Unternehmen locken mit hohen Renditen, um Expansion zu finanzieren. Allerdings ist das Risiko für die Anleger nicht sehr gering.

Hamburg. Der Schnapshersteller Berentzen aus dem niedersächsischen Haselünne ist für seine hochprozentigen Produkte bekannt. Jetzt bietet das Unternehmen auch Hochprozentiges für Anleger. Ab dem 8. Oktober will die Traditionsfirma bis zu 50 Millionen Euro durch eine neue Mittelstandsanleihe einsammeln, die mit 6,5 Prozent pro Jahr verzinst wird. Angesichts der niedrigen Zinsen, die Anleger sonst so geboten werden, können die Schnapsbrenner auf ein großes Interesse setzen.

Die Hamburger KTG Energie AG hat bereits erfolgreich 25 Millionen Euro an der Frankfurter Börse eingesammelt. Die sechs Jahre laufende Anleihe wird mit 7,25 Prozent verzinst. Die Nachfrage an der Börse nach dem Papier ist so groß, dass die Rendite für aktuell kaufende Anleger schon auf 6,4 Prozent gefallen ist.

Nachdem sich in den vergangenen Tagen auch Firmen wie der Hemdenfabrikant Eterna oder die Brauerei Karlsberg aus der Saarpfalz - nicht zu verwechseln mit der dänischen Carlsberg Breweries - ebenfalls Geld für ihre Expansion bei den Anlegern besorgt haben, werden das in den nächsten Wochen noch viele andere Firmen tun. Spekuliert wird etwa über eine Anleihe des Maschinenbauers SAF Holland oder das Bauunternehmen Porr.

"Es gibt jetzt ein sehr günstiges Zeitfenster für die Platzierung von Mittelstandsanleihen, das noch bis Mitte November reicht. Ich rechne mit fünf bis zehn weiteren Emissionen in diesem Zeitraum", sagt Fabian Kirchmann von der Kölner Kommunikationsberatung IR.on, die Unternehmen wie Ekosem-Agrar oder die Karlsberg Brauerei bei der Platzierung von Anleihen berät.

Mehr als 50 Anleihen im Gesamtvolumen von drei Milliarden Euro wurden von den mittelständischen Firmen bisher ausgegeben. Im Schnitt bieten sie eine Verzinsung von gut sieben Prozent und laufen meist über fünf Jahre. Vor allem die Börsen in Stuttgart und Frankfurt haben sich auf den Handel mit Mittelstandsanleihen spezialisiert. Auch die Hamburger Börse mischt mit, allerdings weniger erfolgreich. Von zwei Anleihen, die dort an dem speziellen Marktsegment Mittelstandsbörse Deutschland notiert sind, ist eine fast ein Totalausfall, weil der Emittent, die BKN Biostrom AG, bereits Insolvenz angemeldet hat. Insgesamt gibt es bisher drei Insolvenzen bei den Mittelstandsanleihen. "Alle bisherigen Pleiten hängen an der Branche für erneuerbare Energien", sagt Kirchmann. "Das ist ein branchenspezifisches und kein generelles Problem des Marktes für Mittelstandsanleihen."

Doch es zeigt, sieben oder gar acht Prozent Rendite gibt es nicht ohne Risiko, zumal große Konzerne wie Siemens, BASF oder Lufthansa für ihre Anleihen gerade einmal ein bis zwei Prozent Zinsen bei vergleichbarer Laufzeit bieten müssen. "Das ist kein Markt für unbedarfte Anleger, und sie müssen sich schon sehr detailliert mit dem Unternehmen beschäftigen", sagt Jürgen Kurz von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz dem Abendblatt. "Allein auf einen bekannten Markennamen sollte die Kaufentscheidung nicht gestützt werden."

So war zwar die mit acht Prozent verzinste Anleihe des Hemdenherstellers Eterna, der von zwei Finanzinvestoren beherrscht wird, innerhalb weniger Stunden gezeichnet, doch das Papier ist sehr risikoreich. Die Rating-Agentur Scope kommt über Eterna Mode Holding GmbH zu einem vernichtenden Urteil. Mit der Bewertung CCC- sei das Unternehmen mit einem hohen Ausfallrisiko behaftet, heißt es in einer Mitteilung von Scope. Begründet wird das mit einer schwachen Eigenkapitalquote und Verlusten in den letzten drei Jahren. Außerdem fließt ein Großteil des eingesammelten Geldes in die Schuldentilgung, kann also nicht für die Erweiterung des Geschäfts genutzt werden. Dagegen fällt das offizielle Rating von Creditreform mit BB- einige Stufen besser aus. Für Anleger erleichtern solche Widersprüche nicht gerade die Anlageentscheidung.

Der Drang an die Börse kommt für viele Firmen nicht zufällig. Bereits seit zwei Jahren hat sich das Marktsegment für Mittelstandsanleihen etabliert. "Die Unternehmen wollen sich bei der Refinanzierung breiter aufstellen und sich von Banken unabhängiger machen", sagt Kirchmann. Das hänge auch damit zusammen, weil Kredite schwieriger zu bekommen sind und die Banken höhere Eigenkapitalanforderungen für ihre Ausleihungen erfüllen müssen.

Gleichzeitig bietet eine Unternehmensanleihe den Firmen viel mehr Freiheit als ein Bankkredit. "Für die Kredite müssen Sicherheiten gestellt werden, und der Kreditbearbeiter will laufend Kennzahlen von dem Unternehmen haben", sagt Kurz. "Für eine Anleihe müssen dagegen keine Sicherheiten gestellt werden."

Wichtig ist deshalb, für was das eingesammelte Geld verwendet werden soll. "Denn die hohen Zinsen müssen ja auch erwirtschaftet werden", sagt Kurz. Gut ist immer, wenn es in den Ausbau des Geschäfts fließen soll. Berentzen will sich mit dem frischen Geld internationaler aufstellen. Erste operative Erfolge in der Türkei und China stimmen das Unternehmen zuversichtlich, was die weitere erfolgreiche Umsetzung der Unternehmensstrategie angeht. Künftig sollen rund 50 Prozent des Markengeschäfts von Berentzen aus dem internationalen Spirituosengeschäft generiert werden. "Die Rahmenbedingungen für die Platzierung einer Anleihe sind ausgesprochen gut", ist der Vorstandsvorsitzende Stefan Blaschak überzeugt. "Die Berentzen-Gruppe ist schuldenfrei und wirtschaftet nachhaltig profitabel."

Auch die KTG Energie AG, ein Tochterunternehmen der KTG Agrar, ist auf Wachstumskurs. Gerade hat das Unternehmen die Aktienmehrheit an der Deutschen Biogas AG übernommen. "Gemeinsam werden wir Ende des Jahres eine Produktionskapazität von rund 60 MW am Netz haben. Das reicht, um rund eine halbe Million Menschen mit sauberer Energie zu versorgen", sagt Thomas Berger, Vorstandsvorsitzender der KTG Energie AG. "Darüber hinaus werden Umsatz und Ergebnis in eine neue Dimension wachsen." Das freut die Anleger, sodass der Kursanstieg der Anleihe in den letzten Tagen nicht verwunderlich ist.

Von der Creditreform wird KTG Agrar mit BBB- bewertet, was einer stark befriedigenden Bonität entspricht. Die statistische Ausfallquote nach fünf Jahren liegt nur bei zwei Prozent. Das Unternehmen verweist auf die planbaren Erträge durch eine feste Einspeisevergütung für den produzierten Strom für 20 Jahre. Käme es aber hier im Rahmen der Energiewende nachträglich zu Änderungen, könnte das gesamte Geschäftsmodell kippen.

In jedem Fall bleiben Mittelstandsanleihen ein risikoreiches Investment. "Sie eignen sich nur für erfahrene Anleger zur Beimischung im Depot", sagt Kurz. Auch sei empfehlenswert, das Risiko durch mehrere Papiere zu streuen. Das ist leicht möglich, denn alle Anleihen können ab 1000 Euro gehandelt werden. Komfortable Fondslösungen gibt es für solche Anleihen kaum, denn das Segment ist für die großen Investmentfonds zu klein. Eine Ausnahme ist der Johannes Führ Mittelstands-Rentenfonds AMI. Er setzt auf Unternehmensanleihen und kann bis zu 20 Prozent des Fondsvermögens in kleinere Anleihen investieren. Auf Sicht eines Jahres erzielte er zuletzt eine Rendite von rund acht Prozent.