Der Konzern will den britischen Konkurrenten Arriva für 2,8 Milliarden Euro kaufen. Hamburger Benex könnte von dem Geschäft profitieren.

Hamburg. Die Deutsche Bahn (DB) ist wieder auf Einkaufstour. Für umgerechnet 2,8 Milliarden Euro will das bundeseigene Unternehmen den britischen Konkurrenten Arriva übernehmen und damit seine Position vor allem im europäischen Personen-Nahverkehr deutlich ausbauen. "Wir nehmen dann in Europa die führende Stellung im Personenverkehr ein", sagte Bahnchef Rüdiger Grube gestern in Berlin. Es wäre der größte Zukauf in der Geschichte der DB. Auch die französische Staatsbahn SNCF war an einer Übernahme von Arriva interessiert, scheint aber mit dem Gebot der Bahn endgültig aus dem Feld geschlagen. Das Arriva-Management hat seinen Aktionären nun empfohlen, das Angebot der Bahn anzunehmen.

Die Bahn reagiert mit dem angestrebten Zukauf auf den verstärkten Konkurrenzdruck am liberalisierten europäischen Bahnmarkt. Wettbewerber wie SNCF oder die Dänische Staatsbahn bauen ihre Positionen ebenfalls aus und drängen auch auf den deutschen Markt. Arriva ist in Deutschland, mit Beteiligungen an der ostdeutschen Bahngesellschaft ODEG oder am Uelzener Unternehmen Metronom, bereits stark vertreten.

Sollte die Bahn Arriva tatsächlich übernehmen, stünde dies auch unter einem kartellrechtlichen Vorbehalt. Der Konzern müsste sich von Arriva Deutschland dann wohl ganz oder zumindest in Teilen trennen. Daraus dürften sich neue Anteilsverhältnisse bei ODEG oder Metronom ergeben, von denen auch Benex, das Tochterunternehmen der Hamburger Hochbahn, profitieren könnte. Benex hält eine Reihe von Beteiligungen an Verkehrsunternehmen außerhalb Hamburgs, unter anderem rund ein Viertel an Metronom und 50 Prozent bei ODEG. "Wenn Anteile von Metronom oder ODEG an den Markt kämen, würde Benex einen Zukauf sicher prüfen", sagte Hochbahn-Sprecher Christoph Kreienbaum dem Abendblatt. Die Hochbahn hält 51 Prozent an Benex, 49 Prozent liegen bei dem Infrastruktur-Fonds International Public Partnerships (INPP).

Mit der geplanten Übernahme von Arriva setzt Bahnchef Grube die Strategie seines Vorgängers Hartmut Mehdorn fort, außerhalb Deutschlands oder aber außerhalb des Bahngeschäfts zu expandieren. Im deutschen Schienenverkehr kann der frühere Monopolist nicht mehr wachsen. 2002 hatte die Bahn den Stinnes-Konzern übernommen und davon den international operierenden Logistik-Dienstleister Schenker behalten. Bei Schenker bündelt der Bahnkonzern heute das Logistikgeschäft der Bahn in Deutschland und im Ausland. Es folgten Zukäufe der Bahn in den USA, in Großbritannien, Spanien und zuletzt in Polen.

Teure Zukäufe dieser Art warfen allerdings immer wieder die Frage auf, ob die Bahn in den Personenverkehr in Deutschland noch genügend Geld, Zeit und Kreativität investiert. Schwere technologische Mängel etwa an den Radreifen der ICE-Hochgeschwindigkeitszüge hatten das Sicherheitsimage der Bahn erheblich beschädigt. Erst in der vergangenen Woche war bei einem ICE 3 - der modernsten Generation - auf der Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen Köln und Frankfurt eine Tür herausgerissen, als der Zug einen anderen ICE passierte. Die Tür schlug gegen ein Fenster des Gegenzuges. Sechs Menschen wurden bei dem Unfall, der eine Katastrophe hätte auslösen können, durch Glassplitter leicht verletzt. Die Bahn will nun alle 50 ICE 3 auf mögliche Materialmängel an den Türen untersuchen.

Bahnchef Grube betonte gestern, "dass Deutschland weiter der Kernmarkt für die DB bleiben wird". Für die deutschen Kunden werde es durch eine Übernahme von Arriva "keinerlei Einschränkungen oder Abstriche geben". Vorrangiges Ziel des Konzerns sei weiterhin, "unser Brot- und Buttergeschäft hierzulande" in Ordnung zu bringen.

Die Bahngewerkschaften reagierten gestern unterschiedlich auf die geplante Übernahme von Arriva. Die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) kritisierte die Pläne. Ihr Vertreter im Aufsichtsrat habe gegen das vorgesehene Kaufangebot gestimmt: "Deutschland erstickt im Verkehr, und die Deutsche Bahn will die britische Arriva mit 2,8 Milliarden Euro beglücken", sagte der Vorsitzende Claus Weselsky. Dies passe nicht zusammen.

Die Gewerkschaften Transnet und GDBA nannten den Übernahmeplan in einer gemeinsamen Erklärung "insgesamt nachvollziehbar". Eine Übernahme stärke das Kerngeschäft der Bahn. Man erwarte jedoch, dass durch den Kauf von Arriva "keinerlei Nachteile für die Aktivitäten der Bahn in Deutschland" entstünden: "Das Vorhaben darf nicht auf Kosten der Arbeitnehmer umgesetzt werden", hieß es.