Winzer in Norddeutschland sind eine Rarität. Doch ihre Produkte gewinnen an Qualität. Zu Besuch bei Steffen J. Montigny im Kreis Plön

Grebin. Der raue Küstenwind rauscht durch die Rebstöcke. Die Blätter färben sich schon gelb, dunkel hängen die rotblauen Trauben im Weinberg. Hunde springen durch die sauber gezogenen Reihen, auf Getränkekisten sitzen ihre Herrchen und knipsen mit Scheren bewaffnet die prallen Trauben von den Ästen. „Das kann ich jetzt nicht durchgehen lassen“, ruft Winzer Steffen J. Montigny in die Gruppe seiner Helfer hinein und nimmt eine Rispe in die Hand, die noch am Rebstock hängt und offenbar vergessen wurde. „Da hat die Winzerin wohl gerade an den Winzer gedacht“, scherzt Montigny, greift selber zur Schere und legt das Traubenbündel in einen der Eimer, die sich neben den Erntehelfern schnell mit den süßen Früchten füllen.

Während die Lese auf Montignys heimatlichen Weinbergen in der Nähe von Bad Kreuznach regelmäßig in harte Arbeit für starke Männer ausartet, hat sie in der Holsteinischen Schweiz, 80 Kilometer nordöstlich von Hamburg, den Status eines Happenings. Nachbarn und Freunde helfen mit, vom Typ Unternehmer, Lehrerin, Anwalt, Menschen, die sonst eher mit dem Kopf als mit den Händen arbeiten. Viele haben sich Gummistiefel und Handschuhe übergezogen, die Stimmung ist heiter wie die Herbstlandschaft ringsum, die sich zwischen Seen und Feldern durch die Endmoränenhügel Holsteins zieht. Als Lohn gibt es abends Lasagne für alle und ein kleines Fest mit Fachsimpeleien über Wein und die sonstigen schönen Dinge des Lebens.

So glücklich die Nachbarn in Grebin über die Abwechslung auf ihrem Weinberg an der alten Mühle sind, so zufrieden ist Montigny mit den Bedingungen im Norden. Der Winzer, der vor vier Jahren mit dem Weinbau im Norden begonnen hatte, rechnet beim Rotwein nach dieser Ernte erstmals mit einem ernst zu nehmenden Ertrag aus seinen Rotweinrebsorten Regent und Reberger. „Wir gehen von einer Produktionsmenge von 3000 Litern Rotwein aus“, sagt der 53-Jährige, der sich als einziger ausgebildeter Winzer in Schleswig-Holstein engagiert. Die Trauben seien in einem ausgezeichneten Gesundheitszustand und ließen ein qualitativ hochwertiges Niveau des Weins erwarten. „Wir können hier zwar keine Grand Crus erzeugen“, sagt Montigny über die norddeutschen Gewächse, aber die Reifemessung zeige eine hervorragende Süße der Trauben. Der Zuckergehalt liege 8 bis 10 Grad Öchsle höher als in den Vorjahren. „Der trockene Sommer verspricht einen herausragenden Jahrgang 2013“, sagt der Experte voraus. Schon vor einigen Wochen hatte Montigny die Lese ein paar Kilometer entfernt auf seinem zweiten Weinberg Hof Altmühlen begonnen, wo er sein Projekt im Norden einst mit dem Anbau von Weißwein gestartet hatte.

Mit diesen Reben von der Sorte Solaris macht er in Holstein besonders gute Erfahrungen: Im Süden würden die Trauben schon im August gelesen, in Grebin könnten sie die Sonne dagegen bis zum Oktober ausnutzen. „Und jeder Tag, an dem die Traube länger am Stock hängt, bringt mehr Aroma“, schwärmt der gelernte Weinbautechniker. Immerhin seien seine schleswig-holsteinischen Tropfen sogar schon im Gault Millau ausgezeichnet worden. „Darauf können wir stolz sein“, freut sich Montigny, der die Zeit in Holstein aber nicht nur wegen seines Erfolges genießt: Gemeinsam mit seiner Frau Annette verbringt der Weinkenner den ganzen Sommer in Grebin. „Und abends springen wir dann noch in den See, es ist herrlich hier“, sagt der kommunikative Süddeutsche über seine zweite Heimat. Außerdem bringt die Pionierarbeit im Norden für den alten Hasen im Weinbau – immerhin ist die Familie seit Generationen in dieser Branche aktiv – noch einmal den Reiz des Unbekannten. „Die Anfänge eines Weinbergs mitzuerleben und die Reben aufzupäppeln, das ist oberspannend“, sagt Montigny.

Der Winzer denkt an den Ausbau des Weinanbaus im Norden

Nach der Lese im Norden kommt die Reise in den Süden: Sofort nach der Ernte werden die schleswig-holsteinischen Trauben zu Montignys Hauptweingut in Bretzenheim an der Nahe gebracht. Dort werden sie bearbeitet, für einige Monate in Eichenfässern gelagert und abgefüllt. Im Herbst 2014 werden die Rotweine dann in ausgesuchten Famila-, Markant- und Citti-Märkten in den Regalen stehen. Der Verkauf des 2013er Weißweins, der bisher rund 15 Euro kostete, startet schon im Frühjahr 2014. Und dann wird es nur noch wenige Wochen dauern, bis sich die Montignys wieder aufmachen in den Norden, zu ihren Reben in Schleswig-Holstein. Und möglicherweise gibt es schon bald noch etwas mehr Arbeit für die Erntehelfer aus Grebin. Montigny: „Ich kann mir gut vorstellen, den Weinbau hier auszuweiten.“