Der Norderstedter Süßwarenhersteller Herza setzt auf eine radikale Veränderung des Sortiments. Drei Millionen Euro für eine neue Anlage.

Hamburg/Norderstedt. Fitness-Riegel aus der Schokoladenfabrik? Klingt irgendwie merkwürdig. Ein bisschen wie Obst aus dem Bonbon-Laden oder Skifahren in der Wüste. Für Torsten Wywiol, 48, ist die Herstellung von Sportlernahrung bei Herza Schokolade in Norderstedt jedoch kein Widerspruch, sondern ein Geschäftsmodell mit Zukunft. Aus diesem Grund setzt Wywiol auf eine radikale Veränderung des Sortiments. Nach mehr als 90 Jahren im Confiserie-Geschäft hat Herza die Herstellung ihrer traditionellen Fondant-Eier, Tannenbaum-Kringel und Nugatpralinen eingestellt und konzentriert sich auf die Produktion von funktionellen Riegeln.

„Wir mussten leider feststellen, dass man mit dem Confiserie-Geschäft kein Geld verdienen kann und nicht wettbewerbsfähig ist“, sagt Torsten Wywiol. Vor 14 Jahren hat er Herza Schokolade übernommen und für die Modernisierung des Traditionsbetriebes gekämpft, der 1921 von Hermann Zapf in Hamburg gegründet und von dessen Familie bis zum Verkauf geführt wurde.

Torsten Wywiol ist Geschäftsführer der Stern-Wywiol Gruppe, zu der heute auch Herza gehört, und der „Onkel mit der Schokoladenfabrik“, wie seine Neffen ihn nennen. Die Bezeichnung wird auch nach der neuen Firmenausrichtung bleiben, denn Herza verabschiedet sich nicht komplett aus der Schokoladen-Branche, sondern stellt auch weiterhin so genannte „funktionelle Qualitätsschokolade für die weiterverarbeitende Lebensmittelindustrie“ her, das heißt unter anderem für Müsli, Feingebäck, Speiseeis, Joghurt, Babynahrung und Backmischungen. Insgesamt 6000 Tonnen sind es jährlich. Oder anders ausgedrückt: Die Schokoladen-Blätter, -Chips, -Splitter, -Tropfen, -Raspeln, -Pulver und -Pellets aus dem Hause Herza landen in 50 Millionen Packungen Schoko-Müsli, 50 Millionen Portionsbechern Eis, 70 Millionen Cookies und 15 Millionen Torten. Der Exportanteil von Herza liegt bei rund 40 Prozent, bei der gesamten Stern Wywiol Gruppe sind es 85 Prozent. „Vom regionalen Markt alleine kann man nicht leben. Man braucht den Export“, sagt Torsten Wywiol.

Er sitzt bei Herza an der Segeberger Chaussee in einem Besprechungszimmer. An den Wänden hängen Bilder von Nugatkringeln und kandierten Fondant-Eiern. Bilder aus vergangenen Tagen. „Damit waren wir Weltmarktführer und hatten einen Marktanteil von 80 Prozent – aber leider wurden diese Spezialitäten nur im deutschsprachigen Raum verzehrt“, sagt Wywiol und zeigt auf die kandierten Fondant-Eier. Rund sieben Millionen Euro Umsatz hat Herza mit dem Confiserie-Geschäft gemacht, das Ergebnis sei jedoch zu gering gewesen, um die Produktion aufrechtzuerhalten. Zu gering, um die Arbeitsplätze der rund 100 Mitarbeiter zu sichern. „Wenn der Punkt erreicht ist, muss man einen Schlussstrich ziehen“, sagt Wywiol. Er ist Geschäftsmann, war sieben Jahre lang bei Reemtsma, bevor er 2000 den Schritt in die Selbstständigkeit wagte. „Verrückt“ sei das gewesen. „Damals investierten alle in die New Economy – und ich ging in die Old Economy und kaufte eine Schokoladenfabrik“, sagt er und lacht. Das höre sich zwar altmodisch an, sei es aber nicht: „Herza ist ein innovativer Schokoladenhersteller mit Schwerpunkt auf individuellen Kundenlösungen.“

Bis zu 130.000 Riegel können in nur einer Schicht hergestellt werden

Und dazu gehören auch Fitness-Riegel. Was aus einer Notlösung entstanden ist, hat sich zu einem Erfolgsmodell entwickelt. Ursprünglich wollte Herza mit den funktionellen Riegeln nur den Bedarf des Schwester-Unternehmens SternLife decken, das Nahrungsergänzungsmittel herstellt. Aus den anfänglichen drei Millionen Riegeln für SternLife sind inzwischen 30 Millionen Riegel geworden. Um den steigenden Bedarf decken zu können, hat Herza drei Millionen Euro in eine neue Anlage investiert, in der bis zu 130.000 Riegel pro Schicht hergestellt werden können.

Die Riegel werden im Auftrag verschiedener Kunden produziert und in Supermärkten, Drogerien und Fitnessstudios vertrieben. „Aber nicht unter dem Namen Herza, sondern dem Firmennamen unserer Kunden“, sagt Wywiol. „Herza ist ein reines B-to-B-Unternehmen“, stellt er klar und meint: Business-to-Business, womit die Geschäftsbeziehung zwischen Unternehmen bezeichnet wird – im Gegensatz zu Beziehungen zwischen Unternehmen und Privatpersonen als Kunden (Business-to-Consumer).

Fünf Millionen Euro Umsatz macht Herza inzwischen im Bereich Fitness-Riegel, das ist rund ein Fünftel des gesamten Umsatzes von 25 Millionen Euro. Tendenz steigend. Das Ziel von Torsten Wywiol: In fünf Jahren soll die Produktion auf 120 Millionen Riegel gesteigert und einen Segmentumsatz von 30 Millionen Euro erzielt werden. Derzeit entwickelt Herza im Auftrag eines Kunden einen Riegel, der im Rahmen einer Schlankheitskur eingesetzt werden soll. Noch im Laufe des Jahres soll die Neuheit auf den Markt kommen.