Die Deutschen zieht es aufs Meer. Vor allem Themenreisen liegen im Trend

Hamburg/Brüssel. Sie heißen „Queen Mary“, „Europa“, „Aida“, „Mein Schiff“ oder „Deutschland“. Sie stehen für Reisen unter der Sonne des Mittelmeers, zu den Inseln in der Karibik oder auch für einen Turn über den Atlantischen Ozean. Auf die Traumschiffe passen teilweise mehrere Tausende Passagiere – und für immer mehr Menschen bleibt der Traum von der Kreuzfahrt nicht unerfüllt. Denn der Trend zu Seereisen ist europaweit ungebrochen. Das geht aus einer am Dienstag in Brüssel vorgestellten Studie des weltweiten Kreuzfahrtverbandes CLIA hervor, der sich unter der Führung der 2007 in Nordamerika entstandenen CLIA jetzt für Europa aus verschiedenen Branchenverbänden neu konstituiert hat.

Vor allem in Deutschland wird die Lust auf das Meer weiter zunehmen. Davon ist der Hamburger Kreuzfahrtexperte Helge H. Grammerstorf überzeugt, der seit März 2013 als Direktor für Deutschland die deutsche Sektion des weltweiten Kreuzfahrtverbandes CLIA vertritt. Nach gut 1,5 Millionen Passagieren 2012 könnte die Zahl bis zum Jahresende auf bis zu 1,7 Millionen zunehmen. „Es gibt keine Anzeichen dafür, dass sich der Boom abschwächen wird“, sagte Grammerstorf im Gespräch mit dem Abendblatt.

Selbst nach dem Unglück der „Costa Concordia“, die am 13. Januar 2012 vor der italienischen Insel Giglio gekentert war, ist die europäische Branche im vergangenen Jahr weiter gewachsen, wie aus der Studie hervorgeht. Danach stieg die wirtschaftliche Leistung der Industrie einschließlich des Passagierschiffbaus um 3,1 Prozent auf 37,9 Milliarden Euro, obwohl Europa insgesamt in die Rezession rutschte. Auch die Zahl der Arbeitnehmer erhöhte sich um 3,6 Prozent auf 327.000. Allerdings buchten mit gut 6,2 Millionen Passagieren nur rund 1,3 Prozent mehr Seereisen als 2011. In den Vorjahren hatte es dagegen zweistellige Zuwachsraten bei den Passagieren und noch 2011 ein Plus von mehr als acht Prozent gegeben.

„Die Havarie und auch die Wirtschaftskrise in Südeuropa haben sich ausgewirkt“, räumt Grammerstorf ein. Doch bei den beiden Staaten mit den meisten Kreuzfahrtreisenden setzte die Erholung 2012 rasch ein. Mit 1,701 Millionen Urlaubern gab es in Großbritannien ein Buchungshoch. Bei den deutschen Passagieren lag das Plus bei 11,2 Prozent auf 1,544 Millionen. Das entspricht ebenfalls einem Rekordergebnis.

Der seit Jahren anhaltende Zuwachs auf dem deutschen Markt geht vor allem darauf zurück, dass die Reedereien ihre Schiffe für immer neue Gruppen bereitstellen. So setzt etwa Hapag-Lloyds neuer Kreuzfahrer „Europa 2“ auf kürzere Reisen für viel beschäftigte Arbeitnehmer und hat das Schiff zudem für mehr Kinder ausgerüstet. TUI Cruises hat gerade auf der „Mein Schiff 1“ eine Reise für Heavy-Metall-Fans organisiert. Fitness, Sport oder Kultur an Bord oder in den Anlaufhäfen sind längst Standard. Zudem werden Reisen unter Schwerpunkten zusammengestellt, etwa zu geschichtlichen oder literarischen Themen.

Dabei gleichen sich die Preise immer mehr denen von Hotels an. „Mit Komplettpreisen von weniger als 200 Euro am Tag können sich immer mehr Menschen Urlaub auf einem Vier-Sterne-Schiff leisten“, sagt Grammerstorf. Er hält es deshalb für möglich, dass innerhalb der nächsten zwei Jahre die Marke von zwei Millionen deutschen Hochseepassagieren überschritten wird. Für Hamburg als inzwischen führenden deutschen Kreuzfahrthafen ergeben sich daraus Chancen. „Um sie zu nutzen, wäre die Schaffung eines dritten Kreuzfahrtterminals sehr wünschenswert“, sagt Grammerstorf. Denn Kreuzfahrtreedereien benötigen Kapazitäten für die Abfertigung der Passagiere, die mit dem Ausbau der Flotten mithalten können

Ohne Frage hat das Thema Kreuzfahrten in der Hansestadt zuletzt an Aufmerksamkeit gewonnen. So denkt die Wirtschaftsbehörde laut über das dritte Terminal auf Steinwerder nach, wo bisher Umschlag oder Industrie vorgesehen waren. Auch außerhalb des Hafens sind die Kreuzfahrttouristen ein wichtiger Einnahmefaktor. So geben Passagiere, die ihre Reise in Hamburg beginnen oder beenden, pro Aufenthalt 75 Euro in Hamburg aus, haben Handelskammer und der Marketing Verein Hamburg Cruise Center noch für 2009 errechnet. Das summiert sich rasch zu etlichen Millionen, weil 95 Prozent der für dieses Jahr erwarteten mehr als 500.000 Seereisenden dieser Kategorie angehören. Noch im Laufe des Jahres sollen aktuellere Zahlen für die Ausgaben vorgelegt werden.

Profiteur der Kreuzfahrten ist auch der europäische Schiffbau. „Die vier Marktführer bauen derzeit 20 der 22 bestellten Schiffe“, heißt es in der CLIA-Studie. Allerdings hat Mitsubishi zuletzt erstmals zwei Neubauaufträge vom deutschen Marktführer Aida Cruises nach Japan geholt. „Künftig wird es mit dem Wachstum wieder mehr Aufträge geben“, versichert Grammerstorf.

Der globale Kreuzfahrtverband CLIA wird besonders auf Umweltverträglichkeit und Sicherheit der Schiffe achten. Das gilt etwa für das Training mit voll besetzten Rettungsbooten sowie die Aufbereitung der Abwässer, Filter für Schwefel oder die Möglichkeit umweltschonendes Flüssiggas als Treibstoff zu verbrennen. „Wir setzen eigene Standards, die teilweise deutlich über die gesetzlichen Anforderungen hinausgehen, um das Ziel einer sicheren und umweltverträglichen Kreuzfahrt zu erreichen“, sagt Grammerstorf. Wer diese Standards nicht erfüllt, bleibt beim Verband außen vor.