Traditionsreiches Werk im Ruhrgebiet wird 2016 geschlossen. Lager und Teilefertigung könnten erhalten bleiben. Tumulte auf Betriebsversammlung

Bochum. Schwerer Schlag für das ohnehin nicht mit überzähligen Arbeitsplätzen gesegnete Ruhrgebiet: Der Autohersteller Opel macht sein Werk in Bochum mit 3365 Beschäftigten dicht. Wenige Tage vor dem 50. Geburtstag der Fabrik kündigte der Vorstand auf einer von Tumulten begleiteten Betriebsversammlung an, die Produktion des Familienwagens Zafira in der Stadt 2016 auslaufen zu lassen. Opel-Interims-Chef Thomas Sedran begründete die Schließung mit dem geschrumpften Automarkt in Westeuropa und den Überkapazitäten in der Branche.

Damit fällt das erste deutsche Automobilwerk der Absatzkrise in Westeuropa zum Opfer. Opel leidet wie andere Hersteller massiv darunter, dass in Südeuropa kaum neue Autos verkauft werden. Hinzu kommen Managementfehler in den vergangenen Jahrzehnten, durch die die General-Motors-Tochter den Anschluss an die Konkurrenz verloren hat. Vor zwei Jahren hatte Opel bereits sein Werk im belgischen Antwerpen geschlossen.

Die Bochumer Beschäftigten reagierten empört. Nach Angaben von Teilnehmern kam es während der nicht öffentlichen Versammlung zu Tumulten. "Was der Vorstand hier macht, ist der Hammer", beschwerte sich Mitarbeiter Ralf Plumhoff-Klein. "Einfach die Schließung ankündigen und weggehen. Das sei ein Schlag ins Gesicht des Ruhrgebiets." "Wie soll das jetzt in Bochum weitergehen? Für Jugendliche gibt es nur noch Hartz IV", sagte Fatih Sariso, im dritten Lehrjahr bei Opel.

Ein anderer Teilnehmer berichtete, Mitarbeiter hätten versucht, den Vorstand aufzuhalten, um Fragen zu stellen. Dabei sei es zu Rempeleien mit Sicherheitsleuten gekommen. "Es gab ein Sicherheitsaufgebot wie in Fort Knox", sagte der IG-Metall-Delegierte Paul Fröhlich. Die Bundesregierung kritisierte die Entscheidung von GM. "Das ist ein schwerer Schlag für die betroffenen Menschen, für ihre Familien, aber auch für den Industriestandort Bochum", sagte Regierungssprecher Georg Streiter. Kanzlerin Angela Merkel erwarte, dass GM alles unternehme, um sozialverträgliche Lösungen zu finden. Reiner Einenkel, Betriebsratschef des Bochumer Werks, kündigte derweil Widerstand an: "Wir wollen auch nach 2016 in Bochum noch Autos bauen." Zum 50. Jahrestag der Werkseröffnung am 15. Dezember soll es zu Protesten kommen. Gesamtbetriebsratschef Wolfgang Schäfer-Klug sagte, die Verhandlungen mit dem Management über den Erhalt möglichst vieler Arbeitsplätze würden fortgesetzt. Mit der Ankündigung, das Werk dichtzumachen, seien die Gespräche "weder abgeschlossen noch abgebrochen". Die Landesregierung verlangte eine Perspektive für die Beschäftigten. "Jetzt muss es darum gehen, den Opel-Vorstand beim Wort zu nehmen. Es muss ernsthaft und belastbar an einer Perspektive für den Standort gearbeitet werden", erklärt Ministerpräsidentin Hannelore Kraft.

GM-Vize Stephen Girsky, der dem Aufsichtsrat von Opel vorsitzt, versprach, "eine signifikante Zahl" an Stellen im Lager und einer möglichen Teilefertigung in Bochum zu erhalten. Über einen Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen solle mit dem Betriebsrat verhandelt werden. Derzeit sucht eine Arbeitsgruppe aus Vertretern des Unternehmens, der Arbeitnehmer und der Landesregierung nach Möglichkeiten, um auf dem Werksgelände neue Jobs anzusiedeln. Dabei wird auch diskutiert, Komponenten für andere Hersteller zu produzieren.

Das Werk war in den vergangenen Jahren mehrfach verkleinert worden. Dennoch ist es mit einer Gesamtfläche von 1,7 Millionen Quadratmetern nach wie vor der größte industrielle Arbeitgeber in der strukturschwachen Region. Das Getriebewerk mit rund 300 Beschäftigten soll bereits Ende nächsten Jahres schließen. Zu den insgesamt rund 3400 Mitarbeitern kommen noch 430 Beschäftigte eines Warenverteilzentrums, das eventuell ausgebaut werden soll. Sedran bekräftigte, Deutschland bleibe "das Rückgrat und die Heimat unserer Marke". Insgesamt beschäftigt Opel in Rüsselsheim, Bochum, Eisenach und Kaiserslautern 20.000 Mitarbeiter. Europaweit sind es einschließlich der britischen Opel-Schwester Vauxhall knapp 40.000.

Nach Ford zieht damit auch GM Konsequenzen aus der Krise in Europa. Ford hat die Schließung von drei Werken in Belgien und Großbritannien mit 5700 Mitarbeitern angekündigt. GM-Partner Peugeot will eine Fabrik nahe Paris dichtmachen, wird daran aber von der französischen Regierung gehindert. Experten halten derzeit europaweit 15 Automobilwerke für überflüssig.

GM, mit sieben Prozent an Peugeot beteiligt, hatte sein verlustreiches Europageschäft zunächst gemeinsam mit dem Partner sanieren wollen. Entsprechende Überlegungen wurden wegen der sich zuspitzenden Absatzkrise aber aufgeben. Die beiden Autobauer konzentrieren sich nun darauf, die Kosten durch gemeinsamen Einkauf und Logistik zu senken. Vier neue Fahrzeugmodelle werden gemeinsam entwickelt.