Waren kostenlos zurücksenden? Dieses Recht soll es bald nicht mehr geben. Doch Unternehmen wie Otto wollen weiter kulant zum Kunden sein.

Hamburg. Deutschen Onlinekäufern geht es gut. Bisher zumindest. 14 Tage lang können sie jeden Kauf ohne Angabe von Gründen widerrufen. Alles was mindestens 40 Euro gekostet hat, geht gar gratis zurück an den Versender. Festgeschrieben ist das im Bürgerlichen Gesetzbuch – Paragrafen 312b, 312d, 355. Insbesondere übermütige Weihnachtsshopper nutzen diese Vorteile gerne. Doch es könnte das letzte Mal sein, dass Kunden diese Privilegien gesetzlich zustehen. Denn die deutsche Regelung ist einzigartig im europäischen Vergleich – und das Verfahren soll europaweit vereinheitlicht werden.

Ab Juni gelten neue gesetzliche Regeln für den Widerruf eines Fernabsatzgeschäftes, also auch den Onlinekauf. Bislang ist es in Deutschland der Verkäufer, der die Kosten für die Rücksendung bei Waren trägt, wenn sie mindestens 40 Euro kosten. Zudem muss der Kunde keine Gründe angeben, weshalb er seine Meinung geändert hat. Alles ganz einfach – entsprechend hoch ist die Zahl der Retouren in Deutschland.

Künftig müssen Kunden für jede Retoure ein Formular ausfüllen, das der Händler der Ware beilegt, und den Widerruf begründen. Wer schon einmal etwas bei großen Händlern im Internet bestellt hat, weiß, dass solche Formulare bereits heute ausgegeben sind. Doch eine Pflicht zum Ausfüllen bestand bisher nicht. Es war also ein Entgegenkommen des Kunden, wenn er dazu bereit war, dem Händler zu erklären, weshalb die schicke Bluse nun doch nicht ganz so schick am eigenen Körper aussah oder weshalb die Hose in der vermeintlichen Konfektionsgröße 40 am eigenen Bein eher wie eine 36 aussah.

Außerdem – und das wird viele schwerer treffen – gilt künftig die Grundregel, dass jeder Kunde die Versandkosten für eine Rückgabe selbst zahlt. Alle, die noch am 23. Dezember so manches unnötige Geschenk online erstanden haben, können sich noch über die bisherige Regelung freuen. Die Frist der Paragrafen 312b, 312d, 355 des Bürgerlichen Gesetzbuches läuft für sie am Montag den 6. Januar, 24:00 Uhr, ab. Wer bis dahin den Kauf widerruft, ist fein raus. Ohne Nennung von Gründen – und ab einem Warenwert von 40 Euro kostenlos – heißt es dann: „Return to Sender“.

Experten geben auch für die Zukunft ein wenig Entwarnung: Onlinehändler können von dieser Regelung – zugunsten des Verbrauchers – abweichen. „Wir gehen davon aus, dass viele Unternehmen zukünftig Kulanz walten lassen werden und die Rücksendekosten auch weiterhin übernehmen“, sagt Christian Gollner von der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz. So hat etwa der zweitgrößte Onlinehändler Deutschlands, die Hamburger Otto Group, bereits angekündigt, Retouren auch künftig dem Kunden nicht in Rechnung zu stellen.

Letztendlich werden es die Unternehmen sein, die entscheiden, ob sie die Retourkosten tragen oder nicht, betont auch Thomas Lipke, Präsident des Bundesverbands des deutschen Versandhandels. Positiv gedreht bedeutet das, dass der Kunde ab Sommer einen weiteren Grund hat, sich für oder gegen einen Onlinehändler zu entscheiden. Negativ gedreht jedoch bedeutet es, dass Verbraucher einen weiteren Punkt im Kleingedruckten zu beachten haben. Und nur wenige Kunden werden sich wohl so im Griff haben, kurz vor dem finalen Kaufclick „Nein“ zu sagen.

Das Widerrufsrecht in der heutigen Form sei ein Segen für die Branche, sagt Verbandsvertreter Lipke: „Unseriöse Händler haben es dadurch etwas schwerer.“ Ähnlich sieht das auch Christian Gollner: „Die unkomplizierte, meist kostenfreie Möglichkeit des Widerrufs stärkt das Vertrauen der Verbraucher in den Onlinehandel.“

Bereits heute sind von der kundenfreundlichen Regelung schon einige Produkte ausgenommen. Lebensmittel, Downloads, Zeitungen, individuell hergestellte Ware und manche anderen Produkte, sobald deren Originalverpackung geöffnet wurde – darunter zum Beispiel Filme auf Blu-Ray oder Software. Alles andere aber darf der Kunde zu Hause ausprobieren, ganz so, als sei er im Laden und würde es anprobieren. Passt der Pullover? Das Ladekabel? Grenzen gibt es, aber sie sind oft schwer zu fassen. „Ich darf nicht einfach zwei Kameras bestellen, mit beiden im Wald Fotos machen und dann eine Kamera wieder zurückgeben“, sagt Astrid Auer-Reinsdorff, Fachanwältin für IT-Recht.

„Es gibt natürlich immer auch Kunden, die diesen Spielraum ausnutzen“, sagt Versandhandelsverbandschef Lipke. Sein Beispiel: Brautkleider. „So ein Kleid braucht man nur einmal. Wenn Sie das nach der Hochzeit wieder zurückschicken, ist das ganze Geschäftsmodell infrage gestellt“, sagt er. Manche Händler statten ihre Waren daher mit Sicherheitsetiketten aus. Ist das Etikett entfernt und haben Verkäufer und Käufer das zuvor so vereinbart, erlischt das Widerrufsrecht. „Wenn sich jemand ständig Sachen kauft und sie stark gebraucht zurückgibt, hört die Kulanz auf“, sagt Lipke. „Da muss dann abgewogen werden zwischen Kundenfreundlichkeit und Wirtschaftlichkeit.“

Andersrum greift die Frist von 14 Tagen nur, wenn der Verkäufer den Kunden auf seine Rechte hinweist – in einer Widerrufsbelehrung. Ansonsten gilt das Widerrufsrecht (theoretisch) unbegrenzt. Meist geschieht es im Rahmen dieser Vereinbarung, dass geklärt wird, ob ein Rückgaberecht erlischt, wenn zum Beispiel Etiketten abgeschnitten oder Sicherheitsfolie entfernt wird. „Wenn der Unternehmer den Kunden nicht darauf hinweist, trägt er selbst das Risiko und kann keinen Wertersatz fordern“, sagt Auer-Reinsdorff.

Wertersatz kann dem Händler zustehen, wenn Waren eindeutig übermäßig genutzt wurden. Das bedeutet: Der Händler nimmt die Ware zwar zurück, erstattet wegen der Abnutzung aber nur einen Teil des Kaufpreises. Paradebeispiel eines jeden Juristen: Ein Wasserbett zum Beispiel darf zu Hause mit Wasser gefüllt werden – darüber hatten selbst höchste Richter schon zu entscheiden. Die Begründung: anders wäre es kaum zu testen.