Nach mehr als 50 Jahren wechselt in dem Traditionsgeschäft am Klosterstern der Besitzer. Risiken durch Onlinehandel werden immer größer

Hamburg. Rudolf Beckmann geht noch einmal durch sein Einrichtungshaus Beckmann am Klosterstern. Sein Blick wandert über das glänzende schwarze Leder des Lounge Chairs, er streicht über die Lehne des Eames Armchairs mit den Ahornfüßen, dann greift er zum Gästebuch und blättert durch die Jahre: Auf Hunderten Seiten haben sich die Kunden mit handschriftlichen Widmungen für die gute Beratung in dem Möbelhaus bedankt – seit mehr als 50 Jahren ist Beckmann in Hamburg eine Institution in Sachen Wohnen und Design.

„Herr Beckmann kennt wirklich jeden Klassiker der Welt mit Vornamen, er ist ein lebendes Lexikon“, lobt Wilko Schwitters, der ab sofort der Herr im Hause Beckmann ist: Schwitters, Eigentümer des Möbelhauses Bornhold am Neuen Wall, kauft den Konkurrenten in Harvestehude. Zum Jahreswechsel wurde der Übergang vollzogen, Rudolf Beckmann feiert in den nächsten Wochen seinen 76. Geburtstag und war schon länger auf der Suche nach einem Käufer für das Geschäft, in dem seine Frau und Firmenmitinhaberin Ute Beckmann vor wenigen Wochen brutal überfallen worden war. Immerhin seit 1965 hatte Beckmann das Haus geführt, 1959 hatte es der Hamburger gemeinsam mit seinem Vater und seinem Bruder gegründet. Seine Beratung zu den Ikonen der Möbelwelt, zu Fragen der Ergonomie und dem Zusammenspiel zwischen Formen und Farben hatte sich zuletzt aber immer weniger ausgezahlt. „Immer mehr Leute lassen sich bei uns beraten und kaufen dann im Internet“, sagt Beckmann. Die Preistransparenz im weltweiten Netz und Rabattaktionen bei Onlinehändlern lassen den stationären Möbelhäusern nur noch eine Chance zum Überleben: Sie müssen eigene Kollektionen anbieten, um der Austauschbarkeit entgegenzuwirken. Diese Strategie verfolgen sowohl Beckmann als auch Bornhold.

„Abgesehen von den eigenen Kollektionen sehe ich nur ganz wenige Überschneidungen im Sortiment und bei der Kundschaft“, begründet Wilko Schwitters seine Entscheidung, Beckmann ab sofort als zweites Standbein in Hamburg zu führen. Bornhold konzentriere sich stark auf Dekoration, auf Textilien, präsentiere ganze Wohnwelten im klassisch-traditionellen Ambiente. Auf den gut 600 Quadratmetern Verkaufsfläche bei Beckmann hat Schwitters das Eppendorfer Publikum im Blick: „Hier setzen wir eher auf puristische, minimalistische Einrichtungen“, sagt der 61-Jährige. Mit Möbeln aus einem preisgünstigeren Segment, wie sie Bornhold am exklusiven Neuen Wall führt, will er auch jüngeren Kunden ein breites Angebot bieten. „Wir werden uns mit den beiden Häusern ergänzen, statt zu konkurrieren.“

Daher verzichtet Schwitters auch auf Einschnitte beim Personal: Die acht Mitarbeiter bei Beckmann werden ihren Arbeitsplatz behalten, bei Bornhold am Neuen Wall beschäftigt der Inhaber noch einmal 28 Wohnberater auf 2000 Quadratmeter Fläche.

Bis Ende Februar wirbt der Standort am Klosterstern noch mit zahlreichen Sonderangeboten, unter anderem von Arne Jacobsen, Alvar Aalto, Marcel Breuer, Charles und Ray Eames, Le Corbusier und Antonio Citterio. Ab März wird das Geschäft, weiterhin unter dem Namen Beckmann, dann nach einem Umbau offiziell eingeweiht.

Schwitters selber ist Innenarchitekt und Betriebswirt, hat bei seinen Eltern im ostfriesischen Wittmund bereits das Leben und Arbeiten mit Möbeln und Design erlebt und absolvierte in der Branche später Stationen in Oldenburg, Bremen und München, bevor er 2010 Bornhold übernahm. „Wir müssen den Kunden das ,Loslassen‘ beibringen und uns als Interiordesigner und Shoppingberater anbieten“, denkt Schwitters, der auch mit dem Dadaisten Kurt Schwitters verwandt ist, über das Erfolgsrezept im hochwertigen Möbelhandel. In den USA ließen sich die Menschen meist schon das ganze Haus von den Innenarchitekten der Einrichtungsläden ausstatten. „Sie operieren sich ja auch nicht selber, sondern setzen auf die Erfahrung von Spezialisten“, argumentiert Schwitters für seine Idee des professionalisierten Möbeleinkaufs.

Die Möbelhändler müssen auf ihre Erfahrung im Einrichten setzen, um dem Onlinehandel die Stirn bieten zu können. Immerhin hat jeder vierte Bundesbürger bereits einmal Einrichtungsgegenstände im Internet gekauft. Und das Kölner Institut für Handelsforschung (IFH) geht für das gerade vergangene Jahr von 40 Prozent Zuwachs im Onlinehandel aus. Zuletzt sind die drei Samwer-Brüder, die auch den Internethändler Zalando gegründet haben, mit dem Portal Home 24 an den Start gegangen. Auch der Handelskonzern Otto investiert derzeit einen zweistelligen Millionenbetrag in den Aufbau neuer Internetportale für Möbel und Accessoires. Vor allem mit hochwertigen Produkten von Markenherstellern will das Hamburger Unternehmen dabei um neue Kunden buhlen.

Auch Ikea drängt in das Internet. Zehn Prozent des Umsatzes will der weltweit größte Möbelhändler hierzulande mittelfristig über diesen Vertriebskanal einnehmen, das wären rund 400 Millionen Euro. Aktuell liegt die Quote bei knapp 2,5 Prozent. Auch wenn Wilko Schwitters mit Bornhold und Beckmann auf den stationären Handel setzt – den Mietvertrag für Bornhold will der Kaufmann bald verlängern – er hat auch den Onlinehandel im Blick. „Wir werden uns dem nicht verschließen“, sagt der auf der Uhlenhorst lebende Vater von zwei Söhnen.

Schwitters wird in den nächsten Monaten einiges zu tun haben, um beide Möbelhäuser für die Zukunft zu rüsten. Aber auch der scheidende Rudolf Beckmann verlagert seinen Lebensmittelpunkt nicht auf das Sofa: „Ich will noch einiges erleben“, sagt der Kaufmann, der in einer Wohnung über seinem Laden wohnt. Als nächstes geht es auf Reisen. „Die Backsteingotik an der deutschen Ostseeküste erkunden“, verrät Beckmann. Ein wenig Architektur muss es für den Designliebhaber also nach wie vor sein.