Ulrich Weber, Vorstandsmitglied der Deutschen Bahn, über die Stellwerk-Pannen, die Konsequenzen daraus und das Personal von morgen

Hamburg. Die Deutsche Bahn hat in den vergangenen Wochen vor allem mit den Problemen am Mainzer Hauptbahnhof für negative Schlagzeilen gesorgt. Wegen Urlaub und Krankheit konnte das Stellwerk in der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt nicht adäquat besetzt werden. Züge fielen aus oder wurden umgeleitet. Seit diesem Wochenende gilt der Notfahrplan für Mainz nicht mehr. Der Verkehr soll wieder regulär laufen. Das Abendblatt sprach mit dem Personalvorstand der Deutschen Bahn, Ulrich Weber, über die Lehren aus Mainz, den Bahnstandort Hamburg und die Suche nach dem Personal von morgen.

Hamburger Abendblatt:

Herr Weber, welche Konsequenzen zieht die Deutsche Bahn aus den Pannen von Mainz?

Ulrich Weber:

Zunächst einmal möchte ich rückblickend sagen, dass wir bei der Bahn die Situation rund um die Vorfälle in Mainz mit Blick auf unsere Kunden und Mitarbeiter sehr bedauern. Diese blamablen Vorfälle hätten so nicht passieren dürfen. Und wir arbeiten mit Hochdruck daran, dass sich so etwas nicht wiederholt. Dabei geht es vor allem um zwei Maßnahmen: Zum einen schauen wir vor Ort jetzt noch genauer auf die jeweiligen Dienstpläne und gemeinsam mit Betriebsräten und Mitarbeitern auf die laufende Personalplanung. Zum anderen qualifizieren wir einen Teil der Fahrdienstleister so weiter, dass sie als mobile Reserve auch an anderen als ihren angestammten Stellwerken eingesetzt werden können.

Grund für die Zugausfälle in Mainz war fehlendes Personal in Stellwerken. Spart die Bahn auf Kosten ihrer Fahrgäste?

Weber:

Nein. Dafür ist ein Blick auf die Historie der Deutschen Bahn wichtig. Sicherlich mussten wir in der Vergangenheit, gerade als 1994 Bundes- und Reichsbahn zusammengeführt wurden, das Unternehmen auf wirtschaftlich stabile Füße stellen und dabei auch unsere Personalkosten anpassen. Aber seit einigen Jahren ist die Phase der Sanierung beendet. Seitdem haben wir 30.000 Beschäftigte neu eingestellt. Wir sind also auf Gegenkurs, das braucht aber auch seine Zeit. Mit Blick auf die demografische Entwicklung in Deutschland geht es uns derzeit auch darum, Personal an uns zu binden.

Können solche Pannen wie in Mainz auch in Norddeutschland passieren?

Weber:

Ich will den Mund hier nicht zu voll nehmen. Aber nach meinen Erkenntnissen gibt es in Norddeutschland dafür keine Anzeichen. In Mainz sind viele Faktoren zusammengekommen. Die Personaldecke war wegen der Urlaubszeit ohnehin schon knapp, hinzu kamen Langzeitkranke und zusätzliche Personalausfälle. Das war eine unglückliche Situation.

Wie wird sich der Personalstock der Bahn am Standort Hamburg mit seinen rund 8500 Beschäftigten entwickeln?

Weber:

Der Standort Hamburg ist für uns von großer Bedeutung. Insgesamt sind wir hier gut aufgestellt. Ich gehe davon aus, dass wir den Personalbestand mittelfristig stabil halten.

Die Deutsche Bahn ist einer der größten Ausbilder bundesweit. Die Zahl der Ausbildungsplätze in Hamburg steigt stetig. Wie schwierig ist es, geeigneten Nachwuchs zu finden?

Weber:

Zurzeit sind wir mit der Rekrutierung zufrieden. In Norddeutschland beginnen am heutigen Montag gut 500 Schulabgänger ihre Ausbildung bei uns, davon rund 180 allein in Hamburg. Wir müssen uns anstrengen, können den Bedarf aber decken. Wir haben auch in Form einer großen Arbeitgeberkampagne viel für unser Image bei den jungen Menschen bewirkt. Nicht wenige denken bei der Bahn nur an Lokführer oder Bordpersonal. Aber die Möglichkeiten bei uns sind vielfältig. So kann man sich bei uns unter anderem zum Gleisbauer, Landschaftsgärtner oder auch zum Koch ausbilden lassen. Wir haben insgesamt rund 300.000 Beschäftigte, davon etwa 100.000 im Ausland. Die beruflichen Perspektiven sind also gut.

Wie ist Sie die Qualität der Bewerber?

Weber:

Insgesamt gut. Ich will hier nicht über die angeblich unmotivierte Jugend lamentieren. Sicherlich müssen auch wir als Ausbilder Dinge nachholen, die in der Schule oder im Elternhaus versäumt wurden. Aber unsere Erfahrung ist, dass sich bei fast allen Auszubildenden Freude, Motivation und Hingabe für die neue Aufgabe einstellen. Das zeigt auch bei unserem Programm „Chance plus“, bei dem wir uns um die Qualifizierung von jungen Leuten kümmern.

Greifen Sie auch schon auf junge Kräfte aus dem europäischen Ausland – wie es zum Beispiel in Krankenhäusern schon üblich ist – zurück?

Weber:

Das kommt vor. So haben wir zum Beispiel jüngst zehn Bauingenieure aus Siebenbürgen eingestellt. Zudem sind wir schon auf Jobmessen in Spanien und Griechenland gewesen, um Gespräche mit Bewerbern zu führen, die zu uns passen und uns als Konzern eventuell weiterhelfen können. Noch handelt es sich um sporadische Aktionen. Ich will aber nicht ausschließen, dass wir hier künftig mehr Anstrengungen unternehmen werden.

Wie ist das Verhältnis bei den Auszubildenden im Konzern zwischen Mädchen und Jungen?

Weber:

Wir haben rund 20 Prozent weibliche Auszubildende.

Und wie ist das Verhältnis bei den Beschäftigten und Führungskräften?

Weber:

Bei den Beschäftigten insgesamt liegt der Frauenanteil bei 22,3 Prozent, bei Führungskräften bei 16,9 Prozent.

Hier haben Sie noch Nachholbedarf.

Weber:

Für 2015 haben wir uns einen Anteil bei den Führungskräften von 20 Prozent als Ziel gesetzt. Das wäre im Vergleich zu vielen anderen Unternehmen ein guter Wert. Zudem arbeiten wir kontinuierlich daran, die Vereinbarkeit zwischen Familie und Beruf für alle Beschäftigten – Männer und Frauen – zu verbessern.

Welche Voraussetzungen muss man mitbringen, um bei der Deutschen Bahn gute Chancen auf einen Ausbildungsplatz zu haben?

Weber:

Für uns sind Lernbereitschaft, soziale Kompetenz, Kooperationsfähigkeit und ein gewisses Maß an Selbstbewusstsein entscheidend.

Sie sind seit 2009 Bahnvorstand, haben vorher in der Chemie- und Energiebranche gearbeitet. Was sind die größten Unterschiede bei der Bahn gegenüber Ihren vorherigen beruflichen Stationen?

Weber:

Ein bedeutender Unterschied ist sicherlich das immense öffentliche Interesse. Daran muss man sich erst gewöhnen, aber es ist auch eine Herausforderung.