Im Oktober sind die Preise in Deutschland nur noch um 1,2 Prozent gestiegen. Dazu trug auch der Wegfall der Praxisgebühr zu Jahresanfang bei.

Hamburg. Vor allem die vergleichsweise niedrigen Energiepreise drücken die Inflation in Deutschland immer weiter nach unten: Waren und Dienstleistungen kosteten im Oktober im Schnitt nur noch 1,2 Prozent mehr als ein Jahr zuvor, wie das Statistische Bundesamt mitteilte.

Im September hatte die Teuerungsrate noch 1,4 Prozent betragen, im Juli 1,9 Prozent. Geringer als im Oktober war der Preisauftrieb zuletzt im August 2010. Die Inflationsrate liegt damit auch deutlich unter der Zielmarke der Europäischen Zentralbank (EZB), die bei Werten von knapp zwei Prozent von stabilen Preisen spricht.

Mehrere Faktoren seien für die Tendenz verantwortlich, sagt Michael Bräuninger, Forschungsdirektor des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts (HWWI): „Neben den moderaten Energiepreisen wirkt sich die Aufwertung des Euro aus, die die Importe in Europa verbilligt.“

Zudem sei die niedrige Teuerungsrate in Deutschland auch eine Folge der Krise in Südeuropa: „Dort sehen wir zum Teil deutliche Lohn- und Preisrückgänge, die ebenfalls die deutschen Importe günstiger machen.“ Dies sei eine Auswirkung der Reformen, die man den hoch verschuldeten Staaten verordnet habe, so Bräuninger. Tatsächlich liegt die Teuerungsrate im gesamten Euro-Raum derzeit nur bei 0,7 Prozent und damit auf dem niedrigsten Stand seit vier Jahren.

Darüber hinaus zeigt die Liste der stärksten Preissteigerungen und Preissenkungen für Deutschland einige politisch bedingte Sondereffekte. So haben sich ärztliche Dienstleistungen auf Jahressicht um 19 Prozent verbilligt – zum 1. Januar war die Praxisgebühr von zehn Euro pro Quartal weggefallen. Studiengebühren sind bundesweit im Schnitt um 18 Prozent gesunken. In Hamburg sind sie bereits zum 1. Oktober 2012 abgeschafft worden.

Auf der anderen Seite wird die Liste der höchsten Preisanstiege im Oktober von diversen Lebensmitteln dominiert: Kartoffeln und Butter verteuerten sich um mindestens 28 Prozent, Milch um knapp 20 Prozent und Äpfel um mehr als 16 Prozent. In den ersten Monaten des Jahres seien die Preissteigerungen bei den Lebensmitteln allerdings wegen des strengen Winters noch höher gewesen, erklärt Bräuninger.

Für das nächste Jahr erwartet der Experte wegen des Auslaufens von Basiseffekten wieder ein leichtes Anziehen der Inflationsrate in Deutschland auf etwas weniger als zwei Prozent. Ein sprunghafter Anstieg der Teuerungsrate, wie er noch vor einiger Zeit von etlichen Volkswirten angesichts der von den Notenbanken verfolgten Politik des billigen Geldes vorhergesagt wurde, zeichnet sich nach Einschätzung von Bräuninger aber nicht ab.

Allerdings hätten die historisch niedrigen Zinsen zu punktuellen Preissteigerungen auf einigen Vermögensmärkten geführt. Als Beispiel nennt der HWWI-Forschungsdirektor die deutliche Verteuerung von Immobilien in guten Lagen Hamburgs.

Umgekehrt hatten manche Experten zuletzt von der Gefahr einer Deflation in Europa gesprochen. Damit sind sinkende Preise gemeint, die dazu führen, dass Käufe hochwertiger Güter aufgeschoben werden – was die Wirtschaftsleistung immer weiter nach unten drückt.

Zumindest für Deutschland bestehe dieses Risiko derzeit nicht, sagt Bräuninger: „Hier nahmen die Reallöhne wegen tariflicher Lohnerhöhungen in Verbindung mit der moderaten Inflationsrate zuletzt wieder zu.“ Auch Ralph Solveen, Analyst bei der Commerzbank, sieht die Gefahr einer Deflation für die gesamt Euro-Zone nicht. Denn der Rückgang der Teuerungsrate in diesem Jahr sei wesentlich auf Schwankungen der Energiepreise und den Wegfall des Effekts früherer Steuererhöhungen zurückzuführen, während die sogenannte Kernteuerungsrate – bei der unter anderem die Energiepreise nicht berücksichtigt sind – recht stabil geblieben sei. Solveen geht davon aus, dass sich die zuletzt moderaten Preise positiv auf den realen privaten Verbrauch auswirken, was „eine tatsächliche Deflation sogar unwahrscheinlicher machen dürfte“.

Ein spürbares Anziehen der Inflation hält Solveen für ebenso wenig wahrscheinlich wie Bräuninger. So wird der Ölpreis nach Auffassung des Commerzbank-Analysten Ende 2014 in Dollar gerechnet kaum höher sein als derzeit. „Die sich ankündigende allmähliche Erholung der Konjunktur dürfte mit einer gewissen Verzögerung den Lohnauftrieb etwas anschieben“, erwartet Solveen. Dies werde sich aber frühestens 2015 in einer etwas höheren Kernteuerungsrate niederschlagen.