Nur jeder vierte Hersteller hat eine bessere Auftragslage. Gebrauchte Boote und Nachrüstungen wieder stärker gefragt

Hamburg. An die Hanseboot werden hohe Erwartungen geknüpft. Der Eröffnung der Messe am Sonnabend sehen nicht nur Besucher mit Spannung entgegen. Yachtbauer und Bootswerften hoffen darauf, endlich wieder mehr Aufträge zu generieren. Denn der Ausbruch der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 hat die gesamte Branche schwer erschüttert, und vor allem das Neubaugeschäft leidet noch heute darunter.

„Der deutsche Umsatz der Bootsbauer liegt bei 1,3 Milliarden Euro“, sagt Claus-Ehlert Meyer, Geschäftsführer des Deutschen Boots- und Schiffbauer-Verbands (DBSV). „Das ist auf dem Niveau des vergangenen Jahres.“ Der jüngsten Umfrage des Verbands zufolge beurteilen 22,9 Prozent der Mitglieder die Lage ihres Betriebs positiver als im Vorjahr. 22 Prozent geht es schlechter, und 55 Prozent gaben an, ihre Lage sei unverändert.

Aber es gibt auch Lichtblicke: „Nach etlichen Krisenjahren geht es endlich wieder bergauf“, sagt Deutschlands größter Hersteller von Segel- und Motoryachten, Hanse Yachts. Das Unternehmen aus Greifswald hat zwei Jahre Restrukturierung mit massiven Stellenstreichungen und Produktionsverlagerungen hinter sich. Jetzt heißt es: „Wir suchen kurzfristig mehr als 100 Mitarbeiter in der Fertigung, um die Aufträge für die kommende Saison fertig zu stellen“, so der Sprecher des Unternehmens, Thorben Will.

Neben Bootsbauern würden auch Schlosser, Tischler und Elektriker benötigt. Durch eine überproportionale Nachfrage sei der Auftragseingang im ersten Quartal (Juli bis September) gegenüber der Vorjahresperiode um 85 Prozent auf 27,6 Millionen Euro gestiegen. Begünstigt hat die positive Entwicklung vermutlich aber auch die Übernahme der Produktion der insolventen britischen Sealine-Werft.

Doch der Branchenprimus steht nicht für alle: „Im Grunde stagniert das Geschäft auf dem Stand des Vorjahres“, sagt Claus-Ehlert Meyer. Nur 25 Prozent der DBSV-Mitglieder gehen von einer Verbesserung der Auftragslage aus. 44,4 Prozent melden unveränderte Geschäfte. Auch die jüngsten Zahlen des Statistischen Bundesamtes zum Im- und Export von Booten vermitteln keine Sprünge. Insbesondere der Export von Motorbooten und kleinen Segelbooten ist im ersten Halbjahr 2013 im Vergleich zum Vorjahrszeitraum eingebrochen.

Aufgefangen wird die Bilanz nur durch den Verkauf großer Segelboote über zwölf Meter Länge ins Ausland. Unterm Strich steht ein kleines Umsatzminus im Export von minus 0,3 Prozent. Die Gründe, warum sich der Bootsbau nur langsam erholt, sind laut Meyer unterschiedlich: „Die Euro-Krise im Süden ist nur ein Aspekt“, sagt er. Die Überalterung des Wassersports, und ein steigender Gebrauchtbootmarkt spielten ebenfalls eine Rolle. Die Einführung einer Luxussteuer auf Yachten habe den Markt in Italien einbrechen lassen. „Vor allem der Serienbootsbau bewegt sich auf niedrigem Niveau“, sagt Meyer.

Freuen kann sich, wer sich spezialisiert hat. Etwa Sebastian Ziegelmayer, der eine kleine Werft am Osterbekkanal in Winterhude betreibt. Sein Betrieb, der Rennboote für Profis herstellt, ist bis Mitte 2014 ausgebucht. „Uns geht es gut, weil wir uns auf eine Nische spezialisiert haben und dort erfolgreich sind. Nur so geht es“, sagt er. Ziegelmayer hat die Lizenz zum Bau der olympischen Bootsklasse 470, eine Zweimannjolle, die nur von etwa zehn Firmen weltweit hergestellt werden darf.

Seine Boote sind bei den großen internationalen Regatten immer vorn zu finden, eines holte bei den Olympischen Spielen im vergangenen Jahr Gold. Im Profibereich ist der Hunger nach neuen Booten ungestillt. Die meisten Teams brauchen zwei, wenn nicht gar drei Boote, die an den unterschiedlichen Trainingsstätten in der Welt stationiert werden. „Die Ersten beginnen schon, Boote für die nächsten Olympischen Spiele 2016 in Rio de Janeiro nach Brasilien zu bringen“, sagt Ziegelmayer. Profis bestellen etwa alle zwei Jahre bei ihm ein neues Boot.

Während sich der Yachtneubau nur langsam erholt, läuft der Gebrauchtbootmarkt besser – und mit ihm das Reparatur- und Nachrüstungsgeschäft. Bei der Böbs-Werft in Lübeck-Travemünde fahren die Boote derzeit wie am Fließband durch die Lackierhalle. „Wir sind seit dem Spätsommer bis ins kommende Frühjahr hinein ausgelastet“, sagt Heinrich Böbs, Chef des Unternehmens. „Das Refitting-Geschäft läuft sehr gut. Wassersportler hängen zunehmend bis ins hohe Alter an ihrem Boot. Sie haben aber auch das Geld für hochwertige Nach- oder Umrüstungen“, so Böbs.

Andere Bootsbauer haben ihr Angebot um wasserfremde Geschäftsfelder erweitert, um nicht nur von Neubauaufträgen abhängig zu sein. Der Kieler Yachtbauer Knierim setzt beispielsweise seine extrem leistungsfähige Fräse zur Produktion von Formen für Kunststoffteile von Windkraftanlagen ein sowie für die Automobilindustrie.

Ein weiteres Problem ist der zunehmende Fachkräftemangel. „Etwa 70 Prozent der Bootsbauer verlassen nach ihrer Ausbildung die Branche“, sagt DBSV-Chef Meyer. Grund sei, dass die Fertigkeiten der Bootsbauer etwa im Umgang mit Kohlefaserverbundstoffen auch bei Industrieunternehmen gesucht würden. „Die Industrie zahlt einfach höhere Löhne als das Handwerk.“ Eine Runderneuerung hat sich die Hanseboot schließlich selbst verpasst: Eine Reduzierung der Ausstellungsfläche erhöht die Auslastung. Und aktuelle, bisher nicht gezeigte Boote sollen mehr Besucher locken.