Hamburger Edelmetallhändler machen auch bei sinkenden Kursen gute Geschäfte. Experten uneins über weitere Wertentwicklung

Hamburg. Als sich die Türen des Edelmetallhändlers Pro Aurum in Hamburg im Oktober 2012 am Großen Burstah zum ersten Mal öffneten, waren die besten Zeiten für das gelbe Metall schon vorbei. Nur ahnten das damals nur wenige. Der Preis für eine Feinunze Gold (31,10 Gramm) lag bei knapp 1750 Dollar. Zwei Monate später zog der Edelmetallhändler Degussa mit einer Filiale am Ballindamm nach. Der Goldpreis hatte sich um weitere 50 Dollar ermäßigt, doch die Euphorie blieb. Das Edelmetall steuerte das elfte Jahr in Folge mit einer positiven Wertentwicklung an. Immer mehr Menschen wollten daran Anteil haben. Auf einer Strecke von rund einem Kilometer gibt es seitdem in Hamburg drei Edelmetallhändler, wenn man die Zentrale der Haspa am Großen Burstah mit ihrer Edelmetallabteilung mit hinzurechnet.

In diesem Jahr sieht alles ganz anders aus. Gold steuert auf das schlechteste Jahr seit 1981 zu. Damals verlor das Edelmetall 32 Prozent an Wert. In diesem Jahr sind es bisher 27 Prozent. Am Donnerstag kostete eine Feinunze 1222 Dollar. Silber hat es mit einem Minus von 34 Prozent noch schlimmer erwischt. Seit dem Preiseinbruch im April gab es keine durchgreifende Erholung mehr. An einem einzigen Handelstag wurden damals rund 40 Prozent der jährlichen Minenproduktion verkauft. Für den Goldhandel ist das eine ungewöhnliche Größenordnung. In der Folge floss auch immer mehr von dem Edelmetall aus den großen Goldfonds ab. Es begann ein monatelanger Preisverfall, der bis heute anhält.

„Gold taugt für eine langfristige Vermögensanlage nicht, weil es nicht wertvoller werden kann, sondern sich nur sein Preis verändert“, sagt Christoph Bruns, Fondsmanager und Inhaber der Fondsgesellschaft Loys in Oldenburg. Gold sei das Paradebeispiel einer Spekulation, denn alles drehe sich nur um den Preis. Er hatte als einer der wenigen bereits im August 2011, kurz bevor der Goldpreis sein Allzeithoch von 1909 Dollar erreichte, zum Verkauf des Edelmetalls und zum Einstieg in Aktien geraten – ein geldwerter Tipp.

Doch überzeugte Goldanleger lassen sich so schnell nicht entmutigen. Sie stocken ihre Edelmetallbestände eher auf. „Mit den sinkenden Kursen nimmt die Nachfrage zu“, sagt Robert Hartmann, Geschäftsführer von Pro Aurum. „Auf einen Verkäufer von Gold kommen neun Käufer.“ Mit dem Start der Hamburger Filiale ist er zufrieden, auch wenn es noch zwei bis drei Jahre dauern wird, bis die avisierten 250.000 Kunden erreicht sind.

Zumindest gibt es jetzt mehr Gold und Silber fürs Geld. Anders als bei Aktien oder anderen Wertpapieren beschweren sich die Kunden nicht, wenn ihre Anlage wenige Wochen nach dem Kauf schon zehn Prozent an Wert verloren hat. „Sie kaufen dann noch mal nach“, sagt Hartmann. Der Krügerrand, die bekannteste Goldmünze der Welt, ist jetzt rund 30 Prozent günstiger zu haben als vor einem Jahr.

Für 3000 Euro bekommt man jetzt drei Krügerrand-Unzen (31,10 Gramm). Vor einem Jahr waren es nur gut zwei. „Die Goldnachfrage zieht zum Jahresende deutlich an“, bestätigt auch Karsten Sasse, Goldhändler der Hamburger Sparkasse. Das Weihnachtsgeschäft mache sich bemerkbar. „Viele Großeltern decken sich mit kleinen Münzen für die Kinder und Enkel ein“, sagt Sasse. Bei Pro Aurum sind größere Stücke gefragt. „Die größte Nachfrage entfällt auf die Barrengrößen 50 Gramm, 100 Gramm und 250 Gramm sowie den Krügerrand. Bei den Silberunzen wird gern zum Philharmoniker und Maple Leaf gegriffen“, sagt Hartmann.

Hinter solchen Aussagen steckt nach Einschätzung von Thorsten Proettel von der Landesbank Baden-Württemberg auch etwas Zweckoptimismus. „Denn die Nachfrage der Kleinanleger in Deutschland ist geringer als 2011 und 2012.“ Der stärkste Anstieg des Goldpreises fällt in die Phase zwischen 2008 und 2011 als eine Krise von der nächsten abgelöst wurde: Vom Zusammenbruch der US-Investmentbank Lehman Brothers über die Konjunkturkrise 2009 bis zum Beinahebankrott von Griechenland und Irland. „Diese Phase ist jetzt vorbei, auch wenn die Probleme nicht gelöst sind“, sagt Proettel. Und das hat global die Einstellung zu Gold verändert. Für den Einbruch des Goldpreises haben aber Großanleger gesorgt. „Sie sind mit geliehenem Geld auf den Zug aufgesprungen und haben sich wieder verabschiedet, als der Aktienmarkt höhere Renditen versprach“, sagt Proettel. Auch die rückläufigen Inflationsraten in der Euro-Zone sprechen gegen eine Absicherung mit Gold. „Ich rechne damit, dass der Goldpreis im nächsten Jahr unter 1200 Dollar rutschen wird“, sagt Proettel. Große Investmentbanken wie Goldman Sachs haben längst Kursziele von knapp über 1000 Dollar ausgerufen.

„Durch die expansive Geldpolitik der Notenbanken wurden die Probleme nur verschleppt“, sagt Thorsten Polleit, Chefvolkswirt des Edelmetallhändlers Degussa. „Es ist gelungen, den Zusammenbruch des Finanzsystems abzuwenden, aber die Ursachen wurden nicht bekämpft.“ Gegenüber 2000 weitete die US-Notenbank Fed die umlaufende Dollar-Geldmenge um 480 Prozent aus. Zum Vergleich: Die weltweite Goldmenge stieg in diesem Zeitraum nur um 23 Prozent.

„Langfristig folgt der Goldpreis der Geldmengenvermehrung“, sagt Polleit. Er sieht in dem Einbruch des Goldpreises nur eine vorübergehende Korrektur, und er erwartet auch nicht, dass die Fed ihre monatlichen Anleihekäufe von 85 Milliarden Dollar drastisch reduziert. Deshalb sieht er Gold weiter als Versicherung gegen Risiken wie Inflation oder Währungsreformen. „Es ist weiterhin das ultimative Zahlungsmittel“, sagt Polleit, der zu einem Anteil von zehn bis 20 Prozent im Depot rät.

Nicht nur Kleinanleger greifen bei niedrigeren Preisen zu. „China importiert jeden Monat mehr als 100 Tonnen Gold“, sagt Analyst Ingo Schmidt von der Haspa. „Nicht nur der Staat bevorratet sich, auch die Bürger wollen nicht nur dem Papiergeld vertrauen.“ Die Nachfrage in Asien stütze den Goldpreis. Im nächsten Jahr erwartet Schmidt eine Stabilisierung des Goldpreises auf 1300 Dollar. „Gold ist ein begrenztes Gut und nicht beliebig vermehrbar wie Papiergeld“, sagt Schmidt. Polleit ist noch etwas optimistischer und rechnet schon zur Jahresmitte 2014 mit 1500 Dollar pro Feinunze. Den Edelmetallanlegern wäre es nach einem verheerenden Jahr zu gönnen.