Haus an der Mönckebergstraße feiert Jubiläum. Konzernchef will mit geändertem Konzept und weniger Mitarbeitern aus der Krise finden.

Hamburg. Es muss ein gewaltiger Andrang gewesen sein, an jenem ungemütlichen Oktobertag des Jahres 1912. Trotz strömenden Regens sollen sich Tausende von Hanseaten staunend vor dem neuen, imposanten Sandsteinbau an der Mönckebergstraße versammelt haben, den Rudolph Karstadt der Öffentlichkeit vorstellte. Das erste Großstadtwarenhaus des Unternehmens lockte auf vier Etagen mit Produkten wie Spielzeug, über Schuhbänder bis zur Theaterkarte und war mit Restaurants und Teestuben ebenso ausgestattet wie mit anderen Annehmlichkeiten. 100 Jahre später ist der Ansturm nicht mehr ganz so groß. Ein paar Hundert Menschen drängen sich im Erdgeschoss des Hauses um ein großes Abbild aus Marzipan, das die Karstadt-Konzernleitung in Essen zum Jubiläum hat springen lassen. Vorstandschef Andrew Jennings, 63, ist angereist, ein schlanker Brite in einem schlichten grauen Anzug und kurz geschorenen Haaren. Höflich, aber auch reserviert wirkt der Sohn eines Buchprüfers und einer Missionssekretärin, der den Konzern seit der Übernahme durch den Milliardär Nicolas Berggruen führt.

Das Haus an der Mönckebergstraße habe sich zu einer Vorzeigefiliale entwickelt, sagt Jennings auf Englisch, es sei heute das viertgrößte der Gruppe. "Die Hamburger Kunden vertrauen Karstadt, hier kaufen sie ihre Kleider ein." Er sei erfreut, die "stolze Geschichte des Hauses" fortführen zu können.

Doch trotz der warmen Worte ist die Lage des Konzerns alles andere als rosig. Das einst revolutionäre Konzept von Rudolph Karstadt, alle Waren unter einem Dach zu verkaufen, reicht schon längst nicht mehr, um die Kunden anzulocken. Das Unternehmen leidet unter der Konkurrenz der Shoppingcenter und Onlinehändler, die Insolvenz liegt gerade einmal zwei Jahre zurück.

Mit Auslaufen des Sanierungstarifvertrags hat Jennings nun angekündigt, rund 2000 Arbeitsplätze im Unternehmen streichen zu wollen. "Wir müssen unsere Strukturen anpassen", sagt er dazu. Ob die Anpassung auch die Karstadt-Beschäftigten in der Hansestadt und insbesondere die rund 680 Mitarbeiter an der Mönckebergstraße betreffen werden? "Dazu kann ich noch nichts sagen", weicht Jennings aus, "Das entscheiden die zuständigen Gremien." Der Chef, der früher für Debenhams und Harrods in London arbeitete, hat viel von seiner britischen Mentalität und Sprache nach Deutschland mitgebracht. "Midseason-Sales" veranstaltet Karstadt jetzt und hat "New brands, new looks" im Programm. Die Vorliebe für solche Begriffe brachte ihm jüngst den wenig schmeichelhaften Titel des "Sprachpanschers des Jahres" ein.

Zusammen mit Eigentümer Nicolas Berggruen hat Jennings der Kette aber auch eine neue Strategie verordnet. Der Fokus liegt jetzt mehr auf Mode und Lifestyle, der Bereich Multimedia, in dem der Preiskampf mit den großen Elektronikketten besonders stark ist, fährt das Unternehmen hingegen zurück. "Multimedia ist ein Thema für Spezialisten", sagt der Konzernchef.

Für das Haus an der Mönckebergstraße bedeutet die neue Strategie konkret, dass gerade die Damen- und Herrenabteilungen komplett umgestaltet wurden, um Platz für 45 zusätzliche Modemarken zu schaffen. Namen wie Aqua, Arrow, Replay oder Lauren by Ralph Lauren sind hinzugekommen. Er sei erfreut, wie gut diese Marken angenommen würden, sagt Jennings. Handelsexperten bemängelten aber den geringen Bekanntheitsgrad der Labels.

Während der Modebereich immer weiter wächst wird die Abteilung für Unterhaltungselektronik an der Mönckebergstraße 2013 weitgehend aufgegeben. "Wir überlegen, auf der frei werdenden Fläche eine Kinderabteilung mit Mode, aber auch Spielzeug unterzubringen", sagt der Geschäftsführer des Hauses, Werner von Appen. Bisher werden Spielsachen im wenige Meter entfernten Sporthaus verkauft. "Vor allem Touristen erwarten aber, dass Spielzeug im Haupthaus zu finden ist."

Insgesamt sei er mit der Entwicklung in den elf Hamburger Karstadthäusern zufrieden, erklärte Jennings. Insbesondere das Alsterhaus sei ein "Juwel in unserer Krone". Bei der Umsetzung der Strategie 2015 komme man gut voran. Und wie war die Umsatzentwicklung konkret? "Bitte haben Sie Verständnis, dass wir als privates Unternehmen keine Zahlen veröffentlichen."