Desinfektionsmittel für die Hände beschert Bode Chemie kräftiges Wachstum. Das Unternehmen setzt auf Frauen in Führungspositionen.

Hamburg. Roland Knieler wirkt zufrieden. "Wir wachsen jedes Jahr um acht bis zehn Prozent", sagt der Chef des Hamburger Sterillium-Herstellers Bode Chemie. Erst vor zwei Jahren hat das Unternehmen die Kapazitäten um eine weitere, siebte Abfülllinie erhöht. Jetzt will Knieler nochmals investieren. "Wir könnten auf unserem Gelände in Zukunft die doppelte Menge an Sterillium-Produkten produzieren", sagt er. Schon jetzt werden jeden Tag rund 35 Tonnen des Desinfektionsmittels im Werk in Stellingen hergestellt. Sie lagern in riesigen Tanks im Keller. Vor allem Krankenhäuser, Altenheime, aber auch die Lebensmittelindustrie, Pharmafirmen, Apotheken und Arztpraxen sind die Abnehmer.

Sterillium hat bei Klinikexperten fast schon den gleichen Bekanntheitsgrad wie Coca-Cola bei Verbrauchern; 60 Prozent Marktanteil in Deutschland und Marktführer in Europa. Das Rezept ist übrigens streng geheim. Den Unterschied zu Konkurrenzprodukten machen die beigemischten Zusatzstoffe aus, die etwa bewirken sollen, dass die Haut auch nach mehrfachem Gebrauch keinen Schaden nimmt. Schließlich desinfiziert ein Klinikarzt seine Hände nicht selten 60- bis 70-mal am Tag - wenn er sich richtig verhält.

"Unser Ziel ist es, mit gezielter Desinfektion, vor allem der Hände, Infektionen etwa bei Patienten im Krankenhaus zu verhindern", so Knieler. Doch offenbar gibt es in diesem Bereich noch großen Nachholbedarf. Zu viele Ärzte desinfizieren ihre Hände offenbar nicht, bevor sie ein Krankenzimmer betreten. Und das kann verheerende Folgen haben, weil so Keime und Bakterien verbreitet werden. "In Europa sterben jährlich 30 000 bis 40 000 Menschen, nachdem sie sich mit einem Krankenhauskeim infiziert haben. Zudem fallen so zehn bis 20 Millionen Patiententage mehr an. Diese Zahlen sind nicht hinnehmbar", sagt Knieler

Der Bode-Chef hat auch deshalb im vergangenen Jahr auf dem Firmengelände das Science Center gegründet, das nicht nur Auskunft über die Handhabung von Sterillium gibt, sondern auch berät, mit welchen Mitteln man sich gegen bislang unbekannte Keime schützen kann. Praxis und Wissenschaft sollen in dem Center zusammengeführt werden. Unter den vier Mitarbeitern befinden sich promovierte Biologen und Mikrobiologen. "Wir bekommen jeden Tag 50 bis 100 Anrufe", so Knieler. Das mag auch daran liegen, dass mit Günter Kampf, einer der weltweit bekanntesten Hygienespezialisten bei dem Hamburger Unternehmen arbeitet. Mehrmals täglich die Hände einreiben ist natürlich lästig. "Aber es gibt keine Alternative", sagt Knieler.

Bode Chemie hat deshalb ein breites Sortiment seines Produkts entwickelt. Angeboten wird zum Beispiel Sterillium ohne Parfüm oder auch Gel zum Einreiben. "Dass Anwender ihr Produkt mögen und der Wirksamkeit vertrauen, ist Grundvoraussetzung dafür, dass die Mitarbeiter ihr Verhalten ändern und sich die Hände einreiben, ehe sie zum Patienten gehen", so Knieler. "Früher haben wir uns hauptsächlich mit der Frage beschäftigt, wie wir unsere Produkte verbessern können, heute geht es darum, wie man das Krankenhauspersonal ermutigen kann, sich die Hände zu desinfizieren."

Bode beschäftigt rund 280 Mitarbeiter. "Es werden jedes Jahr ein wenig mehr", so der Manager, der in diesem Jahr knapp 100 Millionen Euro Umsatz anpeilt. Der Verkauf des Unternehmens an die Hartmann-Gruppe mit aktuell rund 1,7 Milliarden Euro Umsatz hat Bode Chemie nach vorn gebracht. "Unsere Zentrale ist in Hamburg geblieben, sodass auch heute noch Produktion, Forschung und Entwicklung sowie das Marketing an einem Standort gebündelt sind." Profitiert hat das Unternehmen vom Vertrieb durch Hartmann. Die Produkte kommen nun auch in Länder, in denen die Hamburger vorher nicht oder nur kaum vertreten waren. "In Spanien haben wir zweistellige Wachstumsraten, in Russland sogar dreistellige", freut sich der Chef.

Schon seit dem Jahr 1924 sitzt das Unternehmen in dem Hamburger Stadtteil Stellingen, erst als Familienfirma, ab 1980 als Tochter des Nivea-Herstellers Beiersdorf, der Bode Chemie schließlich 2009 an den Medizin- und Pflegeproduktespezialisten Hartmann verkaufte. 1965 wurde Sterillium gemeinsam mit dem UKE entwickelt. Auch heute noch arbeitet das Unternehmen eng mit der Klinik zusammen.

Im Februar bekam Bode Chemie den neuen Helga-Stödter-Preis in der Hamburger Handelskammer verliehen. Geehrt wurden Firmen mit sogenannter Mixed Leadership, die also nicht nur Männer, sondern auch viele Frauen in Führungspositionen haben. Bei Bode Chemie sind mehr als die Hälfte der 40 Führungskräfte weiblich. So leitet zum Beispiel Barbara Krug die Forschung, ihre Kollegin Claudia James das Bode Science Center und Christa Odrich die Personalabteilung.

"Unser Leitungsteam ist mit drei Frauen und vier Männern besetzt", sagt Knieler. Auch Mütter seien in den oberen Etagen des Chemieunternehmens willkommen. "Wir bieten flexible Arbeitszeiten an und auch die Arbeit von zu Hause aus", sagt der Chef. Knieler appelliert an die gesamte deutsche Wirtschaft, mehr Frauen zu beschäftigen. "Es ist doch nur noch eine Frage der Zeit, bis wir wegen des demografischen Wandels auf Frauen angewiesen sind. Zudem arbeiten gemischte Führungsteams laut Studien effizienter." Knielers Vorschlag für Hamburg: "Die Stadt sollte beim Thema Frauen in Führungspositionen bundesweit führend werden. So würde das Image der Metropole nach außen noch besser werden als es ohnehin schon ist."