Das Tischtuch zwischen dem früheren Siemens-Chef Heinrich von Pierer und seinem Ex-Arbeitgeber ist zerschnitten.

München. Weil der Konzern ihn für den jüngsten Korruptionsskandal mitverantwortlich macht und mit einer Schadenersatzklage in unbegrenzter Höhe droht, sind er und Siemens Streitparteien geworden, die demnächst vor Gericht ziehen dürften. Auf ein Ultimatum, in dem der Konzern von Pierer bis Mitte November verlangt, freiwillig sechs Millionen Euro zu zahlen oder vor den Kadi gezerrt zu werden, will der frühere "Mister Siemens" nicht eingehen.

Dieser Siemens-Vorschlag würde "ein asymmetrisches Anerkenntnis höchst streitiger Vorgänge bedeuten", sagte von Pierer dem Abendblatt. Er sehe auch "keinen Anlass, einen Bußgeldbescheid hinzunehmen". Über eine solche Geldbuße entscheidet derzeit die Münchner Staatsanwaltschaft, die Pierer und andere frühere Topmanager verdächtigt, bei der Schmiergeldaffäre ihre Kontrollpflichten verletzt zu haben. In Pierers Fall gebe es "eindeutige Signale" von der Justiz, dass diesem ein Bußgeld von bis zu einer Million Euro drohe, schreibt die "Süddeutsche Zeitung" (SZ) mit Verweis auf Siemens-Kreise.

Vom Erlass eines solchen Bußgeldbescheids sei seiner Verteidigung nichts bekannt, betont Pierer. "Die Siemens AG wählt vielmehr erneut den hinlänglich bekannten Weg der Druckausübung über eine Berichterstattung in der ,Süddeutschen Zeitung'", kritisiert er und weist weiter alle Vorwürfe zurück. Mit seinem Rücktritt als Siemens-Aufsichtsratschef habe er bereits Verantwortung übernommen. Das Spiel, das Siemens jetzt treibe, sei bemerkenswert. Vor allem der Versuch, eine angebliche Festlegung der Staatsanwaltschaft publik zu machen, sei erstaunlich. Die Untersuchungen liefen noch und über Bußgelder sei noch nicht entschieden, sagte ein Justizsprecher auf Anfrage. Wann mit einem Ergebnis des Verfahrens wegen Ordnungswidrigkeiten zu rechnen sei, konnte er nicht sagen. Das gelte auch im Fall des Pierer-Nachfolgers Klaus Kleinfeld und sechs anderer Ex-Manager aus dem Hause Siemens, deren Verhalten auf dem Prüfstand steht.

Im Fall von Kleinfeld, der ebenfalls wegen der Schmiergeldaffäre bei Siemens gehen musste und mittlerweile den US-Konzern Alcoa führt, wolle die Justiz das Verfahren mangels Schuld einstellen, will die "SZ" wissen. Dennoch pocht Siemens bei Kleinfeld weiter auf zwei Millionen Euro Schadenersatz und droht auch ihm mit einer Klage. Das Verhalten von Siemens grenze an "Schutzgelderpressung", hieß es aus Kleinfelds Umfeld. Falls Siemens Kleinfeld vor den Kadi zerrt, sieht dieser seine Karriere gefährdet. Insgesamt wollen die Münchner von zehn Ex-Vorständen mehrere Millionen Euro Schadenersatz wegen der Schmiergeldaffäre, die Siemens Milliarden gekostet hat. Nur drei Manager haben bislang einer Zahlung zugestimmt. Zumindest Pierer und Kleinfeld scheinen hart zu bleiben und es auf einen Prozess ankommen lassen zu wollen. Siemens antwortete auf Pierers Angriff nicht.