Der neue Bundeswirtschafts- und Energieminister Sigmar Gabriel (SPD) will den Ausbau von Ökoenergie reformieren. Das Abendblatt gibt Antworten auf wichtige Fragen.

Hamburg/Kiel. Viel Wirbel um die erneuerbaren Energien: Der neue Bundeswirtschafts- und Energieminister Sigmar Gabriel (SPD) hat mit seinen Eckpunkten zur Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) eine breite Diskussion ausgelöst. Bis zum Sommer soll die EEG-Novelle nach den Vorstellungen des Ministers unter Dach und Fach sein und dann zum 1. August in Kraft treten. Heute beschäftigt sich das Bundeskabinett bei seiner Klausurtagung auf Schloss Meseberg mit der komplexen Materie. Im Mittelpunkt steht dabei die künftige Förderung von Windkraftwerken und Fotovoltaikanlagen, die den weitaus größten Teil der erneuerbaren Energien in Deutschland umfassen. Das Abendblatt beantwortet wichtige Fragen zu der Debatte.

Würgt Sigmar Gabriel mit seinem Vorstoß die Energiewende ab?

Es herrscht Konsens darüber, dass die Förderung der erneuerbaren Energien in dem Maße gesenkt werden muss, wie die entsprechenden Technologien billiger werden. Die Stromverbraucher subventionieren Windkraft-, Solar-, Biomasse- und Wasserkraftwerke über eine allgemeine Umlage auf den Strompreis. Die Umlage ist vor allem durch den starken Zubau von Fotovoltaikanlagen in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. 2014 soll sie 6,24 Cent je Kilowattstunde betragen. Strom aus erneuerbaren Energien wird mit durchschnittlich 17 Cent je Kilowattstunde gefördert, Minister Gabriel will den Betrag auf zwölf Cent senken. „Alle Beteiligten, die an der Energiewende arbeiten, müssen einen Beitrag leisten“, sagt Felix Goedhart, der Vorstandsvorsitzende des Hamburger Unternehmens Capital Stage AG, das Solar- und Windparks betreibt. „Ich sehe im Moment nicht, dass einzelne Beteiligte dabei über Gebühr belastet würden. Eine Absenkung von 17 auf zwölf Cent bei der durchschnittlichen Förderung von Ökostrom ergibt sich übrigens schon automatisch aus den derzeit gültigen Tarifen. Hinzu kommt, dass auf lange Sicht viele relativ teure Fotovoltaikanlagen nach und nach aus der Förderung herausfallen und durch neue und kostengünstige Anlagen ersetzt werden.“

Ist der Ausbau der Windkraft in Norddeutschland in Gefahr?

Die Nordländer Niedersachsen und Schleswig-Holstein haben an ihren Küsten die ergiebigsten Windkraftstandorte. Hier wird Strom aus Windturbinen zu den in Deutschland niedrigsten Preisen von teils unter sechs Cent je Kilowattstunde erzeugt. Im Prinzip ist die Windkraft an den Küsten heute bereits voll wettbewerbsfähig mit Kohlekraftwerken. Bei der Windkraft allerdings fallen zusätzliche Kosten an, weil Windstrom bei Bedarf nicht jederzeit zur Verfügung steht. Bei Kohlekraftwerken wiederum müssen die Umweltschäden vor allem aus der Freisetzung von Treibhausgasen zusätzlich auf die Erzeugungspreise aufgeschlagen werden. Das geschieht derzeit nicht in einem realistischen Umfang, weil die Zertifikate für den Ausstoß von Treibhausgasen in Europa zu billig sind. Die Offshore-Windkraft auf der deutschen Nord- und Ostsee mit ihren hohen Stromerträgen soll in den kommenden Jahren in wachsendem Umfang dazu beitragen, Strom aus Windkraftwerken „grundlastfähig“, also jederzeit verfügbar zu machen. Allerdings sind Offshore-Windparks bislang noch teurer als Windparks an Land. „An den Küsten von Schleswig-Holstein oder Niedersachsen lässt sich Strom aus Windparks heutzutage unter sehr guten Bedingungen produzieren“, sagt Felix Goedhart. „Ich glaube nicht, dass die Küstenregion mit der Novelle des EEG ein Problem bekommen wird. Zumal vermutlich die Fristen für die Genehmigung neuer Windparks zu den bisherigen Konditionen in der politischen Debatte wohl noch einmal verschoben werden.“

Wie wird gegenwärtig der an Land erzeugte Windstrom vergütet?

Für die ersten fünf Jahre nach Inbetriebnahme erhält der Betreiber eine Anfangsvergütung in Höhe von 8,66 Cent je Kilowattstunde, teilt der Bundesverband Windenergie mit. In diesen fünf Jahren wird der tatsächliche Windertrag der Anlage ermittelt und in das Verhältnis zu einer Referenzanlage gesetzt. Je wind- und ertragreicher ein Standort ist, umso kürzer ist dann die Phase, in der noch die Anfangsvergütung gezahlt wird. Danach erhält der Betreiber des Windrades eine Grundvergütung in Höhe von 4,72 Cent. Hinzu kommen noch Bonuszahlungen von weniger als einem halben Cent je Kilowattstunde für bestimmte Windkraftanlagen, die vor dem 1. Januar 2015 in Betrieb gehen. Das Preismodell läuft insgesamt über einen Zeitraum von 20 Jahren. Danach muss der Windstrom zum Marktpreis verkauft werden.

Wie wird die von Offshore-Anlagen erzeugte Energie vergütet?

Für diesen Strom ist eine höhere Anfangsvergütung von 19 Cent je Kilowattstunde für acht Jahre vorgesehen. Danach werden 3,5 Cent für den auf dem Meer erzeugten Windstrom bezahlt.

Wie werden sich die geplanten Einschnitte auf die Branche auswirken?

„Da es sich um eine staatlich gelenkte Branche handelt, muss man mit solchen Eingriffen rechnen“, sagt Oliver Drebing von SRH AlsterResearch. Mit der geplanten Deckelung des Ausbaus – etwa von Windrädern an Land auf 2500 Megawatt pro Jahr – könne die Branche leben, auch wenn sie öffentlich klagt. Drebing verweist darauf, dass es in anderen Ländern härtere Einschnitte bei den erneuerbaren Energien gegeben hat. So kürzte Spanien die Vergütung von Solarstrom sogar rückwirkend. „Deutschland hat bei den erneuerbaren Energien nach wie vor Modellcharakter, und es gibt eine gewisse Kontinuität bei der Förderung“, sagt Drebing. „Es gibt in Deutschland keinen Bruch bei der Förderung wie in anderen Ländern.“ Nach Einschätzung des Experten dürften auch die Unternehmen mit dem jetzt eingeschlagenen Weg bei der Windenergie zufrieden sein. „Nordex macht 95 Prozent seines Umsatzes im Ausland und muss sich also vielen unterschiedlichen Rahmenbedingungen anpassen“, sagt Drebing.

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