Experten erwartet eine Verdopplung der Passagierzahlen in den kommenden Jahren. Wie der deutsche Schiffbau profitiert.

Hamburg. Die Deutschen haben in der Krise ihre Lust auf Seereisen nicht verloren. Zum ersten Mal gingen 2009 mit 1 025 968 mehr als eine Million Passagiere an Bord von Traumschiffen - ein Plus von 13,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr. In den vergangenen zehn Jahren hat sich damit die Zahl der Gäste verdreifacht, berichtet der Deutsche ReiseVerband (DRV).

Der Boom, der den 34 Reedereien auf dem deutschen Hochseemarkt mit 1,9 Milliarden Euro 14 Prozent mehr Umsatz in die Kassen spülte, wird voraussichtlich noch über Jahre anhalten, sagten Experten dem Abendblatt. "Bis zum Jahr 2018 werden zwei Millionen Reisende buchen", sagt der Hamburger Kreuzfahrtexperte Helge H. Grammerstorf. Michael Thamm, Präsident der Reederei Aida Cruises, ist sogar überzeugt: "Wir werden diese Marke noch eher erreichen."

Argumente für die gute Hoffnung in der Branche gibt es viele. So bilden die 40 Millionen deutschen Pauschalreisenden an Land ein noch weitgehend unausgeschöpftes Potenzial für Kreuzfahrten. Seit 1996 waren vor allem die Aida-Clubschiffe, die den Reisen das Luxusimage nahmen. "Wir haben die Kreuzfahrten auf den Mittelstand zugeschnitten und das Durchschnittsalter der Reisenden gesenkt", sagt Thamm. Mit durchschnittlich 42/43 Jahren liegt es bei Aida niedriger als in der deutschen Bevölkerung.

Diese Kreuzfahrer entstehen bis 2014

Mit sieben Schiffen ist Aida Cruises inzwischen deutscher Marktführer, nahm 2009 insgesamt 414 000 Passagiere an Bord und setzte 722,1 Millionen Euro um. Mit der gerade von der Meyer Werft übernommenen "Aidablu" und zwei weiteren für 2011 und 2012 bestellten Schiffen scheint auch eine Milliarde Euro Umsatz nicht mehr fern.

Argument für die Reisen über See dürften auch die immer vielfältigeren Angebote an Bord sein. Mehrere Restaurants, Unterhaltung von Bühnenshows bis zur Klassik und Wellnessbereiche stellen die Ausstattungen mancher Hotels in den Schatten: Die Reedereien trumpfen auf. "Die Angebote sind inzwischen so attraktiv, dass viele Passagiere gar nicht mehr von Bord gehen", sagt Grammerstorf. Das Schiff wird vom Mittel zum Zweck der Reise.

Die Preise blieben zuletzt weitgehend konstant, sind sich die Experten einig. "Während der Mittelwert seit Jahren bei 200 Euro pro Tag einschließlich Vollpension liegt, reicht die Bandbreite der Angebote inzwischen von 50 bis über 800 Euro", sagt Grammerstorf. Insgesamt ein "auskömmliches" Niveau, versichert Thamm, selbst wenn im vergangenen Jahr ein leichter Rückgang um sechs auf 193 Euro eintrat. Für 2010 erwartet der Aida-Chef nun wenig Veränderungen. Selbst die Krise war für die Branche eher Chance als Risiko, urteilt Thamm, der beim ReiseVerband dem Ausschuss Schifffahrt vorsitzt.

"Die Reiseveranstalter haben weniger geworben, da sind unsere Aktionen besser durchgedrungen." Wie groß der Optimismus auch weltweit ist, zeigen die bestellten 28 Neubauten von Kreuzfahrtschiffen, die noch bis Ende 2014 geliefert werden sollen. "Zwar gingen seit zwei Jahren keine Aufträge mehr ein, es gab aber kaum Stornierungen wie bei den Containerfrachtern" sagt Peter Hackmann, Sprecher der Meyer Werft, die noch sieben Neubauten im Auftragsbuch hat (siehe Tabelle). Meyer und die anderen Passagierschiffwerften liefern jedoch vor allem an ausländische Reedereien. Daher dürfte die deutsche Branche vorerst von Überkapazitäten verschont bleiben. "Wir sehen sie jedenfalls nicht", sagt Thamm.

Optimismus auch bei Hapag-Lloyd: Nach dem Rekordjahr 2007/08 sank der Umsatz zwar leicht von 200 auf 194,5 Millionen Euro und die Auslastung um vier Prozentpunkte auf 76 Prozent. "Ohne Flottenwachstum kann man aber ein solches Vorjahr kaum toppen", sagt Sebastian Ahrens, der Sprecher der Geschäftsführung der TUI-Tochter Hapag-Lloyd-Kreuzfahrten.

Die Hamburger werben jetzt mit Themenreisen nach Asien, Arabien oder dem Mittelmeerraum, lassen Experten an Bord und an den Reisezielen die US-Politik erklären oder bieten Musikfestivals auf der "Europa" auf "dem Niveau der Salzburger Festspiele", wie Ahrens sagt. Selbst ein Ausbau der Flotte ist nicht ausgeschlossen. "Wir beschäftigen uns mit dem Thema", so der Geschäftsführer. "Unterschriftsreifes gibt es noch nicht."