Mit Mitte 50 wurde er in seiner alten Firma nicht mehr gebraucht. Seitdem betreibt Joachim Köhler die Anlage im Stadtpark. Bereut hat er es nicht.

Hamburg. Wie die Geschäfte laufen, weiß der Himmel. Mit dem morgendlichen Blick nach oben sieht Joachim Köhler, ob viel oder wenig Arbeit auf ihn wartet. „Wir sind unglaublich vom Wetter abhängig“, sagt der 65-Jährige, der die Minigolfanlage im Hamburger Stadtpark betreibt. An diesem heißen Sommertag scheint die Sonne, von Wolken fehlt jede Spur. Gute Bedingungen für ein Spielchen. Dennoch blickt er besorgt nach oben. Seine Augen richten sich auf die fast 100 Jahre alten, mächtigen Bäume, die bei den gut 30 Grad Celsius Schatten spenden. „Die Eichen haben Mehltau“, sagt Köhler. Die vom Pilz befallenen Blätter werden in Scharen abgeworfen und segeln langsam auf die Bahnen nieder. Köhler bückt sich und sammelt sie auf.

Es ist eine Zusatzarbeit in diesem Sommer, auf die er gern verzichtet hätte. Denn von März bis Oktober hat er ohnehin viel zu tun. Im Sommer müsse er jeden Tag auf der Anlage sein. „Diese Disziplin muss man schon aufbringen, sonst leidet der Ruf schnell“, sagt Köhler. Morgens um neun Uhr beginnt sein Tag mit dem Einkauf von Wein, Würstchen und Süßigkeiten, die er in seinem Kiosk verkauft.

Wenn sich Gruppen zum Einlochen angemeldet haben, ist er auch schon mal um zehn Uhr auf dem Platz. Ansonsten startet der Verleih der 120 Schläger und unzähligen Bälle um 13 Uhr. Der letzte Spieler darf um 19.30 Uhr an die 18 Bahnen herantreten, die aus Faserzement bestehen und Hindernisse aus Eisen haben. Köhler selbst greift nur selten zum Schläger. Seine persönliche Bestmarke von 50 Schlägen ist weit vom Platzrekord von 27 entfernt. Am besucherstärksten Tag kamen 350 Minigolfspieler auf die Anlage an den Sportplätzen am Südring.

„Ideal sind Temperaturen Anfang der 20-Grad-Marke“, sagt Köhler. Dabei sei es egal, ob Wolken aufziehen oder die Sonne scheint. An solchen idealen Schönwettertagen zählt er im Schnitt 200 Freizeitsportler. Drei Euro zahlen Erwachsene für eine Runde, Kinder sind mit zwei Euro dabei. Für Zehner-Gruppen gibt es Rabatt. Zu seinen Stammgästen zählen 25 Minigolfspieler. Eltern buchen die Anlage regelmäßig für Kindergeburtstage, Firmen für ihre Events. „Vor 21.30 Uhr bin ich selten zu Hause“, sagt Köhler.

Im Winter hat er dafür mehr Zeit. Während viele seiner Konkurrenten komplett schließen, hat er bei schönem Wetter geöffnet. „Wenn es nicht zu kalt ist, kann gespielt werden“, lautet seine Devise. Zwar seien die Einnahmen im dunklen Halbjahr gering. Unter dem Strich lohne es sich auf das gesamte Jahr gesehen aber, der Verdienst sei ordentlich. „Es ist schon mehr Geld als viele, viele Angestellte bekommen. Wir können gut davon leben“, sagt Köhler und wirkt dabei dennoch bescheiden und bodenständig. Angesichts seines Lebenslaufes ist das nicht überraschend. Schließlich ist er von seinem alten Arbeitgeber zum Jobwechsel gezwungen wurden. Heute bezeichnet er das als „glückliche Fügung“.

Insgesamt 23 Jahre lang war er für einen großen Elektronikkonzern tätig. Vom normalen Mitarbeiter hatte er sich bis ins Management hochgearbeitet. Zuletzt war er im Alter von 54 Jahren für den Vertrieb und das Marketing von Endoskopen zuständig. „Dann sollten Jüngere für frischen Wind sorgen“, erinnert er sich an seinen damals forcierten Abschied.

Köhler haderte nicht lange, blätterte im Abendblatt und las die Ausschreibung für die damals neu geplante Minigolfanlage in Hamburgs grüner Lunge. Er holte sich die Unterlagen im Bezirksamt Nord ab, erstellte Business- und Marketingplan und wurde vier Wochen später im Mai 2004 zum Vorstellungsgespräch eingeladen. Wenig später erhielt er den Zuschlag. „Die Reihenfolge der Bahnen durfte ich mit dem Erbauer der Anlage noch zusammen festlegen“, sagt Köhler. Auch bei der Auswahl der 18 Hindernisse – das Reglement gibt 25 verschiedene vor – hatte er noch ein Mitspracherecht.

Seit neun Jahren ist er nun Pächter der Anlage. Die Kostenseite ist sehr übersichtlich. Für Personal muss er nichts bezahlen. „Wir sind schließlich ein Familienbetrieb, meine Frau hilft regelmäßig“, sagt Köhler. Auch die drei Söhne im Alter von 19, 26 und 29 Jahren gehen noch zur Hand, wenn Hochbetrieb herrscht. Fixkosten gibt es für ihn eigentlich nicht. „Als Pacht muss ich 15 Prozent des Umsatzes an die Kasse Hamburg überweisen“, sagt Köhler.

Pro Saison fallen für ihn 150 bis 200 Euro an Reparaturkosten an. Für Verbrauchsmaterialien wie Einlasskarten, neue Schläger und Bälle gibt er 800 bis 900 Euro im Jahr aus. Geärgert haben ihn die fünf Einbrüche, die viel Ärger und höhere Versicherungsprämien nach sich zogen. Ansonsten treffen ihn derzeit vor allem die hohen Energiekosten. 33 Grad Celsius zeigt das Thermometer im Kiosk an. Die Eis- und Getränkekühlung läuft auf Hochtouren. „Die Stromrechnung fällt schon recht happig aus“, sagt Köhler.

Vor allem an heißen Tagen sind das aber Ausgaben, die sich lohnen. In den frühen Abendstunden ist sein Kiosk für die Sonnenanbeter und Grillmeister aus dem Stadtpark häufig der Anlaufpunkt. Sie decken sich ein, wenn der mitgebrachte Vorrat sich dem Ende neigt. Die Astra-Knolle kostet 1,70 Euro, eine Flasche Becks oder Jever ist für zwei Euro zu haben. Weit mehr als die Hälfte seiner Einnahmen kommen aus dem Verkauf von Getränken und Snacks, die er zum Mitnehmen oder Verzehr auf seinen 20 Außenplätzen anbietet. Ein kleinerer Teil stammt aus dem Verleih von Fußballtoren. Das Paar Tore kostet für eine Stunde fünf Euro. „Minigolf trägt noch gut ein Drittel zu meinem Umsatz bei“, sagt Köhler.

In Hamburg gibt es zehn Minigolfplätze (siehe Grafik). „Die Anlagen stehen meines Wissens alle auf städtischen Grundstücken“, sagt Sieghart Quitsch. Er ist der Erste Vorsitzende des Hamburger Bahnengolf Verbands und gilt als der Erfinder der Sportart. Als Student entwarf er 1956 die Bahnen, auf denen heutzutage in der ganzen Bundesrepublik eingelocht wird.

Sechs weitere Anlagen gibt es noch in der Hansestadt, die in den Händen von Sportvereinen sind. Mit dem Niendorfer Miniatur Golfclub spielt ein Club in der Bundesliga, Gaby Rahmlow vom SV Lurup hat es zur mehrfachen Welt- und Europameisterin gebracht. Der Deutsche Minigolf Sport Verband hat 11.000 Mitglieder, rund 300 davon in Hamburg. Die meisten Bürger sind aber Freizeitsportler. Pro Jahr schwingen 20 Millionen Menschen landauf, landab den Schläger. Auf rund 3000 Anlagen haben sie dazu die Möglichkeit, sagt Achim Braungart Zink, Geschäftsführer von Minigolf-Marketing. Betrieben würden sie entweder wie im Stadtpark von der Stadt beziehungsweise einem Pächter, von einem Verein, Unternehmen oder von Familien. Als die Sportart in den 1960er- und 70er-Jahren boomte, „wurden vielen Anlagen hinter dem Wohnhaus auf dem Grundstück gebaut und sind auch heute noch im Familienbesitz“, sagt Braungart Zink.

Der Trend geht laut Braungart Zink derzeit zu Adventure-Golfanlagen, auf denen der Ball zum Beispiel auf Naturrasen oder Holzplanken gespielt wird und das Runde anspruchsvoll über Brücken, an Bäumen oder Sandbunkern vorbei ins Loch muss.

Zwischen drei und zehn Anlagen pro Jahr baut die Ravensburger Firma Game ´N Fun, die sich auf ihrer Homepage als „größter, einmaligster Minigolfshop Deutschlands“ bezeichnet und alles anbietet, was Minigolfer brauchen: von Standards wie Schlägern und Bällen bis hin zu Spezialprodukten wie Wärme- oder Kühlbeutel für die Bälle bis hin zu Schiedsrichterkarten. Zwar gebe es wetterbedingt mal bessere und mal schlechtere Jahre, aber die Umsätze seien seit Jahren stabil, sagt Geschäftsführer Thomas Ruff. Mehr wolle er aber nicht sagen. Die Branche sei klein, die Wettbewerber erhielten sonst zu viele Einblicke in geheime Geschäftsdaten.

Köhler geht hingegen vergleichsweise offen mit seinen Kennzahlen um. Ein Jahr lang läuft sein zweiter Fünfjahresvertrag mit dem Bezirk Nord noch. „Dann werde ich wahrscheinlich Schluss machen“, sagt Köhler. Die Sieben-Tage-Woche während der Saison schlauche auf Dauer zu sehr, ab September werde er müde.

Er möchte bald auch im Sommer reisen und „Hamburgs Hinterhöfe mit dem Rad erkunden“. Ein tränendes Auge wird er dabei haben. „Ich stand immer gern an der Verkaufsluke, kann mich den ganzen Tag mit Kunden über den HSV und St. Pauli oder Politik unterhalten. Ein bisschen Wehmut wird aufkommen.“