Neubau „Aeolus“ verlässt älteste deutsche Werft in Richtung Bremerhaven. Auftrag rettete das Traditionsunternehmen

Neuenfelde. Das bislang aufwendigste Schiff, das je bei Sietas gebaut worden ist, hat die Neuenfelder Werft verlassen. Am Montagabend lief die „Aeolus“ aus der Este nach Bremerhaven aus. Schlepper bringen das 140 Meter lange, 38 Meter breite Errichterschiff für Offshore-Windparks an die Weser. Auf der Lloyd-Werft sollen noch die vier je 84 Meter hohen Stahlstelzen eingesetzt werden, auf denen sich das Schiff zur Montagearbeit auf See künftig aufständert. Wenn auch diese Komponenten installiert sind, soll die „Aeolus“ mit eigenem Hauptantrieb auf Probefahrt gehen. Der Eigentümer, das niederländische Wasserbauunternehmen Van Oord, will die „Aeolus“ von Juli an zunächst für den Aufbau eines Offshore-Windparks vor der niederländischen Küste einsetzen.

„Dieses Schiff ist technologisch sehr anspruchsvoll“, sagte Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos), der selbst gelernter Schiffskonstrukteur ist, vor dem Auslaufen auf der Brücke der „Aeolus“. „Ein solches Schiff unter den Bedingungen einer Insolvenz zu bauen, verdient höchsten Respekt.“

Das Schiff war der aktuell letzte Auftrag für die insolvente Sietas-Werft und gewissermaßen ein Brückenprojekt, um für das 379 Jahre alte Unternehmen noch rechtzeitig einen Weg in die Zukunft zu finden. Erst am 10. Februar hatte der Insolvenzverwalter Berthold Brinkmann Sietas an das russische Werftunternehmen Pella Shipyard der Familie Tsaturow mit Sitz in Otradnoye bei St. Petersburg verkauft. Pella will Sietas zum 10. März übernehmen. Bis Ende April soll die noch bestehende Belegschaft mit Mitarbeitern aus der Sietas-Transfergesellschaft wieder auf 120 Mitarbeiter aufgestockt werden. Bis Ende 2016 will das russische Unternehmen bei Sietas insgesamt 15 Millionen Euro investieren und die Belegschaft auf insgesamt 400 Mitarbeiter aufstocken. Zunächst soll Sietas mit Bauaufträgen von Pella versorgt werden. Das russische Unternehmen baut vor allem kleinere Schiffstypen für den russischen Staat wie auch für eine Reihe von privaten Auftraggebern in Russland und in anderen Ländern. Dazu zählen unter anderem Schlepper, Patrouillenboote oder Fischereifahrzeuge.

Die Belegschaft von Sietas und das Team des Insolvenzverwalters Brinkmann hatten die „Aeolus“ in enger Kooperation mit Van Oord gebaut. Der Vertrag dafür musste nach der Insolvenz von Sietas Anfang 2012 neu gefasst werden. Brinkmanns Sohn Tobias Brinkmann vereinbarte mit den Van-Oord-Managern Peter Bunschoten und Ingrid Pieters einen Vertrag, mit dem das Schiff trotz der schwierigen Umstände der Insolvenz auf einem finanziell soliden Fundament fertiggestellt werden konnte. So war die mehr als 120 Millionen Euro teure „Aeolus“ auch ein Referenzprodukt für den Verkauf der Werft insgesamt. „Ich bin stolz auf das, was die Mitarbeiter der Sietas Werft für dieses Schiff geleistet haben“, sagte Berthold Brinkmann auf der „Aeolus“. „Erstmals wurde ein solches Spezialschiff auf einer deutschen Werft entwickelt und gebaut. Mit dem heutigen Tag setzen Sietas und Van Oord einen Meilenstein im deutschen Schiffbau.“

Van Oord wolle in den kommenden Monaten über den Bau eines weiteren Windpark-Errichterschiffes entscheiden, sagte Bunschoten. Der Markt für den Bau und die Beschäftigung solcher Schiffe war unter anderem dadurch in Turbulenzen geraten, dass der Ausbau der deutschen Offshore-Windparks zuletzt nicht wie erhofft vorankam. Die neue Bundesregierung plant einen gesetzlich geförderten Ausbau der deutschen Offshore-Windkraft-Leistung auf 6500 Megawatt bis zum Jahr 2020. Derzeit sind nur rund 650 Megawatt Leistung aus vier Offshore-Windparks auf der deutschen Nordsee und Ostsee am Netz. Bislang galt für 2020 eine Zielmarke von 10.000 Megawatt.

Für 2030 werden derzeit 15.000 Megawatt Ausbauziel angepeilt, in den Jahren zuvor waren es 25.000 Megawatt. Das Ausbauziel für 2030 dürfte allerdings auch von der technologischen und wirtschaftlichen Entwicklung bei der Energiewende in den kommenden Jahren beeinflusst werden. Die Offshore-Industrie geht davon aus, dass die Erzeugungskosten für Strom aus Offshore-Windparks von derzeit rund 14 Cent je Kilowattstunde im kommenden Jahrzehnt auf deutlich unter zehn Cent gesenkt werden können.

Die Offshore-Windkraft auf der deutschen Nordsee und Ostsee soll in den kommenden Jahren wesentlich dazu beitragen, zunächst vor allem Atomkraftwerke in Süddeutschland zu ersetzen. Das dafür maßgebliche Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) soll bis zum Sommer unter Federführung von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) novelliert werden. Um die Details des neuen Gesetzes, auch über den Bau von Strom-Ferntrassen von Nord- nach Süddeutschland, wird politisch derzeit bundesweit heftig gestritten. „Wichtig ist, dass nicht jedes Bundesland seine eigene Energiewende umsetzt“, sagte Wirtschaftssenator Horch auch mit Blick auf Bayern. Die dortige Landesregierung stellt aktuell vor allem den Bau von Ferntrassen von der Küste nach Süden infrage. „Die Windkraft an Landstandorten und auf See ist unverzichtbar, damit die Energiewende in Deutschland gelingt“, sagte Horch.