Interview mit Hamburgs Messechef Bernd Aufderheide über die neue WindEnergy und die deutsche Energiewende

Hamburg. Erstmals veranstaltet die Hamburg Messe und Congress (HMC) vom 23. bis zum 26. September die WindEnergy Hamburg, die Leitmesse für die internationale Windkraftindustrie. Vorangegangen war eine teils heftig geführte Auseinandersetzung mit Husum, dem früheren langjährigen Austragungsort der Messe. Schub für die Auftaktveranstaltung verspricht sich Messechef Bernd Aufderheide, 54, auch von der im September unmittelbar davor liegenden Schiffbaumesse SMM. Die zeitliche Nähe ermöglicht es vor allem Unternehmen aus der Offshore-Windkraftbranche, an beiden Großveranstaltungen teilzunehmen.

Hamburger Abendblatt:

Herr Aufderheide, die Debatte um die Energiewende in Deutschland läuft auf vollen Touren, und sie ist sehr kontrovers. Vor diesem Hintergrund wollen Sie im September zum ersten Mal die weltweit wichtigste Messe der Windkraftbranche ausrichten, die WindEnergy Hamburg. Welchen Einfluss hat die politische Auseinandersetzung auf Ihre Vorbereitungen?

Bernd Aufderheide:

Unsere Aussteller im In- und Ausland verfolgen die politische Diskussion um die Energiewende natürlich mit Interesse, sie beeinflusst ja letztlich auch ihr Geschäft. Aber auf die Vorbereitungen zur Messe sehe ich keine Auswirkungen. Wir haben mittlerweile Anmeldungen von rund 900 Ausstellern, und die sind natürlich überwiegend nicht nur auf den deutschen Markt konzentriert. Generell ist die Debatte um das neue Energiewirtschaftsgesetz (EEG) ein sehr deutsches Thema. Im Ausland geht es bei unseren Gesprächen vor allem darum, wie man in Hamburg eine leistungsfähige Messe für die Hochtechnologiebranche schaffen kann, die die Windkraft ja mittlerweile längst ist. Den deutschen Windkraftunternehmen geht es vordringlich um die Frage, wie sie ihre technologischen Spitzenpositionen behaupten oder ausbauen können – und zwar an den internationalen Märkten.

Zurzeit wird um die Details des künftigen EEG heftig gerungen, dabei geht es auch um die Förderung der Windkraft in Deutschland und damit um die geplanten Projekte vieler Unternehmen, die vielleicht bald infrage stehen.

Aufderheide:

Auf der Messe wird es sicher viele Diskussionen zur Energiewende geben. Ich gehe davon aus, dass Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel, der für die Energiepolitik zuständig ist, zur Eröffnung kommen und sich ausführlich äußern wird. Für derartige Debatten auf nationaler Basis ist eine solche Messe ein ideales Forum.

Wie sieht man es im Ausland, dass Deutschland seine Energieversorgung quasi komplett umbauen will?

Aufderheide:

In Asien sieht man sehr genau hin, vor allem in Japan, wo nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima 2011 ebenfalls sehr intensiv über die Zukunft der Energieversorgung debattiert wurde und wird. Auch die Nutzung der erneuerbaren Energien ist dort mittlerweile ein wichtiges Thema. Allerdings kommt Japan damit nicht so schnell voran wie vielleicht erhofft. Deshalb der Blick nach Deutschland: Wie macht man es dort? Unverständnis gibt es in Asien nach meinem Eindruck oft vor allem mit Blick auf unseren Umgang mit großen Infrastrukturprojekten wie zum Beispiel den geplanten neuen Stromfernleitungen von Nord- nach Süddeutschland. Jahrelange kommunalpolitische Debatten und Verzögerungen sind in den asiatischen Ländern bei solchen Themen doch eher unüblich. Klar ist aber auch, dass der Schock von Fukushima die Aufmerksamkeit für Energiethemen in Asien deutlich erhöht hat, neben Japan gilt das vor allem für Südkorea.

Wie wird sich die erste WindEnergy Hamburg von der früheren Windmesse in Husum unterscheiden?

Aufderheide:

Die Messe wird ein ganzes Stück größer sein. Das hängt vor allem damit zusammen, dass sich viele Unternehmen größer darstellen können als früher in Husum, weil wir mehr Fläche und größere industrietaugliche Hallen zur Verfügung haben. Die Anzahl der Aussteller insgesamt wird nicht unbedingt größer sein. Wir rechnen mit rund 1000 Unternehmen, das ist in etwa die Ausstellerzahl, die früher auch Husum hatte. Die Offshore-Windkraft-Industrie wird sich in Hamburg deutlich intensiver präsentieren als früher. Ein wichtiger Punkt dabei ist – und der war von Beginn an Teil unseres Konzepts –, dass nach der weltweit wichtigsten Schiffbaumesse SMM, die Anfang September stattfindet, etliche Aussteller zur darauf folgenden Messe WindEnergy mit ihren Ständen gleich dableiben: seien es Werften, Reedereien für die Offshore-Windkraft-Versorgung, Häfen und viele andere Unternehmen aus der maritimen Wirtschaft. Damit wird Hamburg auch zur wichtigsten Offshore-Windkraft-Messe der Welt.

Wie viele Aussteller sind das?

Aufderheide:

Nach heutigem Stand etwa 100. Alle diese Unternehmen können direkt nacheinander an zwei Leitmessen teilnehmen, das ist eine einzigartige Konstellation, gerade mit Blick auf die noch junge Offshore-Windkraft-Branche. Wir werden außerdem unsere frühere Messe H2Expo in die Windmesse integrieren, bei der es vor allem um die Speicherung von Energie geht, zum Beispiel bei der Erzeugung von Wasserstoff (H2) mithilfe von Solar- oder Windkraftstrom. Die WindEnergy Hamburg bietet damit ein sehr weit integriertes Programm rund um die erneuerbaren Energien.

Sie betonen, dass die Messe internationaler werden wird, als sie es früher war.

Aufderheide:

Wir haben durch den Hamburger Flughafen, aber auch durch die schnellen Bahnverbindungen nach Berlin oder Frankfurt eine enge internationale Anbindung. Das erleichtert es natürlich zum Beispiel Besuchergruppen oder Delegationen aus dem Ausland erheblich, auch mit knapper Zeit zur WindEnergy nach Hamburg zu kommen. In der Debatte um die künftige Platzierung der Windmesse war unsere enge Anbindung an die nationalen und internationalen Verkehrsströme immer ein zentrales Argument.

Es gab viel Verdruss zwischen den Messegesellschaften, aber auch zwischen Hamburg und Schleswig-Holstein um den Ort der Messe. Bleibt da etwas nach?

Aufderheide:

Die Auseinandersetzung musste geführt werden. Die Initiative dazu kam ja auch weniger von den beiden Messegesellschaften als vielmehr von der Windkraftindustrie selbst. Und man sollte nicht vergessen: Norddeutschland hätte die Windmesse in dieser Situation komplett an einen anderen Standort verlieren können, sei es nach Süddeutschland oder an einen ausländischen Messestandort wie Barcelona oder London.

Sie sind sich also mit Husums Messechef Peter Becker wieder grün?

Aufderheide:

Der Pulverdampf hat sich längst verzogen. Wir arbeiten mit der Husumer Messe eng und exzellent zusammen. Beide Standorte werden von dieser Entscheidung erheblich profitieren. Husum richtet ja von 2015 an unter anderem die wichtigste Windmesse für den deutschen Markt aus. Besonders Uli Wachholtz, der Präsident des Unternehmensverbandes Nord, hat mit seiner Vermittlungsarbeit viel dazu beigetragen, den Konflikt mit diesem sehr guten Ergebnis zu lösen.

Wie sieht die Zusammenarbeit mit der Messe Husum aus?

Aufderheide:

Wir haben einen Kooperationsvertrag über zehn Jahre und einen gemeinsamen Messebeirat. Die Husumer partizipieren inhaltlich und wirtschaftlich an unserer Messe und umgekehrt wir auch an der Husumer Messe in den ungeraden Jahren. Es ist ja oft so, dass man sich zunächst in einem Konflikt gegenübersteht und dann anschließend in einer guten Kooperation erkennt, dass die Realität doch viel positiver aussehen kann.

Wie viele Teilnehmer erwarten Sie zur ersten WindEnergy Hamburg?

Aufderheide:

Ich rechne mit insgesamt rund 40.000 Besuchern. In Husum waren bei der letzten internationalen Windmesse rund 36.000 Besucher.

Sie haben die Windmesse als Welt-Leitmesse komplett neu akquiriert. Müssen Sie dafür auch Ihr Personal aufstocken?

Aufderheide:

Nein, bis auf ein, zwei Stellen nicht, weil wir durch frühere Windmessen, die wir allein oder auch in Kooperation mit Husum ausgerichtet haben, schon über die entsprechende Kompetenz im Haus verfügen. Wir arbeiten schon seit geraumer Zeit daran, unsere Stärken auf dem Gebiet der Technologiemessen auszubauen.

Trägt die Windmesse schon zum Image des Messestandorts Hamburg bei?

Aufderheide:

Zweifellos, das Thema bewegt sich für uns in eine sehr positive Richtung. Das geschieht auch vor dem Hintergrund, dass Hamburg ja insgesamt als Standort der Windkraftindustrie und der erneuerbaren Energien in den vergangenen Jahren deutlich an Bedeutung gewonnen hat.

Welche internationalen Schwerpunkte erwarten Sie bei den Ausstellern der WindEnergy?

Aufderheide:

Die südkoreanischen Hersteller von Windkraftsystemen werden sehr präsent sein, die mittlerweile stark in die internationalen Märkte hineingehen. In gewissem Umfang sicher auch Unternehmen aus Japan. Die chinesischen Hersteller sind noch überwiegend auf ihren heimischen Markt konzentriert, aber einige von ihnen werden auch nach Hamburg kommen.

Was erwarten Sie für die Energiewende in Deutschland für die absehbare Zeit – gerade auch mit Blick auf die großen Windkraft-Potenziale im Norden?

Aufderheide:

Wenn man über eine Energiewende in Deutschland spricht, ist Windkraft die Schlüsseltechnologie. Mit unserer Debatte um die Windmesse haben wir vielleicht am Rande auch deutlich gemacht, wie wichtig es ist, dass die norddeutschen Bundesländer eng zusammenstehen und kooperieren.