Ob beim HSV oder bei Hapag-Lloyd: Immer mehr Niederländer besetzen Führungsposten in der Hansestadt. Eine Analyse mit Augenzwinkern.

Hamburg. Es war vielleicht ein bisschen viel orange in dieser Woche – oranje, genau genommen. Seit Mittwoch wirkt Bert van Marwijk als neuer Cheftrainer des Hamburger Sport Vereins, der frühere Nationaltrainer der Niederlande und vormalige Bundesligacoach. Just am selben Tag gab am Ballindamm Hapag-Lloyd bekannt, dass der künftige Vorstandsvorsitzende der bedeutendsten hamburgischen Reederei und Schifffahrtsinstitution Rolf Habben-Jansen heißt. Er ist Niederländer und arbeitet derzeit noch bei einem Speditionskonzern in Den Haag, den hierzulande niemand kennt. Zwei Hamburger Heiligtümer am selben Tag gekapert von neuen Frontmännern aus Holland. Wie kann das angehen? Und wie geht das weiter? Ist Hamburg das Ziel eines Komplotts?

Ja, es stimmt, die Niederlande sind hoch expansiv. Seit sie sich rund um die Welt aus ihren malerischen Kolonien, von Java und der Goldküste bis Tobago, zurückziehen mussten, spülen sie ihr Territorium einfach selbst auf. Technologisch ist das längst kein Problem mehr. Den Hafen von Rotterdam verlängerten sie kürzlich kilometerlang in die Nordsee hinein, demnächst beginnt auf der neuen Maasvlakte 2 der Betrieb. Der Hamburger Hafenwirtschaft gefällt das überhaupt nicht.

Wollen die Oranjes nun etwa Hamburg überschwemmen? Tatsache ist: Die niederländische Wirtschaft läuft zurzeit nicht rund. Niedrige Immobilienpreise, zu viele Arbeitslose, insgesamt Rezession und miese Stimmung. Eine plausible Verschwörungstheorie könnte deshalb lauten: Unsere Nachbarn, die seit Generationen konsequent global und gnadenlos pragmatisch denken, haben sich einen traditionsreichen, wunderschönen, einzigartigen, maritimen, weltweit geliebten hanseatischen Stadtstaat ausgesucht und nähren sich nun an dessen Ansehen, Kraft und Können. Nur: Was wollen sie in diesem Zusammenhang vom HSV?

Die Niederländer sind gern gesellig, die Staatsspitze geht mit gutem Beispiel voran. Der heutige König Willem-Alexander trug in seiner Lehrzeit als Thronfolger bei den eigenen Untertanen den liebevollen Spitznamen „Prins Pilsje“. Ganz anders unsere Holländer in Hamburg. Sie sprechen öffentlich nur selten, manche fast nie, ob Erik van der Noordaa, früher Chef des Schiffs-TÜVs Germanischer Lloyd, heute Manager der norwegischen Gruppe DNV GL in Hamburg oder Peter Blauwhoff von Shell. Dürfen oder wollen sie nicht? Im Herrschaftsbereich niederländischer Konzerne herrscht auffällige Stille. Von Carla Kriwet, der deutschen Deutschlandchefin von Philips, gibt es seit ihrem Amtsantritt im Januar kein öffentliches Wort zum eigenen Unternehmen. Verschwiegen baut der Elektronikkonzern seine Stellen in Hamburg ab. Andere Statthalter niederländischer Herkunft sprechen gern über ihre Produkte, sagen dabei aber wenig über ihre Unternehmen, Harry Brouwer von Unilever etwa oder Ad Schenk vom Tabakkonzern BAT. Da erfährt der Zuhörer viel über Eiscreme, Tiefkühlkost oder Zigaretten, aber wenig über die geschäftliche Lage.

Die Zeiten, als die deutschen Tochtergesellschaften niederländischer Weltkonzerne an der Elbe eigenständige Fürstentümer waren, souverän geführt etwa von einem Johann Lindenberg bei Unilever, sind lange vorbei, auch bei Shell oder Philips. Was ist der Grund für das große Schweigen, für Verkrampfung, Abstinenz und kommunikative Blässe? Basteln die Niederländer an einer geheimen Bruderschaft, einer untergründigen Organisation – Illuminati Goudati an der Alster? Das erscheint schwer vorstellbar. Kaum einen norddeutschen Offshore-Windpark bekommt das niederländische Unternehmen Tennet pünktlich angeschlossen. An die magischen Fähigkeiten niederländischer Netzwerker mag man vor dieser Kulisse kaum glauben.

Womöglich ist der Aufgalopp holländischer Topleute in Hamburg nur ein gut inszeniertes Ablenkungsmanöver. Seit Jahren schon gräbt Europas größter Hafen Rotterdam Hamburg das Wasser ab, und hier soll es niemand merken. Insgeheim freuen sie sich nämlich in Rotterdam, dass die Elbe bislang nicht weiter ausgebaggert werden darf. Der verflixte Umweltschutz, diese renitenten Ökos. Die Hamburger, sagen sie dort an der Maas, seien Bauern, denen die Sicherheit stets zuerst am Herzen liege. Die Holländer hingegen, sie selbst, seien Kaufleute mit dem richtigen Riecher für neue Chancen. Wer erinnert sich nicht an den großen Hamburger Schlepperkrieg? Rot, frech und steuerlich begünstigt kamen die niederländischen Schlepper 1996 in den Hamburger Hafen und fuhren dann mit der lokalen Konkurrenz einen handfesten Preiskampf aus. Damals schlugen die Bugwellen hoch. Und die roten Schlepper sind noch heute da.

Hamburg und seine Manager aus Holland. Am Ende stellt sich dieses neue Bedrohungsszenario vielleicht nur als großer Budenzauber heraus. Denn im Unterhaltungssektor agieren die Niederländer, wie in vielen anderen Disziplinen auch, höchst professionell. Jeder, der fernsieht, weiß: Rudi Carrell, Harry Wijnvoord, Linda de Mol, Hans Klok, große Namen, große Entertainer, große Shows. Der schöne Schein, die heile Welt, die perfekte Illusion, das beherrschen sie aus dem Effeff.

So bringen die Niederländer schon seit langer Zeit glückselige Gefühle in die Wohnzimmer und in die Herzen der Deutschen. Auch in Hamburg hat die Imagination gut funktioniert. Erst im vergangenen Jahr musste eine erfolgreiche Eheshow auf vielfachen Wunsch aus der Bevölkerung und auf das Drängen des Milliardärs Klaus-Michael Kühne hin neu aufgelegt werden. So kamen Sylvie und Rafael van der Vaart endlich wieder zurück an die Elbe.

Leider, leider hatte dieses Märchen kein Happy End. Nein, nicht einmal für den HSV.