Viele Bürger sind von Werbeanrufen genervt: Callcenter locken mit Gewinnen und Spartipps - am Ende kommt oft die hohe Rechnung.

Hamburg. Wenn bei Nicole Schröder (36) tagsüber das Telefon klingelt, greift sie nur ungern zum Hörer. "Mindestens zwei Anrufe stammen aus Callcentern, die mir irgendwelche Gewinnspiele, Versicherungen oder neue Telefonverträge andrehen wollen. Das nervt", berichtet die Mutter zweier Söhne. Während sich die Hamburgerin früher aus Mitgefühl mit den Anrufern noch auf längere Gespräche einließ, legt sie heute oft mit einem kurzen Satz wieder auf: "Danke, ich habe kein Interesse."

Obwohl telefonische Werbeanrufe - so genannte Cold Calls - bereits vor fünf Jahren vom Bundesgerichtshof grundsätzlich untersagt wurden, sind sie immer noch ein alltägliches Massenphänomen. Nach einer Schätzung der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) erhalten die Bundesbürger jährlich zusammen mehr als 300 Millionen solcher unerwünschten Anrufe - rund 800 000 pro Tag. Dabei fühlen sich 86 Prozent der Deutschen durch die Telefonate belästigt, so die Forscher. Eine Abkehr von der Praxis scheint nicht in Sicht.

Allein in diesem Jahr wurden den Telefonanbietern Freenet, Deutsche Telekom sowie der Hamburger Sparkasse Werbeaktionen per Telefon auf Anklage der Hamburger Verbraucherzentrale gerichtlich untersagt.

Etwa 100 Firmen sind zudem abgemahnt worden. In der Regel haben die Anrufer freundliche Stimmen und locken mit vermeintlich attraktiven Angeboten. "Glückwunsch, Sie haben in unserer Lotterie gewonnen!", "Sie können sich bei uns einen Hotelgutschein abholen", "möchten Sie Steuern sparen?", "mit uns können Sie Ihre Telefonkosten senken." Mit diesen typischen Einstiegsphrasen beginnen nicht selten die Telefonate. Wer sich auf die Gespräche einlässt, "Ja" zu den Angeboten sagt oder sogar leichtsinnigerweise seine Kontonummer verrät, hat nicht selten einen Vertrag am Hals, den er gar nicht besitzen wollte.

"Bei uns reißen die Beschwerden über am Telefon aufgedrängte Verträge und illegale Anrufe nicht ab", berichtet Günter Hörmann von der Verbraucherzentrale Hamburg. Betroffen seien vor allem Menschen, die viel zu Hause seien, wie Ältere oder Arbeitslose. "Sie sind von dieser Art des Telefonterrors sichtlich genervt."

Manche werden aber auch zu Opfern. So erhalten derzeit in Norddeutschland viele Bürger einen Anruf, "dass sie bei einem Gewinnspiel 700 Euro gewonnen haben", berichtet Boris Wita von der Verbraucherzentrale in Schleswig-Holstein. "Um ihnen den Gewinn überweisen zu können, sollten sie ihre Kontonummer nennen", werden sie aufgefordert. Wer diesem Wunsch nachkam, erhielt jedoch nicht den Gewinn überwiesen, sondern eine Abbuchung für die Teilnahmegebühren an dem vermeintlichen Gewinnspiel, warnt Wita.

Per Post erhalten derzeit aber auch zahlreiche Verbraucher eine Aufforderung der Firma TRC Telemedia, 75 Euro für ein Telefonsexgespräch zu bezahlen, das sie angeblich vor Monaten geführt haben sollen, berichtet Verbraucherschützer Hörmann. "Es ist zu befürchten, dass manche die Rechnung aus Scham bezahlen, obwohl das Gespräch nie stattgefunden hat."

In beiden Fällen empfehlen die Verbraucherschützer, die Rechnungen auf keinen Fall zu begleichen. Sollten die Beträge einfach vom Konto abgebucht worden sein, sollten die Verbraucher auf alle Fälle ihr Recht nutzen, die Abbuchung von der Hausbank rückgängig machen zu lassen und sich so ihr Geld zurückholen. Dies sei bis zu sechs Wochen lang nach der Abbuchung möglich.

Um illegale Telefonwerbung zu bekämpfen und vom Markt zu verdrängen, haben Bundesrat und Bundestag Ende März ein neues Gesetz verabschiedet, das noch im Laufe dieses Monats in Kraft treten soll. Danach ist Telefonwerbung künftig nur erlaubt, wenn ein Kunde zuvor sein Einverständnis für Werbeanrufe erklärt hat. Ohne eine solche Zustimmung müssen Unternehmen, die Kunden von sich aus anrufen, mit einem Bußgeld von bis zu 50 000 Euro rechnen. Firmen dürfen zudem künftig bei Anrufen auch nicht mehr ihre Rufnummer unterdrücken, damit Verbraucher deren Identität erkennen können. Wird die Nummer dennoch unterdrückt, kann ein Bußgeld von bis zu 10 000 Euro verhängt werden. Darüber hinaus soll es ein verbessertes Widerrufsrecht von bis zu vier Wochen gegen am Telefon abgeschlossene Verträge geben.

Verbraucherschützer begrüßen zwar das neue Gesetz, allerdings geht es ihnen nicht weit genug. "Grundsätzlich dürften Verträge, die am Telefon geschlossen werden, erst dann wirksam werden, wenn sie vom Kunden schriftlich bestätigt wurden", fordert der Hamburger Verbraucherschützer Hörmann. Doch diese Forderung konnten die Verbraucherorganisationen im Gesetzgebungsverfahren gegenüber Bundesjustizministerin Brigitte Zypries nicht durchsetzen. "Dies ist aber der entscheidende Hebel, um illegalen Anrufen den materiellen Anreiz zu nehmen", meint Hörmann und fürchtet: "Wird der Druck hier nicht erhöht, wird illegale Telefonwerbung auch mit dem neuen Gesetz fröhlich weitergehen."