73.370 auf Jobsuche. Für Jugendliche gibt es noch 3446 freie Lehrstellen

Hamburg. Sönke Fock wirkt nachdenklich. Der Chef der Arbeitsagentur für Hamburg präsentiert an diesem Vormittag die schlechtesten Zahlen des Jahres. Bisher konnte sich Hamburg von den konjunkturellen Problemen in vielen Ländern der Euro-Zone abkoppeln, doch jetzt ist unsicher, wie es weitergeht. Die Arbeitslosigkeit in Hamburg erreichte mit 73.370 Jobsuchenden den höchsten Stand in diesem Jahr. Im Juli stieg die Arbeitslosigkeit um 2844 Personen. Das ist gegenüber dem Vormonat ein Zuwachs um vier Prozent.

Den stärksten Anstieg verzeichneten die Bezirke Wandsbek und Eimsbüttel. „Das sind die wirtschaftlich stärksten Bezirke in der Hansestadt und das zeigt, dass auch konjunkturelle Gründe für den Anstieg verantwortlich sind“, sagt Fock. Bisher war er davon ausgegangen, dass es im September wieder weniger als 70.000 Arbeitslose in Hamburg gibt. Dieses Ziel will er nicht völlig abschreiben, „aber es ist jetzt sehr ehrgeizig“. „Auch wenn es noch saisonale Ursachen für den Anstieg gibt, sollten uns die neuen Zahlen aufhorchen lassen“. Das Einstellungsverhalten der Firmen sei sehr vorsichtig. Das zeige sich auch daran, dass uns bisher 4000 offene Stellen weniger als im Vorjahreszeitraum gemeldet wurden. Dennoch will er noch nicht von einer Trendwende sprechen. Aktuell gibt es noch 14.000 freie Stellen.

Auch in Schleswig-Holstein erhöhte sich die Arbeitslosigkeit um 3,9 Prozent. 101.400 Frauen und Männer waren in dem nördlichen Bundesland ohne festen Job.

1000 junge Leute müssen sich nach der Ausbildung arbeitslos melden

Für die negative Entwicklung am Arbeitsmarkt gibt es aber auch saisonale Gründe. „Die Urlaubs- und Ferienzeit in den Sommermonaten sorgt regelmäßig für ein abgeschwächtes Einstellungsverhalten bei den Unternehmen“, sagt Fock. Viele befristete Verträge laufen auch zu Beginn der großen Ferien aus. Auch nicht jeder Auszubildende, der seine Lehre beendet, wird übernommen. 1000 junge Leute haben sich deshalb arbeitslos gemeldet.

Ob Hamburg im September die Zahl von 70.000 Jobsuchenden unterschreiten kann, hängt jetzt von der Entwicklung im August ab. Steigt die Arbeitslosigkeit weiter signifikant, ist das Ziel obsolet. Finden aber die Ausgelernten schnell einen neuen Job und stellen die Firmen wieder stärker ein, kann sich die Lage deutlich entspannen. „Wir gehen davon aus, dass die Rezession in vielen Euro-Ländern endet und damit auch wieder die Nachfrage wächst“, sagt Fock. Dafür spricht, dass erstmals seit April 2011 die Arbeitslosigkeit in den 17 Euro-Staaten leicht gesunken ist. 19,27 Millionen waren in diesen Ländern ohne Job. Doch von einer Trendwende wollten Experten noch nicht sprechen.

Auch auf Bundesebene gab es einen Anstieg der Arbeitslosigkeit, allerdings nur leicht. Die Zahl der Jobsuchenden stieg um 49.000 auf 2,914 Millionen. „Der Hauptgrund ist die Ferienzeit“, sagt Eckart Tuchfeld von der Commerzbank. „Die Unternehmen zögern Neueinstellungen bis zum Herbst hinaus.“ Auch der Chef der Bundesagentur für Arbeit, Frank-Jürgen Weise, bezeichnet den Arbeitsmarkt als robust und erwartet in den nächsten Monaten wenig Veränderung.

Zum am Donnerstag beginnenden Ausbildungsjahr haben noch 3300 Schulabgänger keinen Ausbildungsplatz. „Das liegt aber nicht an fehlenden Lehrstellen“, sagt Fock. „Allein bei uns sind noch 3446 freie Ausbildungsstellen registriert.“ Darunter sind viele Berufe in Gastronomie und Handel. Doch es gibt das Phänomen, dass die Betriebe und die Bewerber immer schwerer zueinanderfinden.

So sucht Frederik Detlefsen, kaufmännischer Leiter der Kopperschmidt Service GmbH, einen Auszubildenden als Anlagenmechaniker Sanitär, Heizung, Klima mit der Spezialisierung Wärmetechnik. Das Unternehmen mit 17 Beschäftigten arbeitet auf dem Gebiet der Lüftungstechnik für große Hamburger Firmen. „Schon im vergangenen Jahr haben wir keinen Azubi gefunden. Es gibt nicht eine einzige Bewerbung eines Realschülers. Dabei sind die Perspektiven in dem Beruf nach dreieinhalbjähriger Ausbildung gut. Selbst unterhalb der Meisterebene liegen die Verdienstmöglichkeiten bei 2800 bis 4000 Euro pro Monat“, sagt Detlefsen. Zwar gab es einige Bewerbungen von Hauptschülern. Aber viele Fehlstunden und schlechte Noten im Zeugnis schrecken Detlefsen ab.

Schulabgänger aus Mecklenburg- Vorpommern bleiben aus

Bei der Handwerkskammer gibt es noch 380 freie Lehrstellen. Die meisten freien Ausbildungsplätze existieren für Bäckereiverkäuferin, Gebäudereiniger und Anlagenmechaniker. Die Handelskammer meldet noch 634 freie Ausbildungsplätze in ihrer Lehrstellenbörse. Darunter sind auch gefragte Berufe wie Fachinformatiker. 27 Ausbildungsplätze sind hier für einen Ausbildungsbeginn in diesem Jahr noch zu vergeben.

Hamburg leidet vor allem darunter, dass nicht mehr so viele Schulabgänger aus den angrenzen Bundesländern in die Hansestadt strömen. „Früher kamen aus Mecklenburg-Vorpommern acht bis zehn Prozent der Hamburger Auszubildenden“, sagt Armin Grams von der Handelskammer Hamburg. Heute sind es nur noch ein Prozent. Zwar ist die Zahl der Schulabgänger in Hamburg konstant, doch viele entscheiden sich für ein Studium.

Die Handwerkskammer erwartet, dass im Verlauf des August noch viele Stellen besetzt werden können. Viele Jugendliche sichern sich mehrere Stellen bei den Ausbildungsplätzen und entscheiden sich in letzter Minute. Deshalb bleiben dann bei vielen Unternehmen Lehrstellen unbesetzt und kommen erst kurz vor Ausbildungsbeginn wieder auf den Markt. Die Chancen, jetzt noch eine Lehrstelle zu finden, sind gut.Foto: Andreas Labile