Hamburger RWE-Tochter geht an russische Gruppe. Politiker von CDU und Grünen wegen Ukraine-Konflikt dagegen

Hamburg . Der Hamburger Öl- und Gasförderer RWE Dea gerät in die Mühlen der Politik. Nachdem der Essener Energiekonzern RWE seine Tochterfirma für 5,1 Milliarden Euro an eine Firmengruppe des russischen Oligarchen Michail Fridman verkauft hat, sorgen sich Politiker der Grünen und der Union um die Versorgungssicherheit in Deutschland mit Öl und Gas. Der Deal soll perfekt werden, nachdem der RWE-Aufsichtsrat und Behörden in verschiedenen Ländern der Übernahme zugestimmt haben, so RWE. Die Transaktion solle noch in diesem Jahr abgeschlossen werden.

Während Aktionärsschützer den Verkauf angesichts der 30 Milliarden hohen Schulden von RWE begrüßten, forderte Grünen-Parteichefin Simone Peter die Bundesregierung auf, den Milliardendeal zu stoppen. „Der Verkauf der RWE-Tochter Dea an russische Eigentümer geht gerade in die völlig falsche Richtung“, kritisierte sie in der „Welt am Sonntag“. Auch Vertreter der Union hatten sich vor dem Hintergrund des Konflikts zwischen Russland und der Ukraine skeptisch zu dem geplanten Verkauf an LetterOne geäußert. Die Bundesregierung hatte zuvor mitgeteilt, dass sie durch den Verkauf der RWE Öl- und Gasfördertochter keinerlei Einschränkungen der Versorgungssicherheit erwarte. Dennoch behalte sich die Regierung eine Prüfung vor.

Tatsächlich hätte der Zeitpunkt für die Transaktion besser gewählt werden können. Nach dem Zwist zwischen der EU und Russland wegen der Zukunft der Ukraine herrscht zwischen beiden Fronten Eiseskälte, zumal die EU bereits Sanktionen gegen Russland beschlossen hat. Für Deutschland steht einiges auf dem Spiel. So bezieht die Bundesrepublik bereits 36 Prozent ihrer Öl- und 35 Prozent ihrer Gaseinfuhren aus dem rohstoffreichen Land. Die Moskauer Regierung hat bereits bewiesen, wie sie ihre Rohstoffe als Druckmittel gegen andere Staaten einsetzen kann.

In den Gaskrisen 2006 und 2009 hatte Russland der Ukraine den Gashahn bis zu zwei Wochen lang zugedreht, weil der ukrainische Energiekonzern Naftogaz seine Schulden nicht bezahlen konnte. Deutschland könnte zwar seine Abhängigkeit von russischen Lieferungen verringern und das Gas und Öl aus anderen Ländern beziehen. Doch das könnte teurer werden als russisches Gas und Öl, das über Pipelines transportiert wird und nicht von Tankern etwa aus den USA und Kanada angelandet werden muss.

„Wir haben den Investor als verlässlichen Partner kennengelernt, und ich freue mich sehr, dass er die Dea als Plattform für die künftigen Öl- und Gasaktivitäten seiner Gruppe ausbauen will“, sagt RWE-Chef Peter Terium, der großes Interesse daran hat, dass der Verkauf glatt über die Bühne geht. „Als verantwortungsvoller Investor wollen wir internationales Wachstum fördern und so die Leistungsfähigkeit von Dea stärken. Dafür setzen wir auf die Kernkompetenzen der Dea, einschließlich ihres deutschen Unternehmenssitzes, sagte Fridman als Vorstandsvorsitzender von LetterOne. Die Investmentgesellschaft hat ihren Sitz nicht in Russland sondern in Luxemburg.

Auch bei RWE Dea ist man nicht traurig. Vorstand und Betriebsrat von RWE Dea begrüßten die Entwicklung nach Angaben von Vorstandschef Thomas Rappuhn ebenfalls. Schließlich will LetterOne nach bisherigen Aussagen auch die Hamburger Zentrale von Dea behalten. 6000 der rund 1400 Mitarbeiter arbeiten in der Hansestadt in der City Nord. Ein Bewerber für die Übernahme der Hamburger Firma war der Chemiekonzern BASF, der RWE Dea mit seiner Tochter Wintershall hätte fusionieren können. Wenn BASF statt LetterOne des Zuschlag erhalten hätte, wäre die Unternehmenszentrale in Hamburg vermutlich geschlossen worden, da Wintershall eine eigene Firmenzentrale hat. Dies hätte mit Sicherheit einen Stellenabbau in der City Nord zur Folge gehabt.

Das Hamburger Unternehmen gehört zu den großen Öl- und Gasförderunternehmen weltweit. In 14 Ländern, ist RWE Dea aktiv, darunter vor allem in Deutschland, Norwegen, Großbritannien, Nordafrika, Ägypten und in den Ölregionen des Kaspischen Meeres. RWE Dea ist zudem einer der wesentlichen Gasförderer in Niedersachsen. In Völkersen, zwischen Bremen und Hannover betreibt RWE Dea eine große Erdgasförderung. Gemeinsam mit dem Wettbewerber Wintershall gehört der Firma die Ölförderplattform „Mittelplate“ im schleswig-holsteinischen Wattenmeer vor Cuxhaven.