Umweltschützer warnen vor Gesundheitsgefährdung auf Kreuzfahrtschiffen. Reedereien sprechen von einer Kampagne

Hamburg. Das Kreuzfahrtgeschäft boomt. Die Zahl der Passagiere und die Umsätze steigen kräftig. Die Kreuzfahrtreeder könnten sich eigentlich beruhigt im Sessel zurücklehnen, wenn nicht die Umweltverbände wären. Diese warnen eindringlich vor den klimaschädlichen und gesundheitsgefährdenden Abgasen, die die Luxusliner aus den Schornsteinen pusten, und streuen immer wieder Sand in das mit Schweröl gut geschmierte Getriebe der Kreuzfahrtindustrie. Mit Erfolg: Immer häufiger versprechen die Reedereien in ihren Prospekten nicht nur puren Luxus, sondern auch saubere Luft auf hoher See. Doch einer neuen Analyse des Naturschutzbundes Deutschland (Nabu) zufolge klafft zwischen den Ankündigungen in Hochglanzprospekten und der Realität eine große Lücke.

Der Umweltverband hat alle 20 der bis zum Jahr 2016 für den europäischen Markt vom Stapel laufenden Kreuzfahrtschiffe auf ihre Abgastechnik und deren Auswirkungen auf Klima, Umwelt und Gesundheit hin untersucht. Ergebnis: Nur wenige Anbieter haben aus den Warnungen der Vergangenheit tatsächlich Konsequenzen gezogen, es sind die beiden deutschen Reedereien Hapag-Lloyd und TUI Cruises. Beide setzen dem Ranking des Nabu zufolge als einzige Reedereien mit Stickoxid-Katalysatoren erstmals bei Kreuzfahrtschiffen auf wirksame Abgastechnik. Und zwar handelt es sich um die gerade abgelieferte „Europa 2“ sowie die im finnischen Turku in Bau befindlichen „Mein Schiff 3“ und „Mein Schiff 4“. Allerdings fehlt auch ihnen, was bei Lastern und Personenkraftwagen längst Standard ist, ein Rußpartikelfilter.

Rußpartikel dringen in die Lunge ein und sind so klein, dass sie über die Blutbahnen tief in den Körper transportiert werden können. Sie sind krebserregend und können Herzinfarkte verursachen. Rund 50.000 Menschen würden in Europa – verursacht durch Schiffsabgase – jährlich vorzeitig sterben, sagte der Nabu-Verkehrsexperte Dietmar Oeliger bei der Vorstellung der Studie am Dienstag. Und Axel Friedrich, Experte für Luftreinhaltung und ehemaliger Mitarbeiter des Umweltbundesamtes, fügte hinzu, dass auch die Weltgesundheitsorganisation WHO und die deutsche Wissenschaftsorganisation Helmholtz-Gemeinschaft die massive Gefährdung von Anwohnern, Gästen sowie Crewmitgliedern durch Schiffsabgase bestätigt hätten. Rußpartikel aus Dieselmotoren seien demnach mit der Giftigkeit von Asbest gleichzusetzen. „Aus gesundheitlichen Gründen ist zurzeit auf keinem einzigen Kreuzfahrtschiff Urlaub ratsam“, behauptet Friedrich.

Ein zusätzliches Problem sei, dass alle Reeder weiter auf Schweröl als Kraftstoff setzten. „Schweröl enthält Unmengen an giftigen Substanzen, die bei der Verbrennung in die Atemluft gelangen“, sagte Friedrich. Eine Umstellung auf den vergleichsweise sauberen Schiffsdiesel wäre aber sofort möglich. Insgesamt 17 der 20 Kreuzfahrtschiff-Neubauten verfügten über keinerlei Abgasreinigung, mahnte der Nabu. Bei Gesamtinvestitionen von rund zehn Milliarden Euro koste ein Rußpartikelfilter nur 0,2 Prozent dieser Summe. Klarer Verlierer des Kreuzfahrtrankings ist AIDA. „Beim Branchenführer klaffen Anspruch und Wirklichkeit am weitesten auseinander“, sagte Nabu-Experte Oeliger. Die Behauptung des Unternehmens, AIDA-Schiffe würden drei Liter Treibstoff auf 100 Kilometer verbrauchen, sei „stark geschönt“. Auch die Ankündigung, AIDA werde seine Schiffe ab 2015 mit dem schwefelarmen Diesel antreiben, sei nicht glaubhaft. „Die neuen Schiffe bekommen alle einen Schweröl-Tank“, so Oeliger. AIDA werde bis auf Weiteres ohne Abgastechnik unterwegs sein.

Das Unternehmen selbst wollte sich zu der Kritik nicht äußern, sondern verwies auf eine Mitteilung des Verbandes der Kreuzfahrtindustrie, Cruise Lines International Association (CLIA). Darin teilt dieser mit, dass die Reedereien kontinuierlich ihre Umweltbilanz verbesserten. Viele Reedereien gingen mit ihren Maßnahmen bereits über gesetzliche Regulierungen hinaus. „Emotionalisierende Kampagnen und unzutreffende Vergleiche sind kontraproduktiv“, sagte der deutsche CLIA-Chef Helge Grammerstorf. Die derzeit verfügbaren Treibstoffkapazitäten würden nicht ausreichen, um die gesamte Schifffahrt mit schwefelarmen Marine Diesel zu versorgen. Das Nachrüsten von Rußpartikelfiltern sei zudem in vielen Fällen technisch und aus Platzgründen noch nicht realisierbar.

Das will der Nabu nicht so stehen lassen: Technisch sei alles möglich, hieß es. Und wenn die Nachfrage nach Marine Diesel steige, werde auch mehr produziert. Scharfe Kritik erntete die Hamburger Politik: Die gesundheitliche Belastung für Hafenanwohner sei durch Kreuzfahrtschiffe enorm gestiegen. „Seit Jahren redet der Senat von einem Landanschluss oder eine mögliche Versorgung der Schiffe durch Flüssiggas. geschehen ist nichts“, sagte der Hamburger Nabu-Umweltexperte Malte Siegert. Er erwarte mehr Druck aus der Politik, damit die Reedereien ihre Verzögerungstaktik aufgeben.