Bei der Maritimen Konferenz redet die Kanzlerin zur Lage der Schifffahrt. Viele Politiker in Norddeutschland überzeugt sie aber nicht.

Kiel. Mit großen Erwartungen war der Auftritt von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bei der Achten Nationalen Maritimen Konferenz in Kiel erwartet worden. Die Küstenländer haben mit insolventen Werften, angeschlagenen Reedereien und massiven Ausgaben zum Erhalt der Infrastruktur im Hafenhinterland zu kämpfen, und erhoffen sich mehr Unterstützung durch die Bundesregierung. Die sieht sich dem Vorwurf ausgesetzt, "mit dem Rücken zur Küste zu sitzen" und die Sorgen der maritimen Wirtschaft zu vernachlässigen. "Auf der Nationalen Maritimen Konferenz wird sich zeigen, ob die Kanzlerin und ihre Regierung zur Küste steht", hatte Meinhard Geiken, Bezirksleiter der IG Metall Küste, im Vorfeld die allgemeine Erwartungshaltung zusammengefasst.

23 Minuten dauerte die Rede der Bundeskanzlerin vor den rund 830 angereisten Werftmanagern, Reedern, Meeresforschern und Landespolitikern. Der Applaus hinterher war höflich, aber kurz. Die Reaktionen anschließend waren es auch: "Die Kanzlerin hat sich zum Nord-Ostsee-Kanal bekannt, aber euphorisch bin ich jetzt nicht", sagte Schleswig-Holsteins Wirtschaftsminister Reinhard Meyer (SPD). "Jetzt muss die Bundesregierung dieses Bekenntnis auch mit Leben füllen." Bundsverkehrsminister Peter Ramsauers (CSU) Ankündigung, zunächst bis 2021 die fünfte Schleusenkammer in Brunsbüttel fertigzustellen, und den Rest danach zu machen, reiche nicht: "Solange können der Ausbau der Oststrecke und die Sanierung der Schleusen in Holtenau nicht warten", so Meyer. Auch Hamburgs Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) hatte mehr von der Rede erwartet: "Über die bereits bekannten Themen hinaus hat die Kanzlerin nichts Neues angekündigt."

Merkel hatte zuvor die Bedeutung der maritimen Wirtschaft für die Zukunft Deutschlands hervorgehoben, und sie hat auch die Bedeutung einer funktionierenden Infrastruktur betont. Eine Zusage für die rund 1,3 Milliarden Euro, welche die Landesregierung von Schleswig-Holstein für die Sanierung und den Ausbau des maroden Nord-Ostsee-Kanals (NOK) gefordert hatte, machte sie aber nicht.

Dabei hatte sich Merkel durchaus harsche Kritik anhören müssen. Ministerpräsident Torsten Albig bat um ein offenes Wort und hob die Bedeutung des Nord-Ostsee-Kanals für ganz Deutschland hervor. Nicht nur Zehntausende Arbeitsplätze etwa bei Reedern, Lotsen, Schiffsausrüstern und in den Häfen seien betroffen. "Süddeutschland profitiert noch viel mehr von intakter Struktur, als wir das hier oben tun. Es ist der Maschinenbauer in Baden-Württemberg, der den Kanal braucht für seinen Export." Und nun habe man miterleben müssen, wie der Kanal, der seit 100 Jahren in Betrieb ist, seiner Aufgabe nicht mehr nachkommen könne.

Vor einem Monat hatte der NOK für einige Tage für große Schiffe geschlossen werden müssen, weil die altersschwachen Schleusen aus der Kaiserzeit den Dienst versagten. Die Oberbürgermeisterin von Kiel, Susanne Gaschke (SPD), warf der Bundesregierung sogar vor, "kanalblind" zu sein.

Die Bundeskanzlerin wies diesen Vorwurf entschieden zurück. Nicht nur in Kiel auch in Berlin werde über den Kanal gesprochen. Sie verwies darauf, dass das Bundesverkehrsministerium gerade erst am Freitag den Bau der fünften Schleusenkammer in Brunsbüttel ausgeschrieben habe. Bis etwa zum Jahr 2025 sollen alle Baustellen einschließlich der Tieferlegung abgeschlossen sein, ergänzte der parlamentarische Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, Enak Ferlemann.

Angela Merkel habe in ihrer Rede "Sachkenntnis und ein klares Problembewusstsein für die Sorgen der maritimen Wirtschaft gezeigt", sagte der Präses der Hamburger Handelskammer, Fritz Horst Melsheimer, anschließend. Neue Antworten habe sie aber auch nicht geliefert.

Positiv äußerte sich hingegen der Präsident des Verbands Deutscher Reeder und Vorstandsvorsitzende der Hamburger Reederei Hapag-Lloyd, Michael Behrendt: "Wir begrüßen sehr, dass die Kanzlerin zwei Forderungen von uns aufgegriffen hat." Zum einen habe sie deutlich gemacht, dass die Versicherungssteuer auf Erlöspools, in denen kleine Reedereien ihre Schiffe betreiben, nicht erhoben werden soll. Zum anderen habe Merkel angekündigt, die Förderausgaben des Bundes für Aus- und Fortbildung fortzusetzen.

Mehrere Hundert Menschen - darunter viele Mitarbeiter von Werften und Windenergieunternehmen - hatten vor Beginn der Konferenz für ihre Arbeitsplätze demonstriert. Auch hier wich Merkel konkreten Zusagen allerdings aus. Bei den Hemmnissen beim Netzausbau sowie bei der schwierigen Frage der Haftung habe die Bundesregierung steuernd eingegriffen. Die Werften seien bei ihrem Wandel vom Containerschiffbau zur Fertigung von Spezialschiffen weit vorangekommen. Zum Schluss wurde die Kanzlerin dann doch konkret: "Wir halten am maritimen Bündnis fest."