Das soziale Netzwerk verschmilzt E-Mail, SMS und Chat und greift damit Google an. Hamburger Datenschützer reagiert mit Skepsis auf das Angebot.

Hamburg. Mark Zuckerberg ist gerade einmal 26 Jahre. Doch kürzlich fühlte sich der Facebook-Gründer extrem alt. Da unterhielt sich der Chef des weltgrößten sozialen Netzwerks nämlich mit Schülern darüber, wie sie sich im Internet austauschen. E-Mails, erklärten sie dem milliardenschweren Internetunternehmer, seien zu langsam und viel zu förmlich: Adresse raussuchen, Betreffzeile überlegen, Begrüßung schreiben - "all das macht Kommunikation viel komplizierter", erfuhr Zuckerberg.

Daher hat der Facebook-Chef nun ein System vorgestellt, das die E-Mail nicht einfach in das eigene soziale Netzwerk integriert, sondern alle bisherigen Kommunikationswege miteinander vereinen soll: elektronische Post, SMS, Chat. Nutzer sollen mit ihren Facebook-Kontakten wie auch mit Nicht-Mitgliedern über alle Kanäle und Geräte kommunizieren können. Bislang war der Austausch nur innerhalb des Netzwerks möglich. Die überarbeitete Version des Nachrichtensystems werde allen Nutzern schrittweise in den nächsten Monaten zur Verfügung gestellt, teilte der Konzern mit.

Jeder Nutzer erhält auf Wunsch eine E-Mail-Adresse mit der Endung @facebook.com. Das System werde aber einfacher gestaltet sein als die klassische Mail, verzichtet etwa auf Betreffzeilen, erklärte Chefentwickler Andrew Bosworth: "Wir haben es mehr wie einen Chat gestaltet." Ziel sei, dass der Nutzer nicht darüber nachdenken müsse, welche Technologie er benutze.

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Das neue Feature soll es auch ermöglichen, alle Konversationen mit einer Person an einem Ort zusammenzuführen und dauerhaft zu archivieren. Als Beispiel nannte Bosworth die Nachrichten, die man mit seinem Partner austausche - vom ersten "Nice to meet you" (Schön, dich zu sehen) bis zur Frage, wer die Kinder vom Fußball-Training abhole.

Mit dem neuen System verstärkt Facebook seine Bemühungen, sich als Kommunikationszentrale im Internet zu etablieren - schon heute verbringen die Nutzer dort mehr Zeit als auf jeder anderen Website. Privatleute tummeln sich hier ebenso wie Firmen oder soziale Organisationen. Letztlich geht es darum, den Rest des weltweiten Datennetzes für die eigene Fan-Gemeinde ein wenig überflüssiger zu machen. Wer von Facebook aus E-Mails, SMS oder andere Nachrichten verschicken kann, braucht die Internetseite kaum noch zu verlassen. Ein enormer Gewinn für das Unternehmen, wenn es um das milliardenschwere Geschäft mit personalisierter Online-Werbung geht, die der Konzern auf seiner Seite platziert.

Insbesondere ist das neue Angebot ein Angriff auf die anderen E-Mail-Anbieter. Das Potenzial des neuen Dienstes ist enorm: Die 500 Millionen Facebook-Nutzer verschicken derzeit bereits vier Milliarden interne Nachrichten pro Tag. Zum Vergleich: Der größte E-Mail-Anbieter, Hotmail von Microsoft, hat rund 360 Millionen Nutzer, Yahoo Mail 270 Millionen und GMail vom Internetriesen Google 190 Millionen.

Vor allem für den Suchmaschinenriesen Google geht es um viel: Die kostenlosen Mail-Accounts sind für das Unternehmen der beste Zugang zu personenbezogenen Daten. Erst durch die E-Mail-Konten erfährt der Konzern, mit wem und worüber der Nutzer häufiger kommuniziert - und was er sucht, denn wer auf der Mailplattform angemeldet ist, teilt jede Suchanfrage direkt mit dem Konzern. Der Suchmaschinenriese hatte in der Vergangenheit zudem selbst versucht, ein eigenes Social Network aufzubauen, um die Einblicke in die Nutzungsgewohnheiten der eigenen Mitglieder noch besser analysieren zu können. Doch dieses hat sich gegen die übermächtige Konkurrenz bislang nicht durchsetzen können.

Es wird interessant sein zu beobachten, ob die Facebook-Nutzer den neuen Dienst annehmen. Manch ein Experte ist skeptisch: "Die Funktionen sind so beschränkt, dass die Nutzer, die die Mail-Dienste von Google, Yahoo oder Microsoft verwenden, kaum wechseln werden", schreibt etwa der auf soziale Netzwerke spezialisierte Gartner-Analyst Ray Valdes in einem Blog.

Es könnte auch sein, dass viele Nutzer sich darüber klar werden, dass Facebook ohnehin schon jede Menge Daten über sie gesammelt hat. Und dass nicht auch noch der letzte Rest an privater Kommunikation auf den Servern des Konzerns gespeichert werden muss.

Datenschützer haben jedenfalls erhebliche Bedenken: "Ob es sinnvoll ist, so viele Informationen einem Anbieter in die Hand zu geben, ist fraglich", sagt der Hamburger Datenschützer Johannes Caspar, dessen Behörde in Deutschland für Facebook zuständig ist. Durch diese Konzentration wachse die Gefahr, dass bei Verlust des Passworts umfangreiche Informationen in die falschen Hände gerieten. Auch unterliege das US-Unternehmen nicht dem hiesigen Recht: "Jeder muss wissen: Wenn die Daten außerhalb des Landes gespeichert werden, können die deutschen Datenschutzbehörden nicht kontrollieren, wie damit verfahren wird."