Hamburgs Top-Ökonom Thomas Straubhaar verlässt das HWWI im kommenden Jahr

Hamburg. Die Mitteilung war klein gehalten – aber in der Hamburger Wirtschaft und Politik war sie eine große Überraschung. Thomas Straubhaar, der seit gut 14 Jahren das renommierte Wirtschaftsforschungsinstitut HWWI und dessen Vorgänger HWWA leitet, wird seinen Posten im September 2014 räumen. Der 56-Jährige hat die Hamburger Forschungseinrichtung weit über die Grenzen der Hansestadt hinaus bekannt gemacht, ist ein gefragter Experte für volkswirtschaftliche Themen. Als das HWWA Ende 2004 wegen der Streichung von öffentlichen Zuschüssen vor dem Aus stand, gründete Straubhaar mithilfe der Hamburger Handelskammer, der Universität und anderer Unterstützer aus der Stadt das Nachfolgeinstitut HWWI, das seinen Forschungsschwerpunkt auf Hamburg und Norddeutschland legte.

Der Hauptgeschäftsführer der Handelskammer, Hans-Jörg Schmidt-Trenz, und Universitätspräsident Dieter Lenzen bedauerten gestern Straubhaars Schritt in einer ersten gemeinsamen Erklärung: „Wir haben aber Verständnis für seine Entscheidung, einen Wechsel herbeizuführen, wenn es am schönsten ist.“ Straubhaars frühzeitige Ankündigung werde es nun ermöglichen, nach sorgfältiger Suche die Führung des HWWI in gute neue Hände zu legen. Auch Hamburgs Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) würdigte den Volkswirt: „Der wirtschaftswissenschaftliche Sachverstand von Professor Straubhaar hat die Arbeit des HWWI in den letzten Jahren geprägt.“ Der Hamburger Wirtschaftspolitik habe Straubhaar durch seine klaren Analysen wichtige Denkanstöße gegeben.Das Abendblatt sprach am Donnerstag mit Straubhaar über seine Entscheidung.

Abendblatt:

Herr Professor Straubhaar, Sie haben gestern überraschend angekündigt, das HWWI im September 2014 verlassen zu wollen. Warum?

Thomas Straubhaar:

Mir war es wichtig, dass ich den richtigen Zeitpunkt für eine Übergabe nicht verpasse. Und jetzt ist der optimale Zeitpunkt. Das HWWI hat das wirtschaftlich beste Jahr seiner Geschichte hinter sich. Wir haben einen Überschuss von 140.000 Euro ausgewiesen und sind personell glänzend aufgestellt. Zudem möchte ich gehen, solange mir die Arbeit noch so großen Spaß macht. Für mich war immer klar, dass ich aus einer Position der Stärke gehe.

Seit wann steht Ihr Entschluss fest?

Straubhaar:

Seit dem Jahreswechsel.

Sie sind erst 56 Jahre alt. In Rente werden Sie also noch nicht gehen wollen, oder?

Straubhaar:

Nein. Noch bin ich jung genug, um beruflich etwas Neues zu machen. An der Hamburger Universität werde ich weiter wie bisher lehren. Zudem habe ich ein tolles Angebot von der Transatlantic Academy in Washington bekommen, für die ich ja schon einmal gearbeitet habe. Ab dem Wintersemester 2014/15 gehe ich dann regelmäßig nach Washington und forsche dort.

Werden Sie Hamburg ganz verlassen?

Straubhaar:

Nein. Hamburg bleibt mein erster Wohnort. Ich werde zwischen den USA und Hamburg pendeln.

Was sagt Ihre Familie zu den Plänen?

Straubhaar:

Meine Frau freut sich, sie wird mich, so oft es geht, begleiten. Und mit Blick auf unsere Kinder ist 2014 der ideale Zeitpunkt. Denn im kommenden Jahr werden wir unser jüngstes Kind in die Selbstständigkeit entlassen.

Wie schwer ist Ihnen dieser Schritt gefallen? Schließlich leiten Sie das HWWI und das Vorgängerinstitut HWWA seit mehr als einer Dekade.

Straubhaar:

Sehr, sehr schwer. Ich habe mir den Schritt auch lange und reiflich überlegt, weil mir die Arbeit beim HWWI eben noch so viel Spaß macht. Aber für mich und auch für mein intellektuelles Weiterkommen ist die Entscheidung einfach notwendig.

Sie sind Hamburg nicht nur über das HWWI und die Universität verbunden. Sie sind auch Mitglied in zahlreichen Stiftungen und Aufsichtsräten. Werden Sie diese Ämter niederlegen?

Straubhaar:

Nein, die Ämter werde ich alle vorerst beibehalten. Im Gegenteil: Ich hoffe, durch diesen Schritt mehr Zeit zu finden, um mich darüber hinaus einzubringen. Ich möchte mich auch in ganz anderen Bereichen engagieren, beispielsweise im Sport.

Wollen Sie Präsident des HSV werden?

Straubhaar:

Nein, das würde mich nicht reizen. Aber eine Unterstützung im Management könnte dem HSV in seiner aktuellen Situation vielleicht sogar guttun – ohne dass ich eine Bewerbung abgeben möchte. Ich habe jahrelang aktiv Handball gespielt, und bei den Handballern gibt es nach dem Eklat um Frank Rost nun auch eine Vakanz. Um es gleich vorwegzunehmen: Es gibt keinerlei Gespräche in diese Richtung.

Wie wurde Ihre Entscheidung von Ihren Mitarbeitern aufgenommen?

Straubhaar:

So, wie man es sich in seiner Eitelkeit erhofft, mit Überraschung und Betroffenheit.

Haben Sie schon einen Favoriten für Ihre Nachfolge?

Straubhaar:

Nein. Ich habe die Gesellschafter absichtlich schon vor der Sommerpause über meinen Entschluss informiert, damit genug Zeit bleibt, eine für alle Beteiligten sehr gute Lösung zu finden.

Die Gesellschafter wünschen sich, dass Sie Ihren Ratschlag bei der Nachfolgesuche abgeben.

Straubhaar:

Das will ich gerne tun, ich will aber nichts vorwegnehmen.

Sehen Sie denn eher eine interne Lösung als eine von außen?

Straubhaar:

Dazu kann ich nur sagen, dass das HWWI über exzellente Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verfügt. Der Erfolg ist ja nicht nur mit meiner Person verbunden, sondern viele Beschäftigte haben das Institut unglaublich engagiert und kompetent vorangebracht. Da gibt es Spitzenkräfte, die bei allen Fragen über eine Nach-folgeregelung zu berücksichtigen sind.

Uns fällt sofort der Name von HWWI-Forschungsdirektor Bräuninger ein.

Straubhaar:

Herr Professor Bräuninger ist so eine Spitzenkraft. Das hat er durch seine Leistung in den vergangenen Jahren gezeigt. Ich halte ihn absolut für geeignet, das Amt auszuüben.