Werften suchen Ingenieure für Spezialschiffbau. Auftragsflaute

Hamburg. Im deutschen Schiffbau gibt es wieder Zeichen für einen Aufwärtstrend. Die Zahl der Beschäftigten in der Branche hat sich 2012 um 500 auf 18.800 erhöht, der Umsatz dürfte drei Milliarden Euro erreichen - nachdem 2011 nur knapp zwei Milliarden Euro eingenommen wurden. "Die Stimmung ist besser, als sie öffentlich wahrgenommen wird", sagt Reinhard Lüken, der Ende November Werner Lundt, 65, als neuer Hauptgeschäftsführer des Verbandes für Schiffbau und Meerestechnik (VSM) abgelöst hat. Das liegt vor allem daran, dass alle erfolgreichen Werften inzwischen den Sprung vom Bau von Standardschiffen zu Spezialschiffen geschafft haben. Die Bremer Lürssen-Gruppe und die Papenburger Meyer Werft, die zu den Weltmarktführern bei Yachten und Kreuzfahrtschiffen zählen, haben mit diesem Rezept bereits die seit 2008 anhaltende Auftragsflaute gut überstanden.

Den Umschwung in der Produktion zeigt auch die Statistik. Lag der Umsatz für 69 Ablieferungen 2005 noch bei gut 2,5 Milliarden Euro, so kosten in diesem Jahr die gut 20 Neubauten knapp 500 Millionen Euro mehr. Neuentwicklungen wie Forschungs- oder auch Errichterschiffen für Offshore-Anlagen sind deutlich aufwendiger zu bauen, bieten aber die Chance, die Konkurrenz aus Asien außen vor zu halten. "Dafür brauchen die Werften mehr Ingenieure", sagt Lundt, der bis zu seinem Ruhestand noch bis zum 1. Februar beim VSM tätig sein wird. Die Flensburger Schiffbau-Gesellschaft (FSG) hat in Hamburg bereits ein zusätzliches Büro gegründet, um sich nötiges Know-how zu sichern.

Doch auch das Angebot von Spezialtonnage bringt noch immer nicht genügend Aufträge. Nur acht Neubauten wurden bundesweit in diesem Jahr bis Ende September bestellt. Nach dem angekündigten Ausstieg der Commerzbank aus der Schiffsfinanzierung und dem geplanten Abbau von Krediten bei den HSH Nordbank halten sich zudem auch andere Banken zurück. Selbst wenn Charteraufträge für Neubauten vorliegen, reicht ihre Dauer den Instituten oftmals nicht aus. "Helfen würde die Aufnahme von Schiffen für den Bau und die Versorgung von Offshore-Windfeldern in das Fünf-Milliarden-Euro-Kreditprogramm der staatlichen Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW)", sagt Lüken. Doch bisher werden die Gelder nur für den Aufbau der Felder selbst, nicht für die Infrastruktur ausgereicht. "Dabei können die Windparks ohne diese Schiffe gar nicht installiert und gewartet werden", sagte der neue Hauptgeschäftsführer, der zuvor als Generalsekretär für den Europäischen Schiffbauverband in Brüssel arbeitete. Immerhin geht es um einen Milliardenmarkt. Allein für die Offshore-Industrie rechnet der VSM mit einem Volumen von 18 Milliarden Euro.

Die asiatischen Großwerften vor allem in China und Korea profitieren zwar noch von ihren Aufträgen, die vor 2008 geschlossen wurden. Im dritten Jahr hintereinander werden so wohl 2012 erneut weltweit mehr als 50 Millionen Neubautonnen (cgt) entstehen und damit fast doppelt so viel Schiffsraum wie Experten für angemessen halten. Hereinkommen werden aber allenfalls Aufträge für 25 Millionen cgt, sodass die Asiaten inzwischen auch bei Spezialschiffen mitbieten.

"Das Überangebot an Schiffsraum wird in den kommenden zwei Jahren anhalten und dazu führen, dass kaum mehr Tanker, Container- und Massengutfrachter bestellt werden", sagt Lundt. Deshalb orientieren sich Asiaten wie Mitsubishi nun auch in Richtung Kreuzfahrtschiffe oder sind wie die Chinesen bei Offshore-Projekten am Markt. Zusammen haben China, Japan und Korea heute einen Marktanteil im Schiffbau von 88 Prozent. Die EU verteidigt ihre gut vier, Deutschland hält noch ein knappes Prozent.

"Dabei ist die maritime Industrie eine Voraussetzung für nachhaltiges Wachstum der Volkswirtschaften", sagt Lüken. Das gelte nicht nur für den Energiebereich, sondern auch für die Förderung von Rohstoffen, Nahrung aus dem Meer oder den Küstenschutz. "Schon deshalb", ist der 44-jährige promovierte Politik- und Wirtschaftswissenschaftler überzeugt, "kommen wir wieder stärker ins Spiel."