Die Langelohs in Reitbrook beliefern ihre Kunden ohne Umwege. Sie setzen auf Familientradition und reine Natur

Hamburg. Malta und Kugel stehen genüsslich kauend nebeneinander im Stall des Milchhofs Reitbrook und senken ihre schwarz-weißen Köpfe immer wieder ins Futter, nicht ohne manchmal etwas eifersüchtig auf das Gras vor der Kuh nebenan zu schielen. Gerd Langeloh, Inhaber des Milchhofs, steht mit der Forke im Gang vor den Kühen, in Gummistiefeln und blauem Arbeitsoverall, und schiebt das Grünzeug immer wieder so vor die hungrigen Mäuler, dass kein Streit aufkommt. Doch das enge Nebeneinander im Stall wird für die Tiere schon bald ein Ende haben: Dann dürfen sie endlich wieder auf die Wiese und mit viel Platz unter freiem Himmel grasen. „Am Anfang der Saison merkt man den Kühen ihren Bewegungsdrang richtig an, dann tollen sie auf der Weide herum“, sagt Langeloh lachend. Der Weidegang ist für viele Kühe in Deutschland heute keine Selbstverständlichkeit mehr, die Betriebe werden immer größer und arbeiten industriell. Da passt eine Kuh auf der Wiese, weit weg vom Melkstand, oft nicht mehr ins Konzept.

Der Milchhof Reitbrook ist hier eine große Ausnahme. Aber nicht nur wegen des Auslaufs für die Tiere in den Weiten der Vier- und Marschlande. Der Hof liefert als einziger Milchbetrieb in Hamburg direkt zum Verbraucher, sodass anders als bei Molkereien üblich, die Herkunft der Milch klar nachvollziehbar ist. Der Trend zu Lebensmitteln aus der Region sorgt dafür, dass die Langelohs wegen der steigenden Nachfrage den Hof deutlich ausgebaut haben. „Wir verzeichnen Jahr für Jahr eine zweistellige prozentuale Steigerung“, freut sich Gerd Langeloh, für den seine 150 Tiere im Jahr rund 1,1 Millionen Liter Milch produzieren. Vor gut zehn Jahren war es lediglich ein Bruchteil davon.

Außerdem hält der Bauernhof am Vorderdeich, der seit 400 Jahren von der Familie bewirtschaftet wird, an Traditionen fest und bietet als einziger Produzent in Hamburg noch Vorzugsmilch an (siehe Text rechts). Also Milch direkt von der Kuh, die nicht wärmebehandelt, sondern nach dem Melken auf vier Grad Celsius gekühlt wird. „Damit sind besondere Qualitätskriterien verbunden, die wir auf dem Hof aber gerne einhalten, weil wir uns für den Fortbestand der Vorzugsmilch aus Überzeugung einsetzen“, sagt Jan-Hendrik Langeloh, 37, einer der Junioren im Familienbetrieb. Der Agraringenieur ist für das Herdenmanagement zuständig, Bruder Sönke für die Molkerei und den Lieferservice. Die Langelohs argumentieren damit, dass Muttermilch für Säuglinge oder Tierkinder ja auch nicht vor dem Verzehr abgekocht werde. Zugleich sind manche Lebensmittelchemiker überzeugt, dass jeder Schritt der Milchverarbeitung Stoffe freisetzt, die im Körper Unverträglichkeiten auslösen können. „Die Milch ist mit 4,2 Prozent Fett cremiger als normale Vollmilch, das schmeckt man“, sagt Gerd Langeloh, der wegen der besonderen Bedingungen auf seinem Hof auch von einem außergewöhnlichen Geschmack seiner pasteurisierten Landmilch ausgeht.

Konsumenten mit Sinn für solche Feinheiten, etwa der Verein Hamburger Kaffeeröster, setzen daher auf die Milch aus Reitbrook. In Hamburg servieren das Landhaus Flottbek, das Café Leonar am Grindel, das Fillet of Soul (Deichtorhallen) oder das Vlet in der HafenCity die Landmilch der Langelohs zum Kaffee. Im Einzelhandel bekommen die Hamburger die Hofmilch bei Edeka Kröger in Wandsbek und beim CAP-Markt in der Alstercity. In ländlichen Gebieten wie etwa in Allermöhe oder Bergedorf liefert Langeloh die Milch auch direkt vor die Haustür. Einen Liter für gut einen Euro. Von den 1000 belieferten Haushalten entscheiden sich etwa 150 für Vorzugsmilch.

Die Direktbelieferung sichert dem Betrieb einen guten Ertrag unabhängig von den Preisen, welche die Molkereien bezahlen. Derzeit blicken die Milchbauern allerdings wieder optimistisch in die Zukunft. Nach einer Zeit des Preisverfalls und einem heftigen Auf und Ab stimmen die Abnahmetarife derzeit, sie liegen bei rund 37 Cent für den Liter. Und auch wenn die EU die Milchquote zum April 2015 aufhebt, die Nachfrage vor allem aus dem asiatischen Raum wächst, und die Branche rechnet nicht mit Überschüssen.

Der Hof Reitbrook sichert sich mit der Vorzugsmilch zugleich ein Alleinstellungsmerkmal: Denn die unbehandelte Milch stirbt in Deutschland ansonsten praktisch aus. Weniger als 40 Betriebe der 80.000 Milchkuhhalter in Deutschland stellen sich heute noch den strengen Hygienevorschriften, die für die Herstellung dieses unbehandelten Naturproduktes gelten. Bei den Langelohs kümmern sich immerhin 20 Mitarbeiter darum, dass die Tiere und die Milchverarbeitung den Kriterien entsprechen. Der Einsatz lohnt sich offenbar. Mehrmals ist die Vorzugsmilch der Hamburger schon von der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft ausgezeichnet worden. Aber natürlich steht hier nicht nur die Milch im Rampenlicht: „Die Maya hier ist im vergangenen Jahr prämiert worden“, sagt Jan-Hendrik Langeloh und zeigt stolz auf eine fast weiße Kuh. Für ihre Milchleistung, nicht für ihr Aussehen sei sie gewürdigt worden. Maya dürfte das Wie und Warum der Auszeichnung herzlich egal sein. Sie widmet sich gerade wieder dem Heuballen, käut mit verträumtem Blick wieder und freut sich ganz sicher schon auf die Zeit auf der Weide.