann der Verbraucher gut nachvollziehen und vergleichen, was er für sein Geld bekommt“, sagt die Expertin. Auch ein Fehlkauf lasse sich verschmerzen. „Schwieriger sind langfristige Vereinbarungen, egal ob es um Versicherungen, Geldanlage, Kredite oder Telekommunikation geht.“ Das Verbraucherrecht sei komplexer geworden, und die Anbieter hätten immer einen Wissensvorsprung vor den Kunden. Castelló führt das auf die Privatisierung vieler Bereiche zurück, zum Beispiel bei Telekommunikation und Energieversorgern. Mehr Wettbewerb verlangt den Kunden auch mehr ab.

Ihren größten Erfolg beziffert sie mit einem zweistelligen Milliardenbetrag, den Lebensversicherer an ihre ehemaligen Kunden erstatten müssten. Es geht um zu niedrige Rückkaufswerte von vorzeitig gekündigten Lebensversicherungen. In zahlreichen Prozessen gegen Anbieter wie Allianz, Ergo oder Generali hat die Verbraucherzentrale Hamburg durchgesetzt, dass die Kunden nachträglich noch Geld erstattet bekommen. In den Chefetagen mancher Versicherer mag man aufatmen, wenn Castelló in Rente geht. „Die sollen sich nicht zu früh freuen“, sagt sie. Kürzlich wurde sie in den Aufsichtsrat des Bundes der Versicherten gewählt, ebenfalls einer Verbraucherorganisation, die sich für die Rechte von Versicherungskunden einsetzt.