Die Hansestadt entwickelt sich zum norddeutschen Knotenpunkt für Fernbusse. Neue Strecken vorgestellt. Bis zu 100 Abfahrten pro Tag bis 2014

Hamburg. Im Gewimmel der Reise- und Linienbusse auf dem Zentralen Omnibusbahnhof (ZOB) in Hamburg sticht der Wagen von MeinFernbus mit seinem leuchtenden Grün hervor. Fahrer Sören Bauk, 41, trägt die grün-orange gestreifte Krawatte des erst Mitte 2011 gegründeten Unternehmens. Auf das Display an der äußeren Busfront hat Bauk jedoch kein Ziel eingegeben, sondern es beim Namen des Unternehmens belassen. Dennoch hat MeinFernbus ein neues Ziel fest im Blick. Vom 29. August an wird die Hansestadt von den Berlinern per Linienbus mit der Hauptstadt verbunden.

Die neue Linie mit Stopp in Hamburg führt künftig von Kiel über Kaltenkirchen in die Hansestadt und endet an der Spree. „Die Fahrten können vom gestrigen Dienstag an online, in Hamburg bei mehr als 40 Reisebüros oder direkt bei den Fahrern gebucht werden“, sagt Göran Schwind, der Leiter der Geschäftsentwicklung von MeinFernbus. Die Preise nach Kiel schwanken je nach Auslastung zwischen sechs und 12,50 Euro. Nach Berlin sind 15 bis 27 Euro fällig, während ein ICE-Ticket in die Hauptstadt 76 Euro kostet. Bis zu fünf Mal täglich startet ein Bus vom ZOB. „Sowohl Kunden aus Berlin als auch aus Hamburg haben sich die Verbindung gewünscht“, sagt Schwind.

Das Berliner Unternehmen, für das regionale Reise-Unternehmen die Busflotten und Fahrer stellen, gehört zu einer Branche, deren Wachstum derzeit kaum zu bremsen ist. Am Dienstag stellte auch die Deutsche Bahn eine neue Linie zwischen Hamburg und Köln vor. Von Freitag dieser Woche an sollen unter der Marke Berlin Linien Bus pro Tag und Richtung vier Verbindungen zwischen den beiden Städten angeboten werden. Die Preise für die einfache Fahrt liegen bei durchschnittlich 22 Euro, je nach dem Zeitpunkt der Buchung gibt es Angebote von neun bis 37 Euro. Zum Vergleich: Eine IC-Fahrkarte nach Köln kostet 86 Euro. Unterwegs angefahren werden mit dem Bus Bremen, Münster, Essen und Düsseldorf. Künftig soll auch noch ein Halt in Osnabrück dazukommen. Auch die Bahn bietet den Ticketkauf online, über Reisebüros, die Fahrer und einen Schalter im ZOB an.

Anfang November wird in Hamburg auch die Post nachziehen. Sie startet zusammen mit dem Verkehrsclub ADAC neben vier weiteren deutschen Verbindungen eine Linie zwischen Bremen, Hamburg und Berlin. „Einzelheiten wie Fahrpläne oder Preise stehen bisher noch nicht fest“, sagt Post-Sprecher Martin Grundler.

Hintergrund für die Aufbruchstimmung ist die Neuregelung des Wettbewerbs seit Anfang 2013. Bis dahin führten Busfernlinien ein Schattendasein. Sie wurden nur in Ausnahmefällen zugelassen. Doch mit dem Schutz der Bahn durch das Personenbeförderungsgesetz aus dem Jahr 1935 ist es seit dem 1. Januar vorbei. Einzige Einschränkung: Die neuen Strecken der Busfirmen dürfen nicht kürzer als 50 Kilometer sein und die Reisezeit nicht unter einer Stunde betragen. Schließlich sollen sie auch künftig den Regionalzügen keine Konkurrenz machen. MeinFernbus-Kunden dürfen daher auch nicht die Strecke zwischen Hamburg und Kaltenkirchen buchen.

Die Folgen der Neuregelung sind auch in Hamburg spürbar. So zählte Wolfgang Marahrens, Geschäftsführer beim Hamburger ZOB, vor der Liberalisierung des Verkehrs nur elf Abfahrten pro Tag – alle nach Berlin. „Inzwischen sind es 32, und bis Mitte 2014 könnten es bis zu 100 werden“, sagt er. Für diese Angebote jedenfalls liegen bei ihm Anfragen, Absichtserklärungen sowie Anträge auf Konzessionen vor.

Bei den Zielen geht es vor allem in Richtung Berlin, nach Bremen sowie nach Hannover und dann weiter nach Braunschweig und Göttingen, nach Bielefeld und Köln. Nach Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern dagegen entwickelt sich wenig. „Hier ist die Bahn mit ihren Niedersachsen- oder Mecklenburg-Vorpommern-Tickets günstiger“, sagt der ZOB-Chef.

Der Busbahnhof ist für den Verkehr gerüstet. Er wurde 2003 für 16 Millionen Euro neu gebaut: „Unsere Kapazitäten reichen aus. Wir müssen nur regulierend eingreifen, wenn alle zum selben Zeitpunkt abfahren wollen.“ Bundesweit, so schätzt er, könnten im Fernverkehr in den kommenden Jahren 500 bis 800 Millionen Euro umgesetzt werden. Derzeit liegen die Erlöse noch unter 100 Millionen Euro.

Wie stark das Interesse an den Linien ist, lässt sich bei MeinFernbus ablesen. Obwohl die erste Verbindung mit Sondergenehmigung erst im April 2012 startete, lag die Zahl der Passagiere Anfang des Jahres bereits bei 100.000. Vor gut zwei Wochen wurde die Marke von einer Million Fahrgästen übertroffen. Setzten die Kooperationsfirmen Anfang 2013 erst 30 Busse ein, wurde gestern bereits der 100. Bus mit einem Sonder-Design vorgestellt. „Wir werden 2014 weiter wachsen, weil auch die Busfirmen Kunden mitbringen“, sagt Schwind. Davon geht auch die Bahn aus. „Mit unseren bisher vier Linien lagen wir Ende Juni bei über 340.000 Passagieren und damit deutlich über dem Vorjahreswert“, sagt Alexander Möller, der für den Norden zuständige Sprecher der Geschäftsführung der Bahn-Tochter Autokraft.

Konkurrenz zum eigenen Zug-Angebot sieht Möller durch die neue Linie nicht. „Wir haben mit Studenten, die wenig Geld haben, und Senioren mit ausreichend Zeit andere Zielgruppen“, sagte er am Dienstag in Hamburg. Gerade ältere Menschen schätzten die persönliche Ansprache im Bus. Die Konkurrenz der neuen Busanbieter sieht der Manager positiv. „Der Wettbewerb ist nicht nur gut für die Fahrgäste, sondern auch wir werden dadurch besser.“ So will die Bahn bis zum Jahresende alle Busse mit WLAN ausrüsten, damit sich die Passagiere während der Fahrt ins Internet einloggen können – ein Service, der bei MeinFernbus schon Realität ist. Dafür geht die Bahn davon aus, dass sie zumindest im Norden weiterhin als Marktführer agiert.

Ziel bei MeinFernbus ist dagegen zunächst, bis Ende des nächsten Jahres schwarze Zahlen zu schreiben. Inzwischen sind in Berlin 100 Mitarbeiter beschäftigt, die sich für die Partnerfirmen um Linienplanung, Marketing, Vertrieb und Kundenservice kümmern. Hinter dem Unternehmen stehen neben den beiden beteiligten Geschäftsführern weitere sieben Investoren, vor allem mittelständische Unternehmer.

Die für die Busse gewählte Farbe Grün ist dabei auch Programm. So wird für alle Online-Bucher der exakte Ausstoß von CO2 auf ihrer Strecke ermittelt und dem Kunden angeboten, dies durch eine freiwillige Spende zu kompensieren. „Der Zusatzbetrag beträgt aber in jedem Fall weniger als einen Euro“, sagt Schwind. Das Geld überweist das Busunternehmen an die von der Schweiz aus gesteuerte Klimaschutz-Organisation My Climate. Sie unterstützt in Entwicklungs- und Schwellenländern Projekte, mit denen Energie gespart wird oder bei denen erneuerbare Energien eingesetzt werden können. Ohnehin ist man bei MeinFernbus überzeugt davon, dass gut ausgelastete Busse den geringsten Ausstoß von Treibhausgasen pro Fahrgast verursachen.

Steigen die Passagierzahlen am Hamburger Busbahnhof wie erwartet an, profitiert auch die Hansestadt davon. Denn der größte Anteilseigner des Bahnhofs ist mit 69 Prozent die Hochbahn, die wiederum der Stadt gehört. ZOB-Chef Marahrens erhält von jeder Fernbuslinie, die mehr als 30 Abfahrten im Monat hat, pro Abfahrt zwei bis drei Euro. Das hilft ihm, Darlehen für den Neubau des ZOB zurückzuzahlen.