Viele Firmen scheuen sich, Menschen mit Behinderung einzustellen. Globetrotter aus Hamburg gilt mit seinen Ideen als Positivbeispiel.

Hamburg. Die Situation ist fatal. Während das Gesetz fordert, dass in jedem Unternehmen mit 20 und mehr Arbeitsplätzen mindestens fünf Prozent der beschäftigten Menschen mit Behinderungen sein müssen, schafft die deutsche Wirtschaft dieses Ziel nicht. Lediglich 3,2 Prozent aller Beschäftigten in Hamburg haben einen Behindertenausweis. Und knapp 3600 Menschen mit Handicap, das entspricht fünf Prozent aller Arbeitslosen in der Stadt, sind derzeit ohne Job. Bundesweit suchen zugleich 177 062 Behinderte einen Arbeitsplatz. Doch statt einzustellen, zahlen die meisten Firmen lieber eine Ausgleichsabgabe, die zwischen 105 Euro und 260 Euro für jede nicht besetzte Stelle im Monat liegt. Viele Unternehmer trauen Menschen mit Handicaps zu wenig zu, bemängeln Experten.

"Menschen mit Behinderungen sind meist gut qualifiziert, leider werden sie von Arbeitgebern oft überhaupt nicht in die engere Wahl gezogen", sagt Hubert Hüppe, Beauftragter der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen, dem Abendblatt. Heute will er in Berlin bei der Auftaktveranstaltung einer Reihe mit dem Titel "Unternehmen inklusive Arbeit" mehr Firmen davon überzeugen, dass Menschen mit Handicap hoch motivierte und qualitativ exzellente Arbeitskräfte sein können. Weitere Konferenzen in verschiedenen Bundesländern folgen.

Hüppes Positivbeispiel auf der heutigen Tagung kommt mit Globetrotter aus Hamburg. 42 Mitarbeiter mit Behinderung, davon 35 in der Hansestadt, arbeiten für Europas größten Outdoor-Ausrüster. Zum Beispiel Dominik Bekiel. Der 31-Jährige kann seinen rechten Arm kaum noch benutzen. Bei Globetrotter ist er seit 2003 im Lager tätig, scannt dort die verschiedenen Warengruppen. "Der Job macht mir Spaß", sagt er. Auch die Kollegen seien nett. "Probleme im Umgang gibt es nicht."

Meike Timm, die sehbehindert ist, verteilt die Post bei Globetrotter. "Die Briefe sind für jede Abteilung vorsortiert, die Flure wurden mit großen Buchstaben gekennzeichnet, sodass sie ihren Weg finden kann", sagt Andreas Bartmann, Geschäftsführer und Gesellschafter von Globetrotter. "Natürlich hatten wir am Anfang lange überlegt. Doch heute möchten wir auf die Bereicherung durch die Kollegen nicht mehr verzichten." Sogar einfache Arbeitsprozesse wie etwa das Konfektionieren von Waren hat Bartmann von Asien zurück nach Hamburg geholt, um Behinderten einen Arbeitsplatz zu geben.

Bartmann selbst ist inzwischen zu einer Art Botschafter für Menschen mit Handicap geworden. Anfang September nahm er an einer Talkrunde in Hamburg teil, bei der es um die Beschäftigung Behinderter ging. Heute schickt er seine Personalchefin Katharina Benson zur Tagung nach Berlin. Globetrotter hat die erforderliche Mindestquote von fünf Prozent der Beschäftigten mit einem Anteil von 3,6 Prozent zwar nicht erreicht. Dafür aber hat sich das Unternehmen auf die wohl am schwersten zu vermittelnde Gruppe behinderter Menschen konzentriert: Denn viele der neuen Globetrotter-Mitarbeiter sind bereits in der Schule mit einer großen Lernschwäche aufgefallen. Gemeinsam mit der Hamburger Arbeitsassistenz, einem gemeinnützigen Unternehmen, das im Jahr 1992 von Eltern behinderter Kinder gegründet wurde, macht Globetrotter sie seit 16 Jahren fit für den Arbeitsmarkt.

"Wir statten den Arbeitsplatz nach dem Leistungsvermögen des Mitarbeiters aus", sagt Bartmann. So hat auch die Postverteilerin Meike Timm ein Lesegerät bekommen, auf dem die Schrift stark vergrößert angezeigt wird. Bezahlt werden solche Hilfen am Arbeitsplatz größtenteils von den Integrationsämtern der Stadt. Seit 1992 hat die Arbeitsassistenz, die den Firmen auch pädagogische Begleitung anbietet, rund 900 Behinderten einen Job vermittelt.

Bartmann, der auch Aufträge wie die Möbel in der Kantine für die Globetrotter-Mitarbeiter an Behindertenwerkstätten vergibt, hat sein Engagement nicht bereut. "Das Arbeitsklima hat sich verbessert, es wird mehr Rücksicht genommen", sagt er. Das zeige sich beispielhaft an der Postverteilung. "Die Mitarbeiter achten darauf, dass sich in den Fluren keine Stolperfallen wie Paletten befinden." Behindertenbeauftragter Hüppe sagt: "Gerade bei Globetrotter zeigt sich, dass sich betriebswirtschaftliche Belange und die Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen nicht ausschließen. Im Gegenteil - gerade sie sind besonders motiviert, wenn sie ihren Platz in einem Unternehmen gefunden haben." Er hofft auf viele weitere Nachahmer.