Die Standardlösung wäre diese gewesen: Sietas in Neuenfelde, zu klein, zu alt, zu unmodern, um zu überleben, geht den Weg, den viele andere deutsche Werften in vergangenen Jahrzehnten bereits gehen mussten. Den Weg der Abwicklung.

Aber Sietas ist nicht Standard. Das Unternehmen wäre mit inzwischen rund 379 Jahren nicht Deutschlands älteste Werft, hätte sich an den Obstplantagen des Alten Landes nicht eine gewisse Zähigkeit herausgebildet. Was Sietas kann, hat die Werft zuletzt mit der „Aeolus“ gezeigt, einem Errichterschiff für Offshore-Windparks von modernster Bauart und Technologie. Kein Fall für eine Standardwerft.

Nun übernimmt Pella Shipyard aus St. Petersburg die insolvente Sietas-Werft. Die Russen kennen sich mit Spezialschiffen aus. In den Gewässern des hohen Nordens werden Schiffe für extreme Anforderungen gebraucht. Solche Schiffe kann Sietas bauen. Insgesamt ist diese Zeit im Werftgeschäft nicht die Zeit der Standardware. Die verstärkte Nutzung, aber auch die intensivere Erforschung der Meere erfordern maßgeschneiderte Schiffe mit einem sehr hohen Anteil an Ingenieurleistung und mit höchster Präzision bei der Verarbeitung.

Es wäre schade gewesen, hätte ausgerechnet Sietas diese neue Ära des Spezialschiffbaus nicht mehr erleben dürfen, jenes Unternehmen, das im Jahr 1966 das weltweit erste Containerschiff namens „Bell Vanguard“ gebaut hatte, das auf festgelegten internationalen Maßen für Container basierte. Heute sind Containerschiffe Standard. Die „Bell Vanguard“ von Sietas war es damals nicht.