Leere Regale, frustrierte Kunden. Bei der insolventen Hamburger Kette Max Bahr werden langsam die Waren knapp

Hamburg. Viel ist nicht mehr da. Ein wenig entnervt irrt Katja Tröger durch die leeren Gänge der kleinen Max-Bahr-Filiale an der Jessenstraße. Die Kundin aus St. Pauli will ihre Wohnung renovieren, sucht Farbe, eine Plastikplane zum Schutz der Möbel und neue Lichtschalter. Gefunden hat sie aber nur ein paar weiße Plastikabdeckungen. „Hier gibt es ja fast gar nichts mehr“, sagt Tröger enttäuscht und lässt den Blick durch die Farbenabteilung gleiten, wo nur noch einige wenige Eimer in den Regalen stehen.

Schöner-Wohnen-Trendfarben wären noch zu bekommen, allerdings nur in Tönen wie Melone, Honey oder Papaya. Grüntöne wie Fresh oder Farn sind hingegen aus. Auch die normale weiße Farbe einer bestimmten Marke, die Katja Tröger dringend sucht, kann sie nicht entdecken. „Da muss ich es wohl in der Filiale an der Kieler Straße versuchen – falls die noch etwas hat.“

Es ist ein Hauch von Resignation, der an diesem Morgen den Markt unweit des Altonaer Bahnhofs erfasst hat. Die sanften Gitarrenklänge aus den Deckenlautsprechern, die in besseren Zeiten den Kunden ein entspanntes Gefühl vermitteln und sie zum Kaufen animieren sollten, wirken jetzt vor allem wehmütig. Wie der Abgesang auf ein Traditionsunternehmen.

Vor zwei Wochen hat Max Bahr beim Hamburger Amtsgericht Insolvenzantrag wegen Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit stellen müssen. Der Versuch der Muttergesellschaft Praktiker, die angeblich erfolgreichere Tochter aus der eigenen Pleite herauszuhalten, war zuvor gescheitert.

Letztlich hatten die Warenkreditversicherer, die das Risiko von Lieferanten abfedern, nicht nur das Vertrauen in die Mutter, sondern auch die Tochter verloren. Wenig verwunderlich bei einem Schuldenberg von fast einer halben Milliarde Euro, die der Konzern insgesamt im vergangenen Jahr angehäuft hat.

Die Folgen sind derzeit überall in den 132 Max-Bahr-Märkten zu spüren. Während es den vorläufigen Insolvenzverwaltern zumindest für einen Teil der Praktiker-Filialen gelungen ist, mithilfe eines sogenannten Massekredits die Warenversorgung wieder zu gewährleisten, steht eine entsprechende Einigung für die Geschäfte mit dem markanten blau-gelben Logo noch aus.

„Es ist ziemlich frustrierend, lauter leere Regale zu verwalten“, sagt ein Mitarbeiter der Altonaer Filiale, während er in der weitgehend geplünderten Holzabteilung steht. Kanthölzer? Fehlanzeige. „Im Augenblick bekommen wir überhaupt keine neue Ware rein.“ Kaum besser sieht es bei den Werkzeugen aus. „Lötkolben haben wir nicht mehr, nur Lötzinn kann ich noch anbieten“, sagt der kräftige Mann, auf dessen T-Shirt der Werbespruch „Ich helfe gern!“ zu lesen ist.

Hausmeister Burkhard Metzner ist in der Filiale auf der Suche nach einem Verbindungsrohr für eine Toilette, die er dringend reparieren muss. „Zum Glück habe ich noch das letzte Exemplar erwischt“, sagt er. Nur seine Kundenkarte kann der 52-Jährige nicht mehr benutzen. „Eigentlich bekomme ich damit acht Prozent Rabatt, aber wegen der Insolvenz wird die Karte nicht mehr akzeptiert.“

Für den Profi wäre es schlimm, wenn der Baumarkt in Altona verschwinden würde. „Ich kaufe hier regelmäßig ein, weil er dicht an einigen unserer Einrichtungen liegt“, sagt Metzner, der für die Stiftung Kindergärten Finkenau arbeitet. „Die meisten anderen Filialen befinden sich am Stadtrand.“

Max Bahr sollte eigentlich der Hoffnungsträger der insolventen Praktiker-Kette sein. Besser ausgerichtet, mit größerem Sortiment und guter Beratung. In aufwendigen Videos hatte das Management noch kurz vor der Pleite besondere Dienstleistungen wie den „Probier-Max“ zum Testen von Bohrmaschinen oder anderem Gerät oder den „Ruf-Max“ zum schnellen Kontakt mit den Mitarbeitern beworben.

In Altona ist das Premium-Konzept jedoch nie so recht angekommen. Der Markt zählt zu den kleinsten der Kette, wo andere ein weitläufiges Gartencenter haben, gibt es an der Jessenstraße aus Platzgründen nur einen Raum mit einem durchsichtigen Plastikdach. Und selbst der ist jetzt, in Zeiten der Warenknappheit, zu groß. Astscheren von Gardena sind ebenso vergriffen wie Fugenkratzer oder Impulsbrausen.

Die roten Telefone für den „Ruf-Max“ sind teilweise außer Betrieb. Notwendig wären sie ohnehin nicht, weil in der kleinen Filiale immer ein Mitarbeiter in Rufweite ist.

Deutlich besser als in Altona sieht es in einer der größten Filialen von Max Bahr an der Wandsbeker Zollstraße aus. Hier befindet sich eine der Wiegen des 1879 gegründeten Unternehmens. Über dem zweistöckigen Markt lag lange die Unternehmenszentrale, bevor der Praktiker-Vorstand aus Kostengründen auf die Idee verfiel, alle Kräfte am Heidenkampsweg in der Nähe der Elbbrücken zu bündeln.

Der Ernst der Lage ist in Wandsbek erst auf den zweiten Blick zu erkennen. Die meisten Regale sind dank höherer Lagerbestände noch gut gefüllt. Hochdruckreiniger gibt es ebenso wie Türgriffe, Fliesen, Laminat oder Kreissägen. Auch Lötkolben finden sich, wenn auch nur ein Modell. Der größte Schwund herrscht auch hier in der Holzabteilung, wo Preisschilder auf nicht vorhandene Einschub- und Konstruktionslatten verweisen.

Die Folgen der Insolvenz haben gerade Andreas und Gabriele Bubert zu spüren bekommen. Das Ehepaar hatte vor ein paar Tagen Spezialschrauben für ihre Markise im Wert von rund 100 Euro erworben. Doch die Modelle passten nicht. „Normalerweise hätten wir jetzt unser Geld wiederbekommen, doch wegen der Insolvenz können wir uns nur im Markt etwas zum gleichen Preis aussuchen“, sagt Andreas Bubert.

Gemeinsam stöbert das Ehepaar in der Abteilung mit Fliegengittern. „Die kann man immer gebrauchen“, meint Gabriele Bubert. Wütend ist sie nicht auf das Unternehmen. „Die Mitarbeiter sind nach wie vor sehr freundlich.“ Dem Ehepaar würde es leidtun, wenn Max Bahr ganz vom Markt verschwinden würde. „Wir kaufen hier gern ein.“

In der Farbabteilung saust ein Mitarbeiter im Gabelstapler durch die Gänge. Auch er hat mit der Warenknappheit zu kämpfen, hat die Hoffnung aber noch nicht aufgegeben, dass in den kommenden Tagen neue Artikel geliefert werden. Die Zukunft des Unternehmens sieht der junge Mann noch positiv. „In der Baumarktbranche wird sich sicher jemand finden, der Max Bahr übernimmt“, glaubt er.

Auf eine Lösung mit externen Investoren hofft auch der Gesamtbetriebsratsvorsitzende von Max Bahr, Ulli Kruse. Aus seiner Sicht haben vor allem die alten 78 Bestandsmärkte des Traditionsunternehmens, zu denen auch die Häuser in Wandsbek und Altona gehören, die beste Überlebenschance. Viel schwieriger sehe es aber für die reinen Praktiker-Märkte und jene Filialen aus, die erst kürzlich auf das Max-Bahr-Konzept umgestellt wurden. 51 Praktiker-Filialen wird das Unternehmen definitiv abstoßen, wie Insolvenzverwalter Christopher Seagon am Freitag bekannt gab (siehe unten).

Wann die Verhandlungen über den überlebenswichtigen Massekredit für Max Bahr abgeschlossen sein werden, lässt sich derzeit noch nicht sagen. „Eine Einigung sollte zeitnah möglich sein“, heißt es aus dem Unternehmen.