In Deutschland arbeiten geschätzte zehn Millionen Menschen schwarz. Bis zu 355 Milliarden Euro werden in diesem Jahr unversteuert erzielt.

Hamburg. Kurzarbeit ist in der Wirtschaftskrise eines der wichtigsten Mittel, um Arbeitslosigkeit zu vermeiden. Doch die Maßnahme hat auch einen unerwünschten Nebeneffekt. Hunderttausende Beschäftigte haben derzeit deutlich mehr freie Zeit zur Verfügung - Zeit, die sie für Nebentätigkeiten nutzen können. Und zwar nicht nur für Arbeiten im eigenen Haus und Garten, sondern auch für bezahlte "Freundschaftsdienste".

"Die Schwarzarbeit wird durch die Rezession und steigende Kurzarbeit in diesem Jahr deutlich auf 350 bis 355 Milliarden Euro steigen", sagt der Linzer Volkswirtschaftsprofessor Friedrich Schneider dem Abendblatt. Dies entspräche etwa einem Siebtel (14 Prozent) des prognostizierten Bruttoinlandsprodukts. 2008 lag die Summe in Deutschland noch bei 347 Milliarden Euro.

Hauptgrund des Anstiegs sei die Wirtschaftskrise. Gleichzeitig bleibe die Schwarzarbeit damit noch deutlich von ihrem bisherigen Rekord von 370 Milliarden Euro im Jahr 2003 entfernt. "Viele Kurzarbeiter und Arbeitslose versuchen, nebenbei noch etwas dazuzuverdienen, um ihre Einkommensverluste auszugleichen", so Schneider. Ein weiterer Anstieg der Arbeitslosigkeit um 500 000 bis eine Million würde eine Zunahme der Schattenwirtschaft um acht bis zwölf Milliarden Euro mit sich bringen. Derzeit arbeiten etwa 1,4 Millionen Menschen in Deutschland kurz, 3,46 Millionen sind arbeitslos.

Eine Trendwende zeichne sich nur dann ab, wenn die Wirtschaft in eine noch tiefere Rezession abgleite und die Arbeitslosigkeit dramatisch zulegen würde, so Schneider: "Dann werden sowohl die Realwirtschaft als auch die Schattenwirtschaft zurückgehen. Bei hoher Arbeitslosigkeit fehlt dann auch vielen das Geld, um Schwarzarbeiter zu bezahlen."

In Deutschland arbeiten geschätzt zehn Millionen Menschen schwarz - fast jeder Zehnte. Meistens handelt es sich um Arbeitnehmer oder Selbstständige, die einen steuerpflichtigen Beruf ausüben und sich in ihrer Freizeit noch etwas dazuverdienen wollen, so Schneider. Viele bieten dabei Dienstleistungen an. Dazu gehören Architekten, Rechtsanwälte, Maurer, Fliesenleger oder auch Putzfrauen. Im Durchschnitt verdienen sie etwa 300 bis 400 Euro im Monat dazu. Solche "Nebenerwerbsschwarzarbeiter", wie sie der Volkswirt bezeichnet, machen etwa zwei Drittel aller Schwarzarbeiter aus.

Die meiste Schwarzarbeit findet seit Jahren am Bau und im Handwerk statt. Etwa 38 Prozent aller Schwarzarbeiten werden dort ausgeführt. Danach folgt die Gastronomie mit 17 Prozent, Gewerbe- und Industriebetriebe mit etwa auch 17 Prozent. Hinzu kommen haushaltsnahe Dienstleistungen wie Putzen, Nachhilfe und Babysitten mit 15 Prozent. In der Autobranche nehme die Schwarzarbeit dagegen leicht ab: "Durch die komplizierte Elektronik in den Fahrzeugen lassen sich diese nur noch schwer von Tüftlern ohne entsprechende Computerunterstützung einer Werkstatt reparieren.

"Die Hamburger Maler- und Lackierer-Innung spürt den Anstieg der Schwarzarbeit bereits am Stand ihrer Orderbücher, berichtet der Geschäftsführer Christian Renk: "Unsere Auftragsvorläufe fallen in diesem Jahr geringer aus."

Aus Sicht des Volkswirts ist Schattenwirtschaft aber ökonomisch keineswegs schädlich. Vielmehr sei sie wohlfahrtssteigernd, da eine zusätzliche Wertschöpfung und weiteres Einkommen geschaffen würden, meint Schneider. "In der Krise hilft die Schattenwirtschaft, damit der Konsum nicht einbricht. Denn schwarz verdientes Geld wird nicht aufs Sparbuch gelegt, sondern in der Regel sofort wieder ausgegeben."

Über diesen Geldkreislauf profitiere am Ende auch wieder der Staat und die offizielle Wirtschaft, da dort zumindest die Mehrwertsteuer fällig werde, sagt Schneider. "Dadurch halten sich die Nettoverluste des Staates zumindest in Grenzen." Gleichzeitig gehöre der Staat - und damit alle Steuerzahler - zu den Verlierern, da ihnen Steuern und Beiträge zu Sozialversicherungen verloren gingen.

Was ist zu tun? "Um Schwarzarbeit zu reduzieren, hilft alles, was den Faktor Arbeit finanziell entlastet", weiß Schneider. So hätte die Einführung von Minijobs, die steuerliche Absetzbarkeit von Kinderbetreuung, Pflegekosten, der Erhaltungs- und Modernisierungskosten sowie die Senkung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung in den vergangenen Jahren zu einer deutlichen Reduzierung der Schwarzarbeit geführt. Schneider empfiehlt der Bundesregierung, "den steuerlichen Absatzbetrag für haushaltsnahe Dienstleistungen weiter von jetzt 1200 auf 2000 Euro zu erhöhen. Dies würde positiv wirken."

Eine Mehrwertsteuererhöhung bezeichnet Schneider dagegen als "Gift": "Bei der letzten Mehrwertsteuererhöhung auf 19 Prozent stieg die Schwarzarbeit stark an. Dies würde auch bei der nächsten Steuererhöhung, die wahrscheinlich nach der Bundestagswahl kommt, wieder passieren."