Hamburgs Vattenfall-Chef Pieter Wasmuth bekennt sich zum Standort Hamburg. Im Interview spricht er über den verlorenen Volksentscheid, den Namen HEW und mögliche Preiserhöhungen.

Hamburg. Das Abendblatt traf Hamburgs Vattenfall-Chef Pieter Wasmuth zu einem Gespräch über den verlorenen Volksentscheid zum Verkauf der Stromnetze, den Namen HEW und mögliche Preiserhöhungen.

Hamburger Abendblatt:

Herr Wasmuth, Vattenfall hat das Referendum über den Verkauf der Netze verloren. Was haben Sie falsch gemacht?

Pieter Wasmuth:

Der Volksentscheid war in erster Linie eine politische Entscheidung darüber, ob Versorgungsnetze zur Daseinsvorsorge gehören. Wir haben im Vorfeld des 22. September darüber informiert, dass der Netzbetrieb ein reguliertes Geschäft ist und man damit keine Politik machen kann. Am Ende hat eine knappe Mehrheit für den Netzkauf gestimmt. Für Hamburg ist dies die schlechtere Lösung.

Muss man befürchten, dass Vattenfall nach dem Referendum schrumpft? Immerhin beschäftigen Sie rund 4000 Mitarbeiter in der Stadt.

Wasmuth:

Wir sind seit 119 Jahren an diesem Standort, und wir bleiben hier. Neben Strom und Fernwärme haben wir unter anderem unsere Windsparte, die Innovationsgesellschaft und den Stromhandel in der Stadt. Wenn Hamburg das Netz von uns erwerben möchte, dann müsste die Stadt auch die rund 135 Mitarbeiter des Stromnetzes übernehmen.

Sie kämpfen um den Erhalt der Konzession im Jahr 2015. Gibt es einen Plan B, falls Vattenfall verliert?

Wasmuth:

Das Konzessionsvergabeverfahren für die Stromnetze ist unabhängig vom Volksentscheid. Es ist für uns eine völlig normale Situation, dass es andere Bewerber gibt. Sollte es so sein, dass wir die Konzession nicht wiedererlangen, gibt es einen gesetzlich geregelten Weg, wie der Neukonzessionär die Anlagen von uns übernimmt. Es ist unter anderem vorgesehen, dass er den rund 800 Mitarbeitern der Netzservice-Gesellschaft ein Angebot macht, unter seiner Flagge zu arbeiten. Die Mitarbeiter können dies aber ablehnen.

Mit wie vielen Bewerbungen rechnen Sie?

Wasmuth:

Wir können dies nur mit Berlin vergleichen. Dort haben wir am Anfang fünf Bewerber gesehen. Jetzt sind noch drei übrig. Wir gehen nicht davon aus, dass es in Hamburg nur eine Bewerbung von Vattenfall und eine von der Stadt geben wird.

Zum Jahreswechsel macht die schwedische Mutter mit der Aufteilung des Konzerns den Weg frei für einen Verkauf der deutschen Tochter. Warum?

Wasmuth:

Es geht nicht um einen Verkauf der deutschen Tochter, sondern um die Suche nach Partnern. Nach der Liberalisierung des Strommarktes 1998 hatten alle großen Versorger geglaubt, dass es in Europa zu einer Konsolidierung kommen werde und die Firmen deshalb eine kritische Größe brauchten. Die Realität heute ist genau entgegengesetzt. Energiepolitik wird national betrieben. Deutschland hat mit der Energiewende zudem eine besondere Situation. Deshalb ist der Schritt, sich auf Regionen zu konzentrieren, konsequent und richtig.

Was verändert sich durch die Strategie?

Wasmuth:

Da die Rahmenbedingungen heterogener werden, macht es für Vattenfall Sinn, sich in Deutschland, England und den Niederlanden für regionale Partnerschaften zu öffnen, so wie wir es mit der Hansestadt mit dem Stromnetz und dem Wärmegeschäft realisiert haben. Auch wenn diese Beteiligung jetzt nach dem Referendum nicht fortgeführt wird, war dies aus unternehmerischer Sicht eine gute Lösung. Diesen Weg werden wir in Kontinentaleuropa weiter beschreiten.

Es gibt Gerüchte, dass der kontinentaleuropäische Teil an die Börse gebracht oder verkauft wird.

Wasmuth:

Das ist eine Möglichkeit. Ein Börsengang heißt aber nicht, dass man zu 100 Prozent veräußert wird. Man öffnet sich damit für weitere Kapitalgeber oder einen Investor. Oder man kann nach Partnerschaften suchen. So ist zum Beispiel DanTysk, der Windpark, den wir in der Nordsee bauen, ein Gemeinschaftsunternehmen mit den Stadtwerken München. Warum sollen wir nicht Investitionen auf Projektebene mit Partnern verbinden, wenn dies unternehmerisch eine bessere Perspektive bietet? Voraussetzung für einen Börsengang ist übrigens, dass man attraktiv ist für Investoren, Voraussetzung für Attraktivität ist Akzeptanz. Ich glaube, wir müssen sowohl an dem einen als auch an dem anderen arbeiten. Beides ist erreichbar.

Ist ein Börsengang eine Perspektive für die nächsten Jahre oder Monate?

Wasmuth:

Für die nächsten Jahre. Das ist unabhängig von der emotional zugespitzten Situation, die wir in Hamburg hatten. Die 25,1-prozentige Beteiligung der Stadt an dem Stromnetz, die möglicherweise rückabgewickelt wird, ist für uns weiter ein Modell, das sich auch an anderen Stellen entwickeln kann.

Sie sprachen von Attraktivität. Vattenfall steht in Ostdeutschland für Braunkohle, in Hamburg für das Kraftwerk Moorburg. Ist das heute noch attraktiv?

Wasmuth:

Attraktiv ist für alle, dass sie bezahlbaren Strom bekommen, der auf Abruf verfügbar ist. Die Kohlekraftwerke werden für die Netz- und Versorgungssicherheit benötigt. Dafür brauchen wir auch die Braunkohlekraftwerke. Nächstes Jahr wird das Steinkohlekraftwerk Moorburg dazukommen. Man kann Kohle gut oder schlecht finden. Fakt ist: Wir brauchen sie.

Wie kommt es, dass sich viele nach der Atomkraft jetzt auf Kohle einschießen?

Wasmuth:

Die politischen Kräfte, die immer die Kernenergie bekämpft haben, suchen nach dem Atomausstieg nun ein neues Thema, mit dem sie emotionalisieren können. Wir aber müssen das Thema Kohle mit der Frage verbinden, ob wir weiter ein Industriestaat sein wollen mit industrienahen Arbeitsplätzen. Das ist vor allem für einen Standort wie Hamburg von entscheidender Bedeutung.

Mit ihrer deutschen Tochter dürften die Schweden zufrieden sein, zumal sie für mehr als die Hälfte des Unternehmensgewinns verantwortlich ist.

Wasmuth:

Man darf nicht vergessen, dass Vattenfall vor einigen Jahren hier zum Investieren eingeladen wurde. Wenn man investiert, um Geld zu verdienen, ist das in Ordnung. Da gibt es keine zweite Meinung. Auf der anderen Seite hat Vattenfall seine Verpflichtungen hier wahrgenommen. Wir haben immer noch so viele Mitarbeiter wie zu HEW-Zeiten. Es wurden keine Säcke mit Geld nach Schweden verschleppt.

Der Name HEW hat für viele Hamburger noch einen positiven Klang. Wenn ich Ihnen die Wette anbiete, dass Sie in drei Jahren wieder Strom unter dem Namen HEW verkaufen, halten Sie dagegen?

Wasmuth:

Wir wollen jetzt erst einmal in unsere neue regionale Struktur hineinkommen. Die Namensrechte der HEW liegen bei uns und darauf legen wir Wert. E.on hat kürzlich das Bayernwerk wiederbelebt. Die Diskussion, ob bei uns der Name HEW der beste ist oder ob man bei Vattenfall bleibt, wird man möglicherweise später führen. Sie wissen ja, dass wir mit Vattenfall in Deutschland und Nuon in den Niederlanden bereits zwei Marken haben.

Sie bieten Neukunden im Internet 175 Euro als Prämie an. Lohnt sich das?

Wasmuth:

Es ist vollkommen normal, dass Unternehmen Werbe- oder Halteprämien bezahlen, die wirtschaftlich vertretbar sind. Bundesweit steigt unsere Kundenzahl, da wir sowohl bei Strom als auch bei Gas neue Kunden dazugewinnen. In der Hansestadt sind drei von vier Hamburgern Kunde bei Vattenfall.

Werden Sie am Jahreswechsel die zusätzliche Belastung durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz auf den Strompreis aufschlagen?

Wasmuth:

Wir werden die Preise zum 1. Januar 2014 nicht erhöhen. Steuern und Abgaben sind deutlich gestiegen und wir beobachten die weitere Entwicklung sehr genau.

Nach 15 Jahren hat Vattenfall seine Lesetage in Hamburg eingestellt, auch weil Umweltgruppen alternative Lesetage durchführten. Was wird aus dem Radrennen Cyclassics?

Wasmuth:

Die Cyclassics wird es weiter geben. Und die Lesetage sind auch nicht weg, weil wir uns in Hamburg nicht wohlfühlen, sondern weil wir es schade finden, dass ein Kulturprogramm politisiert wird. Es ist auch schade, dass Autoren, die gerne zu uns kommen, aus anderen Richtungen kritisiert wurden. Wir haben die Lesetage gerne gemacht, und wir sind auch stolz darauf. Es gibt Pläne für ein neues Sponsoring.