Mit Heimwerkerkursen nur für Frauen versuchen die großen Filialketten, eine neue Zielgruppe zu erschließen. Ein Selbstversuch mit Sekt, Schnittchen und Wasserpumpenzange.

Aus den Lautsprechern kommt ABBA. Es gibt rosafarbenen Sekt aus Plastikbechern. Und eine stark geschminkte Dame mit roter Plastikblume im Haar drückt mir einen Zettel für die Tombola in die Hand: Willkommen nachts im Baumarkt.

Vor ein paar Jahren fiel großen Baumarktketten auf, dass die meisten ihrer Kunden Männer sind.

Dass sich Frauen selten zwischen die hohen Regale mit Sechskantschrauben, Innensechskantschrauben und Senkschrauben verirren. Dass sie, wenn doch, oft frustriert wieder abziehen, ohne etwas zu kaufen – weil sie nicht wissen, welche Schraube die richtige ist.

Deshalb bieten viele Baumärkte Frauen jetzt Nachhilfe im Heimwerken an – mittlerweile auch in Hamburg. Bauhaus nennt das „Women’s night“, Hornbach „Women at Work“, Obi „Hammerfrauen Workshop“. Das Konzept ist immer dasselbe: Die Frauen lernen in einem Abendkurs Löcher bohren, Laminat verlegen oder tapezieren. Zur Belohnung gibt es Drinks, Schnittchen und Präsente.

Die Frage ist: Funktioniert das? Und: Wie viele Klischees werden dabei bedient?

Ich teste die „Women’s night“ im Bauhaus in Berlin-Spandau. Bohren kann ich einigermaßen, deshalb habe ich mich für den Workshop „Tropfender Wasserhahn? Sanitärprobleme schnell gelöst!“ angemeldet. Aber erst mal gibt es Sekt. „Kennen wir uns nicht vom letzten Mal?“, fragt mich eine Frau vom Stehtisch nebenan. Leider nein.

Von Erstsemester bis Frührente ist altersmäßig alles vertreten

Rund 300 Frauen sind gekommen, einige davon Stammkunden, viele mit Freundin. Zwei ältere Damen begrüßen sich mit den Worten „Fliesen legen? Ich auch“. Auf den Plakaten waren schöne junge Frauen in Karohemd und Latzhose zu sehen, die Bohrmaschine oder Schaufel lässig über die Schulter gelegt. Ein kariertes Hemd trägt hier niemand. Stattdessen sehe ich Pullis unter Outdoorjacken, Jeans und Sneakers, dezentes Make-up. Vom ersten Semester bis zur Frührente ist altersmäßig alles dabei.

„Guten Abend, liebe Heimwerkerinnen!“, tönt es aus den Boxen. Jan-Dierk Meyer, der Filialleiter, steht auf einer Bühne, die bei den Gartenmöbeln aufgebaut ist. Gerade noch hat er einer älteren Dame mit russischem Akzent die richtige Antwort auf die Preisfrage verraten (Mallorca), jetzt heizt er die Stimmung an: „Die wie vielte ,Women’s night‘ ist das?“ Eine Frau ruft: „Die vierte!“ Es ist die fünfte.

Meyer stellt die acht Workshopleiter vor, sieben davon sind Männer. „Trockenbau: klingt trocken, ist es aber nicht“, sagt er. Oder: „Diesen Kurs leitet unser allseits beliebter Womanizer.“ Der Womanizer – graue Haare, Brille, Bäuchlein – steht hinter Meyer und hält ein Schild vor sich wie ein Nummerngirl. Zwei Frauen neben mir, beide um die Vierzig, schwärmen vom Baumarkt als Single-Börse. „Da lernst du den Mann in seinem natürlichen Umfeld kennen.“

Endlich stellt sich meine Workshopleiterin vor. Sie ist jung, hübsch, rot gelockt. „Das Quotengirl“, lästern die Frauen neben mir. „Ich möchte Ihnen heute von Frau zu Frau zeigen, wie man selbst Hand anlegen kann – nicht an den Mann“, sagt sie. Alles lacht. Das letzte Wort hat aber der Filialleiter: „Bevor es jetzt losgeht, noch etwas, was für viele Frauen sehr wichtig ist“, sagt er. Dann beschreibt er den Weg zur Toilette.

Schmissig, flott und ein bisschen frivol: So sieht der Baumarkt aus, wenn er Frauen gefallen will.

Wir laufen zu unserem Workshop, die Leiterin mit einem großen Schild vorweg. Damit sich niemand verläuft, haben wir zusätzlich einen Lageplan bekommen. 40 Teilnehmerinnen sind wir, angemeldet hatten sich nur 20. Schnell werden noch ein paar Bänke geholt, dann geht es los. Und auch wenn zwischendurch mal der Sektwagen vorbeikommt: Jetzt wird erst mal gearbeitet. Zunächst gibt es ein paar einfache Tipps: Die normale Höhe für ein Waschbecken sind 80 Zentimeter. Bevor man anfängt, soll man kontrollieren, ob alle Teile der Armatur in der Packung sind. Aber dann geht es zur Sache. Die Leiterin schraubt vorne ein Waschbecken an und erklärt die einzelnen Arbeitsschritte. Sie benutzt dabei Wörter, die ich noch nie gehört habe: 19er-Maulschlüssel, Wasserpumpenzange, Hebelmischer. Nur manchmal gibt es Tipps von Frau zu Frau. Dann sagt sie: „Wenn Sie eine kleine Tochter haben, dann freut die sich, den Knetwulst abzupiddeln.“ Oder: „Entweder Sie haben einen Nusskasten in Ihrem Werkzeugkasten, oder Sie haben einen guten Nachbarn.“

Die anderen Frauen wollen wissen, seit wann es biegbare Rohre gibt, wie man zwei Waschmaschinen gleichzeitig anschließt und ob die billigen Armaturen mit Plastikteilen schneller kaputtgehen. Mir dämmert: Ich bin im Profikurs gelandet. Ich wäre auch nicht auf die Idee gekommen, allein ein Waschbecken zu montieren. Die anderen schon. Viele haben ein eigenes Haus; Heimwerken ist für manche ein Hobby.

„Frauen brauchen etwas Anleitung, sind dann aber sehr interessiert und stellen viele Fragen“, sagt Filialleiter Jan-Dierk Meyer. Auf die Idee mit der „Women’s night“ kam er wegen der Männer. Die machten in den gemeinsamen Kursen nämliche manchmal blöde Sprüche, mehrere Frauen beschwerten sich.

„Die Mädels trauen sich viel mehr zu, wenn sie unter sich sind“, sagt Meyer. Mädels sind für ihn auch ältere Damen. Er ist stolz, dass seine Filiale viele weibliche Kunden hat. „Wir haben ja auch eine große Tapetenabteilung.“ Auch die umliegenden Geschäfte seien vorteilhaft: „Die Frauen gehen zu Ikea, die Männer zu Media-Markt, danach treffen sie sich bei uns.“ Trotzdem gibt er zweimal im Jahr einen fünfstelligen Betrag für die „Women’s night“ aus. Es scheint sich zu lohnen.

Etwa eine Stunde lang erklärt die Leiterin im Sanitärworkshop, wie das Waschbecken, die Armatur und das Abflussrohr befestigt werden. Zwischendurch gibt es ein bisschen Werbung für die hauseigenen Produkte („14,95 – das ist ein super Preis-Leistungs-Verhältnis“) und am Ende noch eine beruhigende Nachricht für alle: „Im Notfall hat Bauhaus auch einen Montageservice.“

Dann dürfen wir selbst ran an die Waschbecken. Ich mache mich mit Gabi und Melanie an die Arbeit. Gabi, 49, schnappt sich die Anleitung, ich hänge mich unters Waschbecken, um die Unterlegscheiben anzuschrauben. Ein ziemliches Gefummel, denn man sieht ja nichts, so über Kopf. Und anstrengend. Erst tun mir die Beine weh, dann der Nacken. Elegant sieht das bestimmt auch nicht aus.

Immer wenn ich mir ein neues Teil nehme und überlege, wo es hin soll, hat Gabi es auf der anderen Seite schon angeschraubt. Sie hat zwar noch nie ein Waschbecken ausgetauscht. Dafür repariert und montiert sie in ihrem Haus sonst so ziemlich alles. „Mein Mann pfuscht da immer, da mache ich es lieber selbst“, sagt sie. Nur vorm Winkelschleifer mit der scharfen Drehscheibe hat sie Respekt.

Für Gabi ist es schon der achte oder neunte Frauenkurs im Baumarkt. „Hornbach ist sehr zu empfehlen, Obi kannst du vergessen“, sagt sie. Die „Women’s night“ im Bauhaus findet sie ganz gut. Nur über die billige Armatur, mit der wir probieren, ärgert sie sich. „14,95 Euro, das kann ja nicht funktionieren.“ Tatsächlich: Der Hebel für den Abflussstopfen klemmt. Auch bei den anderen Gruppen schließt der Stöpsel nicht richtig. Trotzdem haben wir es geschafft.

Ich weiß jetzt, dass ich nie allein ein Waschbecken montieren möchte. Gabi sagt: „Ich hab’s mir schwerer vorgestellt.“ Sie will gleich zwei Waschbecken zu Hause austauschen. Aber vorher gibt es noch mal Sekt und die Gewinner der Tombola.

Ina und Judith, Mitte dreißig, waren im Kurs „Bohren, dübeln und sägen wie die Profis“. Sie haben schnell gelernt, dass man sich mit einer Bohrmaschine nicht verletzen kann. „Schlimmstenfalls bricht nur die Bohrspitze ab“, erklärt mir Ina. Das klingt eher nach meinem Niveau. Ina ist wie ich auch keine Hobby-Heimwerkerin. Sie ist gekommen, weil sie es satt hat, für jedes Loch in der Wand ihren Freund zu fragen.

Das muss sie jetzt nicht mehr: Sie gewinnt nämlich in der Tombola ein Handwerkerset. Der erste Preis jedoch ist ein Wellness-Gutschein. Als Präsent für alle gibt es dann noch einen Zollstock, der so groß ist, dass man mit ihm maximal ein Puppenhaus oder eine Hundehütte (für den Dackel, nicht den Dobermann) vermessen könnte.

Es ist mittlerweile halb zwölf. Nur wenige Frauen laufen durch die Gänge, um das gesamte Sortiment in Augenschein zu nehmen. Einige wenige besonders Eifrige fragen die Mitarbeiter nach weiteren Tipps beim Dämmen, Dübeln und Abdichten. Und ein paar Frauen – sehr angeheitert, sehr blond, Mitte vierzig – tanzen zu „Girls just wanna have fun“. Die „Women’s night“, das sei ihr Mädelstreff, erklären sie mir. Dann reden sie wieder über Augenringe und das Älterwerden.

Zu Hause, im Bad, fällt mein Blick dann sofort auf das Waschbecken. Es hat einen Riss.