Der Nestlé-Konzern will zwei Millionen Euro in sein Werk in Aumühle investieren - und der Marke aus dem Sachsenwald ein neues Etikett geben.

Aumühle. Funkelnd fallen Sonnenstrahlen durch das Blätterdach der Baumriesen, ein paar Vögel zwitschern, und leise plätschernd fließt das Flüsschen Bille durch den Wald. Auf einer kleinen Lichtung steht ein rotes Häuschen, es ist der ganze Stolz der Marketingprofis von Fürst Bismarck: "Hier müssten wir eigentlich unsere Werbefilme drehen", sagt Simone Müggenburg, Markenmanagerin für das Mineralwasser aus dem Sachsenwald, das seit einigen Jahren nicht mehr der Familie Bismarck, sondern zu Nestlé gehört. In dem Backsteingebäude sprudelt Wasser aus der Erde, aus 120 Meter Tiefe. Und genau hier soll Otto von Bismarck 1906 bei einem seiner morgendlichen Spaziergänge die später nach ihm benannte Quelle gefunden haben. "Wir haben eine Marke mit Tradition, und einen Menschen, der hinter der Marke steht", sagt Ulf Pittner beim kurzen Spaziergang vom Quellenhäuschen zurück zum modernen Fabrikgebäude in Aumühle. Der Marketingchef von Nestlé Waters freut sich über die Geschichte des Bismarck-Mineralwassers rund um den alten Kanzler - Wettbewerbern wie Vilsa oder Volvic fehle eine so starke Identität. Daher hängt Bismarck heute in Öl an der Wand der Verwaltung, ziert als Büste die Flure und hält als Firmenlogo her.

So wertvoll die Herkunft, so herausfordernd ist allerdings die Zukunft für das Getränk aus dem Osten Hamburgs: Mehr als 500 regionale Wassermarken konkurrieren um die Gunst der Verbraucher. Die Eigenmarken des Handels, die zum Teil schon für 13 Cent pro Liter zu haben sind, erreichen inzwischen einen Marktanteil von 50 Prozent. Zum Vergleich: Bismarck nimmt für sein Wasser mit 45 Cent den Liter ein Vielfaches dieses Preises.

Der Wettbewerb schläft nicht, und Bismarck reagiert: Die Firma will ihre Markenhistorie fortschreiben. "Wir bereiten einen Relaunch vor", verrät Simone Müggenburg. Spätestens Anfang nächsten Jahres sollen die Verbraucher die Veränderungen der Flaschen und Etiketten im Supermarkt sehen, und einige Schwerpunkte der neuen Bismarck-Optik verrät die 32-Jährige schon jetzt: "Wir wollen unser Profil in Richtung Frische, Qualität und Tradition vertiefen." Der Spruch "Natürlich aus dem Norden" soll bei der neuen Marketingstrategie verschwinden. Unverändert bleibt indes die Zielgruppe. "Wir konzentrieren uns auf die Käufer im Alter 40plus", sagt Ulf Pittner.

Neben den Anstrengungen im Marketing modernisiert das Unternehmen auch seine Produktion, in der derzeit rund 110 Mitarbeiter beschäftigt sind und 115 000 Flaschen in der Stunde füllen, kontrollieren und zum Teil probieren. "Wir investieren in diesem Jahr 800 000 Euro und 2013 noch einmal 1,2 Millionen Euro in die Fabrik", sagt Werksleiterin Marie-Noëlle Steininger.

Die Investitionen in Marketing und Produktion sollen sich bei Bismarck in einem wachsenden Geschäft auszahlen: Für das nächste Jahr rechnet die Firma mit einem Umsatzplus von drei Prozent, die Marktführerschaft der Marke im Norden soll ausgebaut werden.

Auch die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen für das Wachstum bei Bismarck sind günstig: 136 Liter Wasser trinken die Deutschen im Jahr pro Kopf, und der Verbrauch nimmt im Zuge einer gesundheitsbewussten Ernährung weiter leicht zu. Zum Vergleich: Die Spanier trinken 155 Liter, die Italiener sogar 173 Liter, die US-Amerikaner dagegen nur 100 Liter Wasser im Jahr. Der große Trend geht zu Mineralwasser mit wenig oder ohne Kohlensäure: Tranken die Deutschen vor zehn Jahren erst zehn Prozent stilles Wasser, macht dieser Anteil heute knapp zwanzig Prozent aus.

Ein anderer Trend geht zu Mineralwasser mit Geschmack: Rund zehn Prozent des Wassermarktes fällt auf aromatisierte Getränke, bei Fürst Bismarck macht dieses Segment sogar 20 Prozent aus. "Hier betonen wir ebenfalls unsere regionale Herkunft", sagt Simone Müggenburg. So biete Bismarck Wasser mit Apfel-Birne- oder Apfel-Holunder-Aromen an. Und die Äpfel für die Apfelschorle beziehe das Werk aus dem Alten Land. Die Fürst Bismarck Quellen besinnen sich nicht zuletzt auf ihre regionale Herkunft, weil das Unternehmen seine Kompetenz in einer ganzen Reihe von Wassermarken im Konzern ausspielen muss: Neben Bismarck gehören auch Namen wie S. Pellegrino, Vittel und Contrex zu Nestlé, die sowohl in Deutschland als auch weltweit Marktführer für Wasser sind.

Jüngst ist Nestlé bei Menschenrechts- und Umweltorganisationen mit seinen erdumspannenden Wasseraktivitäten allerdings auch auf Kritik gestoßen. Ihrer Meinung nach soll der Konzern aus der Schweiz ohne Rücksicht auf die Bevölkerung in ländlichen Gemeinden deren Wasser praktisch kostenlos abpumpen lassen und dann mit großem Gewinn weiterverkaufen. Darüber hinaus würden die Plastikflaschen die Umwelt unnötig belasten, und es sei ethisch fraglich, ob ein Konzern das Grundrecht auf Wasser quasi aufkaufen und es zu einem reinen Wirtschaftsgut machen dürfe.

In Deutschland haben die Verbraucher die Wahl, ihr Wasser aus dem Hahn zu trinken oder zu abgefülltem Wasser zu greifen. 68 Prozent der Haushalte trinken (auch) Leitungswasser, das andere Qualitätsmerkmale aufweist als Mineralwasser (siehe Beistück). Bei der Fürst Bismarck Quelle steht daher der Premiumanspruch an erster Stelle, um die Kunden zu der vergleichsweise kostspieligen Erfrischung zu bringen.

Auch diese Strategie hat bei Bismarck übrigens schon eine lange Tradition: Schon auf einem Werbeplakat vom Anfang des 20. Jahrhunderts bezeichnet Bismarck sein Wasser als "vornehmstes Tafelgetränk", und die Abbildung in der Reklame zeigt eine junge Frau, die Wasser in eine bauchige Flasche mit Kronkorken einfüllt. Die Dame im luftigen Kleid erfüllt zwar nicht die strengen Hygienevorschriften, die heute jeden Mitarbeiter zum Tragen von Kittel, Haube und Sicherheitsschuhen zwingen, doch der Schauplatz der Werbung verbindet das Gestern mit dem Heute: Die Wasserfee steht schon damals an der plätschernden Bismarck-Quelle, umgeben vom Blätterdach des Sachsenwaldes.