Während Ruth Berckholtz im vergangenen Jahr noch als „Gartenmeisterin“ mit der silbernen Gießkanne hantierte, darf sie sich jetzt „Ältermann“ nennen und das Zepter tragen. Was auf den ersten Blick ziemlich seltsam klingt, ist tatsächlich ehrwürdige hanseatische Tradition: Ruth Berckholtz durfte gestern als erste Frau bei der „Morgensprache“ in der Handelskammer als Ältermann den Vorsitz führen. Zwölf Spitzenvertreter der Hamburger Wirtschaft stellen dabei in historischen Kostümen die Sitzung eines Kontorvorstands aus dem Mittelalter nach.

„Ich bin es gewohnt, mich in einer Männerwelt zu behaupten“, sagt die 74-Jährige, die seit 35 Jahren eine Handelsagentur im Modezentrum Schnelsen betreibt. Dort handelt sie zwar mit einem eher weiblichen Sortiment aus Dessous und Bademode, engagierte sich aber ansonsten meist in von Männern dominierten Ämtern und Verbänden: Sie vertrat die Interessengemeinschaft des Modezentrums mit 300 Mietern, arbeitete als Vorstandsvorsitzende des Verbandes für Handelsvermittlung CDH Hamburg und saß zehn Jahre dem Ausschuss für Berufsbildung der Handelskammer vor. „Ich bin immer gut damit gefahren, mein Frausein nicht überzubetonen, mich aber auch nicht zu verbiegen“, sagt die in Wedel lebende Kauffrau, die übrigens auch privat sehr gute Erfahrungen im Miteinander der Geschlechter macht: „Seit 52 Jahren bin ich glücklich verheiratet.“