Obstbauer Hein Lühs aus dem Alten Land verkauft 900.000 Früchte mit Motiv im Jahr

Jork. Hein Lühs ist ein leidenschaftlicher Apfelbauer. Beim Gang durch die Baumreihen zupft er hier einen abgestorbenen Ast ab und schaut dort nach Krankheiten auf den Früchten. Besonders widmet er sich den alten Sorten, die durch die Gleichmacherei und Massenproduktion in der Landwirtschaft allmählich aussterben. Namen wie Cox Orange und Boskop locken Lühs ein zufriedenes Lächeln ins sonnengebräunte Gesicht, er zeigt auf Früchte, die nicht jeder Norm entsprechen, gerne auch mal fleckig oder unterschiedlich groß wachsen, „das ist genau so wie beim Menschen auch“, sagt der Landwirt aus Jork, der sich dafür einsetzt, dass „vergessene“ Apfelsorten im Einerlei der Supermarktäpfel wieder einen Platz bekommen. Aber die wahre Leidenschaft Lühs gilt vielmehr einer ganz besonderen Eigenschaft von Äpfeln: ihrer Farbe. Und damit ihrer Fähigkeit, Botschaften zu vermitteln. Lühs ist der bundesweit größte Anbieter von Motiv-Äpfeln.

Im Hofladen des Herzapfelhofes stapeln sich Geschenkkartons mit Äpfeln, die ein grünes Herz auf rotem Grund zeigen, andere haben ein Smiley oder ein Tier aufgedruckt. Angefangen hat Lühs vor etlichen Jahren mit Aufklebern, welche die Form des Aufdrucks im Laufe der Zeit auf die sich bei der Reifung verfärbende Schale bringen. „Das ist der Bikini-Effekt“, lacht Lühs, „unter dem Bikini werden Sie nicht braun, und das ist bei den Äpfeln auch so.“ Tatsächlich ist die Verfärbung zu einem intensiven Rot bei den Früchten das Ergebnis von nächtlicher Kühle und Lichteinfall am Tag. Dazu kommt die Neigung der verschiedenen Sorten, Farbe anzunehmen.

Lühs verwendet für die Aufkleber-Technik, bei der die Äpfel innerhalb einiger Wochen während der Reifung am Baum mit dem Motiv beklebt werden, überwiegend Jonagold und Gala, dagegen würde ein Granny immer blass grün bleiben. Der Familienvater musste anfangs viel experimentieren und Rückschläge hinnehmen, denn die Färbung kann bei jedem Apfel unterschiedlich ausfallen, und sogar sein Winkel zur Sonne, der sich mit dem Wachstum allmählich ändern kann, bestimmt am Ende die Qualität des Aufdrucks.

Für Kundenaktionen in Zügen hat die Deutsche Bahn 80.000 Früchte bestellt

„Die Färbung verläuft ähnlich wie bei den Menschen, die mehr oder weniger Pigmente bilden. Engländer werden ja weniger schnell braun als Mittelmeertypen“, ergänzt Juniorchef Rolf Lühs. Der blonde junge Mann zeigt in der Plantage auf verschiedene Sorten mit unterschiedlichen Grün- und Rottönungen der Äpfel, deren Ernte in diesen Tagen beginnt. Der 24-Jährige tritt bereits in die Fußstapfen seines Vaters, lernt ebenfalls Obstbau und kümmert sich um die Produktion des Betriebs mit seinen gut 20 Hektar Land. Der Vater hat mit der Hilfe aus der Familie nun mehr Zeit für das Marketing und den Ausbau der Motivapfel-Herstellung. Von den 700 Tonnen Äpfeln, die sein Herzapfelhof im Jahr ausliefert, sind bisher 900.000 Stück mit Motiven verziert. Damit ist der Norddeutsche nach eigenen Angaben Marktführer bei illustrierten Äpfeln, ein Geschäft, das andere Obstbauer lediglich als kleineres Nebengeschäft betreiben. Damit ist Lühs auch der einzige Hersteller, der Großaufträge annimmt: etwa für Nikolaus-Aktionen in Zügen, bei denen die Deutsche Bahn schnell mal 80.000 Früchte bestellt. Aber auch die Lufthansa hat schon mehrere Zehntausend Exemplare an Flughäfen verteilen lassen.

Die Vielfalt und die Marktmacht des kreativen Apfelbauern zeigt sich auf der Wand mit den Firmenreferenzen: Tchibo, Axel Springer oder der ADAC gehören zu seinen Kunden, etliche Dax-Konzerne sind darunter mit zum Teil nicht zu erfüllenden Massenbestellungen. „Als die Ergo-Versicherung ihren Namen änderte, wollte die Firma zwei Millionen Äpfel mit dem neuen Logo bei mir bestellen“, sagt Lühs. Damals habe er den Auftrag auf 50.000 Exemplare beschränken müssen.

Bald würde er die Order in dieser Größenordnung annehmen können. Lühs investiert derzeit in eine neue Technologie zum Äpfel-Bedrucken. 800.000 Euro gibt er für fünf Laser aus, die jegliches Motiv auf die rote Apfelschale bringen können, ohne diese zu verletzen. Die Technologie funktioniert ähnlich wie beim Hautarzt, der mit dem Laser beispielsweise Pigmentflecken entfernen kann. Neben den Äpfeln für die Firmen, die bei großen Auftragszahlen bisher deutlich unter einem Euro kosten, erfüllt Lühs auch gerne Wünsche für Kleinstabnehmer. „Das geht bis zum Heiratsantrag, da braucht man ja nur einen einzigen Apfel mit dem passenden Schriftzug“, scherzt Lühs. Ein einzelnes individuell gestaltetes Exemplar kostet knapp sieben Euro. Die Kunden kommen aus der gesamten Bundesrepublik, sie kaufen direkt auf dem Hof, den sie bei Radtouren durch das Alte Land besuchen, oder bestellen im Onlineshop. Bei Geburtstagen, Hochzeiten oder Vereinsfeiern dienen die Früchte als süße Botschafter.

Bei den Großabnehmern kann Lühs mit den neuen Lasern jetzt günstigere Angebote machen, bei 60 Cent liegt der Preis pro Stück, denn die Technologie ermöglicht den Durchlauf von mehreren 10.000 Früchten im Monat. Bisher schaffte die Lasertechnologie 100 Äpfel in der Stunde, in Zukunft im gleichen Zeitraum 500 Äpfel. „Wir melden dieses neue Verfahren jetzt auch zum Patent an“, sagt Lühs, der aus Geheimhaltungsgründen nichts Näheres zu der Technik sagen möchte.

Mit den Motiväpfeln schafft Lühs einen neuen Markt, er löst sich mit der Veredelung aber auch von den Schwankungen der Preise. Schließlich kostet ein einzelner Apfel im Supermarkt heute nur 40 bis 50 Cent. In für die Landwirte schlechten Jahren bringen die Früchte sogar noch weniger ein. Die 28 Mitgliedsländer der EU erwarten 2013 zwar eine gute Apfelproduktion: Sie rechnen mit 10,8 Millionen Tonnen, das sind sieben Prozent mehr als im Vorjahr. Deutschland und Österreich melden allerdings die geringste Ernteerwartung der vergangenen zehn Jahre. Das heißt, dass die deutschen Produzenten wenige Früchte anzubieten haben, und das zu einem womöglich niedrigen Preis, denn dieser wird von der guten Erntemenge und damit einem hohen Angebot in der gesamten EU bestimmt.

Lühs ist in fünfter Generation Apfelbauer. Mit den Motiväpfeln, aber auch mit anderen kreativen Ideen wie einem Besucher-Garten mit 250 verschiedenen Apfelbaumsorten, die in Herzform um idyllische Picknickplätze gepflanzt sind, schafft sich der 52-Jährige ein Stück Sicherheit und Unabhängigkeit in einem Markt, der in einem Hochlohnland wie Deutschland und angesichts des Preisdrucks im Einzelhandel immer schwieriger wird. Lühs Sohn Rolf kann sich vorstellen, den Betrieb mit zehn fest angestellten Mitarbeitern einmal zu übernehmen. Auch die 22 Jahre alte Tochter Meike steuert mit einer Grafiklehre in einer Werbeagentur wohlmöglich darauf zu, später auf dem Hof zu arbeiten. Schließlich sind die Äpfel nur die eine Seite des Geschäfts, neue Motive rund um das Herz und gutes Marketing sind für den Erfolg des Apfelhofs in Zukunft ebenso entscheidend.