Ein Gespräch mit Audi-Chef Rupert Stadler über soziale Verantwortung in der Krise, Elektrofahrzeuge ohne satte Motorengeräusche und sein Vorbild Piëch.

Ingolstadt. Dem Autobauer Audi geht es im Vergleich zu vielen Konkurrenten noch gut - trotz Wirtschaftskrise. Auf Kurzarbeit können die Ingolstädter verzichten. Und erstmals ist die Marke in diesem Frühjahr europaweit Marktführer im Premiumbereich vor Mercedes und BMW. Insgesamt setzte die VW-Tochter seit Anfang des Jahres zwölf Prozent weniger Fahrzeuge ab, der Absatz bei BMW schrumpfte im Vergleich um gut 21 Prozent und Mercedes musste Einbußen von einem Fünftel hinnehmen.

Audi-Chef Rupert Stadler hält indes an seinem Ziel fest, im laufenden Jahr 900 000 Autos zu verkaufen - das wären zehn Prozent weniger als im Vorjahr. Im Abendblatt-Interview verrät der Manager seine Strategien.

Abendblatt: Audi profitiert als Premiumanbieter kaum von der Abwrackprämie und ist dennoch relativ krisenfest. Wie geht das?

Rupert Stadler: Unsere Modelle sind sehr innovativ und haben alle ein extrem emotionales Design. Die Kunden mit einer guten Formensprache zu faszinieren, ein paar Leuchttürme zu haben, das ist viel besser als Rabattitis.

Abendblatt: Werden die Autopreise weiter sinken, wenn bald die Abwrackprämie wegfällt?

Rupert Stadler: Nein, das glaube ich nicht. Zwar kommt das Ende der Umweltprämie und die Branche kämpft mit Überkapazitäten, aber viele Hersteller müssen bei den Nachlässen auch sehen, wie sie überleben können. Die Pleiten einiger Hersteller in den USA zeigen ja, dass die Rechnung nicht mehr aufgegangen ist. Und wer kauft schon bei einer Marke, bei der er eine Insolvenz befürchtet? Die Preisentwicklung macht mir aber auch deshalb Sorgen, weil die Gefahr besteht, dass der Kunde die Technologien im Produkt nicht ausreichend wertschätzt.

Abendblatt: Inwiefern?

Stadler: Der 136 PS starke Diesel in unserem A4 2.0 TDI e kommt mit 4,6 Liter auf 100 Kilometer aus und ist mit 119 Gramm CO2 das effizienteste Auto seiner Klasse. Das schaffen wir etwa durch serienmäßige Start-Stopp-Automatik und Bremsenergie-Rückgewinnung. Er kostet ab 30 000 Euro. Den Kunden muss bewusst sein, dass modernste Technologie ihren Preis hat. Andererseits bringen wir im nächsten Jahr mit dem Audi A1 ein sehr kompaktes und effizientes Modell auf den Markt, das sich auch junge Menschen leisten können, die bisher noch nie einen Audi gefahren haben.

Abendblatt: Wie teuer wird der sein?

Stadler: Nur so viel: Der Preis ist sehr attraktiv und liegt deutlich unter dem des A3.

Abendblatt: Audi hat schon vor zwölf Jahren ein serienmäßiges Hybridauto auf den Markt gebracht, den A4 Avant Duo. Inzwischen ist ihr Konkurrent Toyota mit diesem Antrieb erfolgreich. Sein Hybridfahrzeug Prius war im Mai der meistverkaufte Wagen in Japan.

Stadler: Ja, wir waren damals unserer Zeit voraus. Ich sehe den Hybrid inzwischen aber nur noch als Durchgangstechnologie zum vollwertigen Elektroauto. Der Hybrid benötigt einen herkömmlichen Benzinmotor und zusätzlich den Elektroantrieb. Das hebt die Kosten für ein solches Fahrzeug enorm, und das bei nur durchschnittlichem Erfolg bei der Verbrauchssenkung. Das können moderne Diesel besser. Wir arbeiten dennoch intensiv am Hybrid, denn er ist die Basis für den vollelektrischen Antrieb. Auf dem Weg dahin werden wir aber noch viel Energie in dieses Thema stecken müssen.

Abendblatt: Wird ein reines Elektrofahrzeug denn bei den Kunden ankommen? Es fährt geräuschlos - werden Sie dem sportlich orientierten Audi-Fahrer das satte Motorengeräusch dann per Lautsprecher ans Ohr bringen?

Stadler: Grundsätzlich würde ich erst mal jedem Kunden empfehlen, eine Bang&Olufsen-Anlage zu nehmen. Das ist Hörgenuss pur - wie in einem Konzertsaal. (lacht) Wenn unsere Kunden sich bei einem Elektroauto Motorensound wünschen, werden sich unsere Sounddesigner schon etwas einfallen lassen. Allerdings spüren Sie bei einem Elektrofahrzeug ja auch einen ordentlichen Zug beim Tritt aufs Gaspedal. Sportlich ist das schon.

Abendblatt: Die großen Geländewagen werden als Spritfresser in Deutschland immer mehr geächtet. Ist die Ära der SUVs vorbei?

Stadler: Nein, im Gegenteil. Der Q7 hat drei Sitzreihen, da können Sie sieben Personen mitnehmen. Pro Kopf relativieren sich damit Verbrauch und CO2-Ausstoß.

Abendblatt: So viele Großfamilien gibt es nun auch wieder nicht.

Stadler: Ich habe drei Kinder. Wenn die Freunde mitnehmen, dann kommt man beim Weg zum Fußball schnell auf sieben. Sie haben aber auch die höhere Sitzposition, einen tollen Überblick und gewinnen damit einen emotionalen Freiheitsgrad. Nur wegen der Klimadiskussion wird diese Gattung Auto nicht sterben, da bin ich sicher.

Abendblatt: Ihre Vorgänger Ferdinand Piëch und Martin Winterkorn auf dem Audi-Chefsessel sind anschließend zum Vorstandvorsitzenden des Mutterkonzerns VW aufgestiegen. Wie würde sich für Sie eine solche Karriere anfühlen?

Stadler: Ich habe als Audi-Chef meinen absoluten Traumjob.

Abendblatt: Es dürfte eine engere Zusammenarbeit mit Porsche auf Sie zukommen, Porsche-Chef Wiedeking sitzt ja bereits bei Ihnen im Aufsichtsrat und hat sich bereits hier und da eingemischt...

Stadler: Egal wie die Struktur bei VW in Zukunft aussehen wird: Freiheitsgrade bekommen Sie, wenn Sie Erfolge vorzuweisen haben. Nicht das Erzählte reicht, sondern das Erreichte zählt. Und Audi ist sehr erfolgreich.

Abendblatt: Sie nennen VW-Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch als Vorbild. Warum?

Stadler: Er hat der Marke Audi einen Charakter und Charisma gegeben. Er hat auf Technologie und Progressivität gesetzt. Mit der Alukarosserie, dem Allradantrieb, dem Turbodiesel.

Abendblatt: Manchmal gewinnt die Öffentlichkeit aber auch den Eindruck, Piëch würde für seine Ziele über Leichen gehen?

Stadler: Er hat klare Vorstellungen. Und er ist sehr leistungsorientiert. Wo ist da das Problem?

Abendblatt: Sie haben ein katholisches Internat besucht und sind Mitglied in der Wertekommission, einem Zirkel von jungen Managern, die das Vorleben von Werten propagieren. Wie können Sie als Vorstandschef in der Krise kostenbewusst und trotzdem sozial agieren?

Stadler: Ich trenne das Kostenbewusstsein von einer grundsozialen Einstellung. Wir bei Audi agieren von morgens bis nachts kostenbewusst. Wir stehen aber auch zu unserer Betriebsvereinbarung, dass es bis 2011 keine Entlassungen gibt. Das haben wir unserer Belegschaft zugesagt. Zugleich belohnen wir unsere Mitarbeiter für ihr Engagement und den daraus resultierenden Erfolg. Im vergangenen Jahr hat jeder Mitarbeiter im Schnitt eine Erfolgsbeteiligung von 5300 Euro bekommen. Damit können die Beschäftigten mit der ganzen Familie in den Urlaub fahren. Und ein solcher Bonus ist Ansporn, auch einmal Überstunden zu machen, etwa am Wochenende. Zudem schaffen wir in diesem Jahr, zu unserem 100-Jahr-Jubiläum 100 neue Ausbildungsplätze.

Abendblatt: Sie sind neben dem Werk aufgewachsen und haben die Geschichte Audis lange verfolgt. Leitet Sie diese Verbundenheit bei unternehmerischen Entscheidungen oder denken Sie global - dergestalt, dass deutsche Jobs nicht mehr wert sind als Arbeitsplätze überall auf der Welt?

Stadler: Jeder Arbeitsplatz ist gleich wichtig, egal wo auf der Welt. Wir bei Audi stellen uns dem globalen Wettbewerb, denn nur dadurch ist nachhaltiges Wachstum möglich. Ich kenne im Werk Ingolstadt viele Menschen, mit einigen war ich auf der Grundschule. Das ist mir eine große Verpflichtung, da machen Sie keine Dummheiten.