Gespräch mit dem amtierenden Handelskammer-Präses über die geplante Satzungsänderung und seine mögliche Wiederwahl

Hamburg. Das Präsidium der Handelskammer entscheidet am Donnerstag über eine Satzungsänderung, um dem amtierenden Präses den Weg für eine weitere, dritte Amtszeit zu ermöglichen. Das Abendblatt sprach mit Fritz Horst Melsheimer über die Gründe für den umstrittenen Schritt, die niedrige Wahlbeteiligung und den Kandidatenmangel für das höchste Ehrenamt in der Hamburger Wirtschaft.

Hamburger Abendblatt:

Die Diskussion über die drei Amtszeiten, die jetzt in der Handelskammer läuft, hätten Sie sich ersparen können. Denn tatsächlich haben Sie ja nur eine richtige, volle Amtszeit von drei Jahren gehabt. Die erste war doch nur ein paar Wochen, oder?

Fritz Horst Melsheimer:

Es waren genau neun. Ich bin eingesprungen, weil der damalige Präses Frank Horch in die Politik wechseln wollte. Er schied am 12. Januar 2011 aus. Ich bin dann am 3. März 2011 als Nachfolger ins Amt gewählt worden und habe Horchs Amtszeit zu Ende gebracht, um dann im Mai für eine volle Periode gewählt zu werden. Das ist das Problem: Unsere Satzung unterscheidet nicht, ob eine Amtszeit neun Wochen oder drei Jahre dauert. Sie sagt nur, dass ein Präses einmal wiedergewählt werden kann.

Deshalb wollen Sie die Satzung ändern?

Melsheimer:

Wir wollen eine Regelung, was zu geschehen hat, wenn ein Präses überraschend aus dem Amt ausscheidet, und die gleichzeitig die Amtszeit eines Präses wie bisher auf eine bestimmte Zeit begrenzt. Tatsächlich war es in der Vergangenheit ja auch so: Einmal wiedergewählt zu werden bedeutete für die meisten Präsides eine Amtszeit von insgesamt sechs Jahren. Ich war aber nur drei Jahre und neun Wochen im Amt.

Die Satzungsänderung bringen Sie am Donnerstag in das alte Plenum ein. Warum lassen Sie nicht die neu gewählte Versammlung im Mai darüber abstimmen, die sich ja deutlich anders zusammensetzt als die bisherige?

Melsheimer:

Erstens ist mit der Änderung der Satzung der Präses ja nicht automatisch wiedergewählt. Zweitens wählt das neue Plenum den Präses, und es kann die Satzung jederzeit wieder ändern.

Einige Kritiker sprechen von einer Lex Melsheimer…

Melsheimer:

Was ich nicht verstehe. Denn jeder weiß, dass ich eigentlich nicht vorhatte, noch einmal als Präses zu kandidieren. Sonst hätte ich ja viel früher versucht, die Satzung quasi zu meinen Gunsten zu ändern. Aber tatsächlich bin ich selbst bis vor wenigen Wochen nicht davon ausgegangen, dass ich noch einmal als Präses antrete.

Es wurde über mehrere Nachfolger spekuliert. Und warum soll der alte Präses nun doch der neue werden?

Melsheimer:

Weil das Präsidium, das als Findungskommission agiert, mich einstimmig gebeten hat, weiterzumachen.

Soll heißen: Man hat keinen gefunden?

Melsheimer:

Das Präsidium hat drei Monate lang in einem Findungsprozess mit mehreren potenziellen Kandidaten gesprochen. Doch es ist uns aus verschiedenen Gründen nicht gelungen, einen Nachfolger zu finden. So hat man an mich appelliert, nochmals zu kandidieren. Ich bin bereit, dies zu tun, wenn die geänderte Satzung dies zulässt.

Dabei sah es lange so aus, als gäbe es einen klaren Kandidaten.

Melsheimer:

Das dachte ich auch, aber die Dinge ändern sich halt. Das Amt des Präses ist sehr zeitaufwendig und wird nicht bezahlt, das heißt, man muss es neben seinem Hauptjob machen. Das ist nicht einfach, und dafür muss wirklich alles passen, beruflich wie privat. Auch deshalb ist die Zahl der Bewerber jedes Mal sehr klein.

Seit wann beschäftigen Sie sich wieder mit einer erneuten Kandidatur?

Melsheimer:

Seit Anfang Februar. Wir haben viele Vieraugengespräche geführt, und da bin ich immer wieder gefragt worden. Ich hätte aber auch nichts dagegen, wenn noch ein Gegenkandidat aufgestellt werden würde.

Darf ein Präses nur aus dem Kreis des sechsköpfigen Präsidiums gewählt werden?

Melsheimer:

Nicht unbedingt, auch wenn es bislang oft so war. Wir haben auch mit Plenarmitgliedern gesprochen. Doch jeder hatte seine Gründe, das Amt nicht zu übernehmen. Wie gesagt: Man darf nicht vergessen, dass die Präses hauptberuflich alle noch einen Job ausüben.

Wären Sie offen für einen Kandidaten vom Bündnis „Die Kammer sind wir!“, von dem die Kammer kritisiert wird?

Melsheimer:

Bisher hat keiner mit uns gesprochen, es gab auch keine Vorschläge. Aber vom Grundsatz her legen wir viel Wert auf eine konstruktive Zusammenarbeit mit allen Plenumsmitgliedern. Die Debatte sollte aber im Plenum und nicht außerhalb stattfinden.

Wenn es die zwölf Reformer nicht gäbe, die jetzt vom Bündnis der Kammerrebellen ins Plenum gewählt wurden, hätten sich dann mehr Kandidaten für eine Präseswahl zu Wort gemeldet?

Melsheimer:

Nein, da gibt es keinen Zusammenhang. Die ersten Mitglieder des Präsidiums haben mich bereits im Februar gebeten, darüber nachzudenken, mich für eine weitere Amtszeit zur Verfügung zu stellen.

Wie gestaltet sich nun das weitere Vorgehen?

Melsheimer:

An diesem Donnerstag tagen das Präsidium und das Plenum. Da liegt unser Antrag zur Satzungsänderung vor. Und es gibt einen zweiten Antrag für eine Satzungsänderung, die die Gruppe der kritischen Neumitglieder eingereicht hat. Sie beantragt eine Änderung der Wahlordnung. Sie sehen, dass nicht nur wir, das alte Plenum, noch über wichtige Anträge abstimmen lassen…

Nur zehn Prozent der Kammermitglieder haben an der Wahl zum Plenum teilgenommen. Hat die Mehrheit kein Interesse daran, oder sind die einfach komplett zufrieden mit der Kammer?

Melsheimer:

Die extrem niedrige Wahlbeteiligung ist leider ein bundesweites Phänomen. Das ist nicht gut für die deutsche Kammerlandschaft. Dabei hatten wir in Hamburg vor der Wahl sogar mithilfe eines Callcenters 50.000 Unternehmen angerufen und sie gebeten, ihr Wahlrecht auszuüben. Wir werden jetzt erforschen lassen, warum die Wahlbeteiligung so gering ist, und wie man das ändern kann. Aber wir wissen durch eine Emnid-Umfrage heute schon, dass zwei Drittel der Mitglieder zufrieden oder sehr zufrieden mit der Kammer sind.

Warum sind dennoch so viele vom Bündnis „Die Kammer sind wir!“ ins Plenum gewählt worden?

Melsheimer:

Darüber möchte ich nicht spekulieren. Aber wenn man die Wahllisten anschaut, wussten wohl viele nicht mehr, welcher Kandidat wofür steht. Das könnte man auch als Verunsicherung der Mitglieder auslegen. Das Wahlverfahren versucht ja, die ganze Wirtschaft abzubilden, was im Nachhinein auch mit den Zuwahlen versucht wird. Es sollen sich möglichst viele Branchen einbringen können.

Sie haben für die Sanierung der Kammer Geld zurückgelegt. Die Kammerrebellen verlangen nun, dass dieses Geld an die Mitglieder ausgeschüttet wird. Wie stehen Sie dazu?

Melsheimer:

Die größte Risikovorsorge für die Zukunft ist für einen Kaufmann hanseatischer Prägung, Rücklagen zu bilden. Die Handelskammer hat dies über viele Jahrzehnte getan – auch für die Sanierung unseres Kammergebäudes. Es ist 170 Jahre alt, ein Denkmal, das jedes Jahr viel Geld für die Instandhaltung verschlingt. Irgendwann müssen wir sanieren. Sollen wir uns dann die Kosten über eine Zwangsumlage in einem Jahr von den Mitgliedern holen, die dann gerade zur Kammer gehören? Das erscheint mir nicht gerade fair.

Wie hoch ist das Budget der Kammer?

Melsheimer:

Etwa 45 Millionen Euro im Jahr. Die Bilanzsumme liegt bei 141 Millionen Euro. Wir haben 280 Mitarbeiter. Der Personalkostenanteil liegt bei 50 Prozent, der Rest entfällt auf Sachkosten.

Wie hoch sind die jährlichen Beiträge für die Firmen eigentlich?

Melsheimer:

Wir haben Grundbeiträge, die sich zwischen 40 und 580 Euro bewegen. Hinzu kommt ein Umlagesatz von 0,22 Prozent vom Gewerbeertrag. Von den Beiträgen für die Jahre 2012 und 2013 haben wir 20 und 15 Prozent zurückerstattet. Seit 2010 wurden der Umlagesatz um 30 Prozent und die Grundbeiträge um 20 Prozent gesenkt. 40 Prozent unserer Mitglieder zahlen übrigens überhaupt keine Beiträge, da sie unter den Freigrenzen liegen.

Die Rebellen fordern unter anderem die Offenlegung des Gehalts des Hauptgeschäftsführers. Was halten Sie davon?

Melsheimer:

Wir sind grundsätzlich bereit, die Summen zu nennen, aber nur wenn dies abgestimmt und bundesweit von allen Kammern erfolgt. Daran arbeiten wir. Bis es so weit ist, geben wir die Gesamtsumme an, die derzeit für alle 14 Mitglieder der Geschäftsführung bei 2,26 Millionen Euro liegt.