Betriebsrat befürchtet Jobabbau in Hamburg bei möglicher Übernahme durch HR Group

Hamburg. Die Aufregung ist groß in der Görtz-Zentrale an der Spitalerstraße. Seit Wochen schon ist es dort ein offenes Geheimnis, dass der Verkauf des Hamburger Traditionsunternehmens durch die Eigentümerfamilie in Kürze bevorsteht. Nach dem Scheitern der Übernahmegespräche mit der Hamburger Otto-Gruppe ist es nun ein großer Konkurrent, der sich Görtz einverleiben möchte. Es ist die HR Group, der zweitgrößte Schuhhändler der Republik mit seiner Hauptmarke Reno.

„Wir befinden uns in Verhandlungen mit Görtz über eine Übernahme von 75,1 Prozent der Anteile“, bestätigte der Geschäftsführer der HR Group, Matthias Händle, dieser Zeitung. „Die deutsche Schuhhandelsbranche ist seit Jahren in einem umfassenden Umstrukturierungs- und Konsolidierungsprozess“, sagte Händle weiter. „Insbesondere der Onlinehandel stellt eine große Herausforderung dar.“ Vor diesem Hintergrund sei es aus seiner Sicht besser, gemeinsam statt allein zu agieren und sich zu größeren Einheiten zusammenzuschließen.

„Sollte es zu einer Übernahme von Görtz kommen, dann würden wir das Unternehmen als eigenständige Tochtergesellschaft innerhalb der Holding der HR Group führen“, erklärte Händle. Eine Verknüpfung mit der Marke Reno sei weder geplant noch wirtschaftlich sinnvoll. Das Hamburger Traditionsunternehmen sei grundsätzlich gut aufgestellt und verfüge vor allem über viele kompetente und gut ausgebildete Mitarbeiter. Allerdings seien die Verhandlungen bei Weitem noch nicht abgeschlossen. „Wir haben noch ein gutes Stück des Wegs vor uns.“

Ein Görtz-Sprecher bestätigte lediglich, dass derzeit Gespräche mit mehreren Interessenten über einen Einstieg bei den Hamburgern geführt werden, es aber noch keine Vorentscheidung für einen Investor gibt. Neben mehreren Finanzinvestoren soll derzeit auch noch ein weiterer Konkurrent aus der Branche über die Übernahme von Anteilen an Görtz verhandeln.

Beim Betriebsrat von Görtz läuten angesichts der Entwicklung allerdings schon jetzt die Alarmglocken. „Wir begrüßen grundsätzlich, dass sich Investoren für Görtz interessieren und sind auch dazu bereit, konstruktiv mit ihnen zusammenzuarbeiten“, sagte der Konzernbetriebsratsvorsitzende Joachim Martens, dieser Zeitung. „Es besteht aber die Gefahr, dass bei einer Übernahme durch die HR Group die Hamburger Zentrale von Görtz und auch das Lager in Norderstedt zur Disposition gestellt werden könnten.“ Dies dürfe unter keinen Umständen geschehen. Auch gebe es in der Belegschaft die Besorgnis, dass Doppelstandorte von Görtz und Reno geschlossen würden.

Martens ist zudem nicht gänzlich davon überzeugt, dass es sich bei der HR Group um ein stabiles und wirtschaftlich gut aufgestelltes Unternehmen handelt. Vor allem bei Reno wurden im vergangenen Jahr zahlreiche, unrentable Standorte geschlossen. „Wir fordern eine Offenlegung aller Geschäftszahlen der HR Group, um die finanzielle Situation angemessen bewerten zu können“, so Martens.

Görtz selbst habe gerade erst einen harten Sanierungskurs hinter sich, bei dem vor allem die Beschäftigten zur Gesundung des Unternehmens beigetragen hätten. Rund zwölf Millionen Euro seien allein durch den Verzicht auf Gehalt, Prämien und Tantiemen eingespart worden. „Wir wollen jetzt nicht wieder vom Regen in die Traufe kommen“, erklärte der Betriebsratsvorsitzende.

Fraglich ist auch, ob die Marken Görtz und Reno tatsächlich unter einem gemeinsamen Dach geführt werden können. Reno kommt aus dem Schuhdiscount und ist erst seit einigen Jahren dabei, sich höherpreisig zu positionieren. Görtz hingegen versteht sich selbst als gehobener Anbieter. Allerdings bedienen die Hamburger mit der Tochtergesellschaft Hess auch die preisgünstige Schiene.

Die jetzigen Eigentümer des Traditionsunternehmens, die Brüder Ludwig, Friedrich und Thomas Görtz, hatten sich unter dem Druck hoher Verluste grundsätzlich dazu bereit erklärt, das 1875 gegründete Traditionsunternehmen für Investoren von außen zu öffnen – eine kleine Revolution bei Görtz. Dafür wurde in Berlin eigens eine Beteiligungsgesellschaft gegründet.

Görtz ist durch die zunehmende Konkurrenz von aggressiven Onlinehändlern wie Zalando und durch eine zu starke Expansion in der Vergangenheit in Bedrängnis geraten. Vor diesem Hintergrund haben die Geschäftsführer Thorsten Hermelink, Christian Moritz und Jörn Peters zusammen mit den Eigentümern beschlossen, sich gesundzuschrumpfen und wieder auf das deutsche Kerngeschäft zu konzentrieren. Erst Anfang des Jahres stieß Görtz daher die Schweizer Tochtergesellschaft Pasito-Fricker mit 58 Geschäften und 320 Mitarbeitern ab.