Firma zieht zurück nach Hamburg. Spätestens 2015 wird Geschäftsführer Jörgen Vogt Traditionsunternehmen von Inhaber Andreas Fleck übernehmen

Hamburg. Bozana Pestalic sitzt hinter der alten Pfaff-Nähmaschine und gibt den Fahnenstoff Millimeter für Millimeter frei. Die Nadel rattert hoch und runter und setzt eine saubere Naht. Seit fast 25 Jahren arbeitet die 61-Jährige für FahnenFleck – seit Ende November mit einem neuen Weg zur Arbeit. Das Traditionsunternehmen ist von Pinneberg zurück in die Hansestadt gezogen und sitzt nun an der Kieler Straße. „Über die Autobahn 7 bin ich fast genauso schnell in der Firma wie vorher“, sagt die Näherin. Auch die Verbindung mit der S-Bahn und der Haltestelle Diebsteich sei gut, freut sich die Pinnebergerin und lacht: „Da haben die Chefs an die Mitarbeiter gedacht.“

Die Chefs sind Geschäftsführer Jörgen Vogt und Inhaber Andreas Fleck. „Wir haben uns immer als Hamburger Firma verstanden“, sagt Fleck. In der Wahrnehmung vieler Bewohner der Elbmetropole wird das auch immer so gewesen sein. Denn den Namen FahnenFleck verbinden viele vor allem mit dem Geschäft am Neuen Wall. In dem Laden gibt es Tausende Artikel für Fasching, Karneval oder Halloween, von Kostümen über Masken bis zu Schminksets. „Das Weltbild der Hamburger werden wir nicht mehr ändern“, sagt Fleck und lacht: „Wir kommen von der Pappnase nicht weg.“

Der Unternehmenssitz war hingegen 38 Jahre lang weg. Flecks Vater Heinz siedelte 1975 vom Kleinen Burstah nach Schleswig-Holstein um. Damals habe die 1882 am Graskeller gegründete Firma mehr Platz für Maschinen gebraucht. „Mein Vater kaufte ein 15.000 Quadratmeter großes Grundstück, bebaute davon 3500 Quadratmeter. Das war zuletzt totes Kapital“, sagt Fleck und verkaufte das Gelände nun an einen Logistikunternehmer. Andere Herstellungsarten, moderne Drucktechniken und schnellere Produktion ließen den Platzbedarf sinken. Nun stellt das Unternehmen als Mieter auf rund 1000 Quadratmetern (plus 300 Quadratmeter Lagerfläche) in einem Bürohaus in Stellingen Fahnen und Banner her.

Während für viele Unternehmen die niedrigere Gewerbesteuer in Schleswig-Holstein ein Grund für den Umzug in das nördliche Bundesland ist, geht FahnenFleck den umgekehrten Weg – aus mehreren Gründen. „In Hamburg läuft unser Geschäft. Hier sind unsere Kunden, unsere Veranstalter, unsere Agenturen, mit denen wir zusammenarbeiten“, sagt Vogt. Das persönliche Gespräch werde immer wichtiger, auch weil Serviceleistungen ausgebaut werden sollen. Früher habe er auch schon mal Termine absagen müssen, weil er bei der Auffahrt auf die Autobahn schon den Stau gesehen habe. Dies falle nun weg, die Anfahrtswege verkürzen sich deutlich. Für das internationale Geschäft ist der Hafen die Drehscheibe. Und auch die Personalsuche falle hier leichter. „Junge Leute wollen Lifestyle haben“, sagt Fleck, „den finden sie in Hamburg deutlich mehr als in Pinneberg.“ Zwar hat das Unternehmen in den vergangenen Jahren das Personal von 60 auf 45 Beschäftigte reduziert, aber fast ausschließlich über natürliche Fluktuation. Auf Neueinstellungen wurde wegen des geplanten Umzugs verzichtet. „Wir sind froh, dass alle unsere Mitarbeiter mit nach Hamburg gekommen sind“, sagt Vogt, der in den nächsten Monaten fünf bis sechs neue Leute einstellen will.

Jede Woche verlassen etwa 1300 Quadratmeter Fahne die Firma

Mit der Herstellung von Fahnen und Bannern macht das Unternehmen etwa zwei Drittel seines Umsatzes, der in den vergangenen Jahren konstant bei rund vier Millionen Euro lag. Dieses Jahr sollen die Erlöse leicht steigen, einen Ausreißer nach oben gab es 2006, als alle Fahnen für die Fußballstadien bei der Weltmeisterschaft in Deutschland von FahnenFleck kamen. Während der Finanzkrise ging es 2009 leicht nach unten. „Wenn Unternehmen ihr Werbebudget kürzen, merken wir das sofort“, sagt Vogt. Das Unternehmen bietet beispielsweise auch Leuchtkästen, Stellwände und Beachflags an, für Messestände oder Promotionaktionen sind komplette Sets mit Theke, Banner und Vitrine erhältlich. Von der Stadt Hamburg hat das Unternehmen seit Jahrzehnten die Lizenzrechte erhalten, den öffentlichen Grund zu beflaggen.

Die Kundenliste ist lang, der Versandhandelskonzern Otto gehört dazu, die Reederei Hapag-Lloyd, der Flughafen, die Uni. Aber auch die Veranstalter des Rockfestivals in Wacken, des Kirchentags und der Internationalen Gartenschau greifen auf die Dienste der Firma zurück. „Wir haben spezielle, patentierte Stoffe, die eine Dehnungsfestigkeit haben und vor dem Ausreißen bei einer Windböe schützen“, nennt Fleck einen Grund dafür. Und Vogt fügt schnell das Tempo hinterher: „Bis zu einer gewissen Menge können wir innerhalb von zwölf Stunden liefern.“

Nach dem Auftragseingang bearbeiten die Grafiker das Motiv und senden die Daten an die Produktion. In einem kleinen Raum an der Kieler Straße surren drei Digitaldruckmaschinen. Die jeweils rund 150.000 Euro teuren Maschinen bringen die wasserabweisenden Farben auf den Stoff, bei dem es sich um beschichtetes Polyester handelt. Anschließend wird die Farbe mit einem anderen Gerät bei 183 Grad Celsius in das Textil gebrannt. Die Stoffrollen sind 150 Meter lang und zwei Meter breit. Größere Fahnen oder Banner werden von den acht Näherinnen zusammengenäht. „Für die Beerdigung von Nelson Mandela haben wir in Südafrika eine Flagge genäht, die war so groß wie ein Handballfeld“, sagt Vogt, der 2007 die Tochterfirma in dem Kap-Staat mit 15 Mitarbeitern gegründet hat. Jede Woche verlassen etwa 1300 Quadratmeter Fahne das Unternehmen. Die Maschinen für die Automatenstickerei stehen nun statt in Pinneberg bei einer Firma in Ostdeutschland, die für FahnenFleck produziert. Den Siebdruck übernimmt eine Firma in Franken. Die eigens entwickelten Masten stellt eine Firma in Nordrhein-Westfalen her. Wimpel fertigen die Näherinnen nun in Heimarbeit. „Wenn der HSV mal wieder international spielt, werden die Begrüßungswimpel vor dem Anpfiff von uns kommen“, sagt Vogt.

Für den 42-Jährigen ist die Geschäftsführung längst mehr als ein Job geworden. Vor sieben Jahren war er einer von 24 Bewerbern, die ein Headhunter dem Eigentümer vorgestellt hat. „Das Einzige, was mich damals an Fahnen interessierte, war zu sehen, wie viel Wind herrscht“, erinnert sich Vogt, der als Surfer Sechster bei den Deutschen Meisterschaften wurde, auf seine ehrliche Antwort im Vorstellungsgespräch.

Der Jurist bekam den Job. Auch weil er schon als Student eine Personalagentur mit Büros in Lübeck, London und Kapstadt aufgebaut hatte, die er verkaufte, um den Studienabschluss und seine Promotion erfolgreich zu beenden. „Seitdem war mir klar, dass ich Unternehmer werden will“, sagt er. 2015 wird er nicht mehr nur Angestellter, sondern auch Eigentümer von FahnenFleck werden. „Familie Vogt wird das Unternehmen im Laufe des Jahres übernehmen“, sagt der 60 Jahre alte Fleck. „Meine Tochter möchte das Unternehmen nicht fortsetzen, aber ich möchte aus dem täglichen operativen Geschäft heraus.“ Damit wird erstmals nach vier Generationen ein Familienfremder Eigentümer von FahnenFleck – bis auf das Geschäft in der Neustadt, das weiter im Besitz von Fleck bleibt. Weil er zu Silvester Geburtstag hat, passe „ich sehr gut in das Geschäft. Ich bin halt ein Knallbonbon.“