Finanzpolster der Assekuranzen schmelzen wegen niedriger Zinsen. Für die Kunden könnten die Auszahlungen sinken

München. Wegen der niedrigen Zinsen am Kapitalmarkt wollen Lebensversicherer ihren Kunden offenbar vorübergehend weniger Geld gutschreiben. Mehrere Institute hätten bei der Finanzaufsicht BaFin beantragt, die Vorschriften zur Beteiligung der Kunden an ihren Gewinnen auszusetzen, berichtet die „Süddeutsche Zeitung“. Darunter seien vor allem kleinere und mittelgroße Unternehmen.

Die Zeitung berichtet von „mehr als zehn Gesellschaften“, die beantragt hätten, die sogenannte Mindestzuführungsverordnung zeitweilig zu kappen. Die BaFin wollte diese Größenordnung nicht bestätigen. Die Mindestzuführungsverordnung schreibt den Lebensversicherern vor, ihre Kunden „angemessen“ an ihrem Ergebnis zu beteiligen: Von den Gewinnen mit Geldanlagen sind 90 Prozent für die Kunden vorgesehen. Machen die Firmen durch das Versicherungsgeschäft selbst Gewinn, weil sie weniger auszahlen müssen als kalkuliert, gehen 75 Prozent davon an die Kundschaft. Andere Gewinne werden je zur Hälfte zwischen Versicherung und Versicherten aufgeteilt.

Die Unternehmen, die bei der BaFin um Hilfe baten, wollen dem Bericht zufolge teils „deutlich weniger“ Geld für die Versicherten reservieren. Zu einem späteren Zeitpunkt solle das Geld aber wieder nachgezahlt werden. In Niedrigzinsphasen komme es schon einmal vor, dass Unternehmen eine solche „temporäre Verschiebung“ der Gutschriften beantragten, sagte die Sprecherin der Finanzaufsicht Bafin.

Auch in den möglichen aktuellen Fällen gelten die anhaltend niedrigen Zinsen am Kapitalmarkt als Ursache für die Sparbemühungen der Gesellschaften. Die Zinsen für Anleihen von Staaten in der Euro-Zone mit ausgezeichneter Kreditwürdigkeit sind angesichts der Staatsschuldenkrise auf einem besonders niedrigen Niveau.

Geben Lebensversicherer ihren Kunden Zinsgarantien ab, müssen sie deren Geld besonders sicher investieren, etwa in Anleihen von Staaten mit hoher Kreditwürdigkeit. Vor allem die hohen Zinsversprechen vergangener Jahrzehnte werden für die Versicherer damit aber zunehmend zur Herausforderung.

Welche Folgen das für die Versicherten hat, beurteilen Verbraucherschützer und der Versicherungsverband vollkommen unterschiedlich. Der Verband der Versicherungswirtschaft (GDV) erklärte, Verbraucher mit Lebensversicherungen verlören durch die vorübergehende Aussetzung der Gewinnzuführung kein Geld, sagte GDV-Sprecher Christian Ponzel. „Die anteiligen Gewinne, die ihnen die betroffenen Versicherungsunternehmen nun nicht gutschreiben können, erhalten sie zu einem späteren Zeitpunkt.“

Verbraucherschützer schätzen das anders ein. „Für Kunden bedeutet das im Zweifel, dass sie weniger Geld ausgezahlt bekommen“, sagt Edda Castelló von der Verbraucherzentrale Hamburg. Wehren könnten sich die Versicherten kaum. „Es gibt zwar eine Verordnung darüber, wie die Unternehmen die Kunden an den Gewinnen beteiligen müssen. Wird diese Verordnung aber geändert, müssen Verbraucher das akzeptieren.“ Denn die Gewinnbeteiligung sei nicht Bestandteil der Verträge, sagte Castelló.