Bedarf an Nachwuchs ist groß. Handwerkskammer will Jugendliche aus Spanien und Griechenland nach Hamburg holen. Doch es gibt Probleme.

Hamburg. Hamburger Lehrlinge sind für Berth-Michael Seitz kaum noch zu bekommen. "Etwa 15 Bewerbungen hatten wir noch im vergangenen Jahr, jetzt sind es gerade mal noch zwei", sagt der Chef der Hamburger Gebäudereinigung Seitz. Angesichts des demografischen Wandels und attraktiveren Angeboten aus anderen Branchen werde es für Mittelständler immer schwieriger, Nachwuchs zu finden. "Dabei verzichten wir schon auf große Einstellungstests und bieten auch Hauptschülern eine Chance. Jeder, der bereit ist zuzupacken, ist uns willkommen."

In seiner Not schaut sich der Chef von rund 300 Angestellten nun auch im europäischen Ausland nach passenden Lehrlingen um. "In Spanien liegt die Arbeitslosigkeit unter den Jugendlichen bei fast 50 Prozent, da müssten sich doch eigentlich Fachkräfte für uns finden lassen", ist Seitz überzeugt. Einen Bekannten, der in Andalusien lebt, hat der Geschäftsführer bereits gebeten, sich dem wirtschaftlich schwachen Landstrich nach möglichen Interessenten umzuhören.

Bei der Hamburger Handwerkskammer rennt der Gebäudereiniger mit seinem Anliegen derzeit offene Türen ein. Die Dachorganisation müht sich schon seit etwa einem halben Jahr, rund 50 spanische oder auch griechische Azubis in die Hansestadt zu holen. "Wir möchten Jugendlichen, die in ihrer Heimat keine berufliche Perspektive haben, gern die Möglichkeit geben, in Hamburger Betrieben eine Ausbildung zu absolvieren", sagt der Hauptgeschäftsführer der Kammer, Frank Glücklich. "Dies soll ein kleiner Beitrag zur Zusammenarbeit auf europäischer Ebene sein, kann aber auch dazu dienen, unseren Unternehmen bei der Suche nach Fachkräften zu helfen."

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Der Bedarf an Nachwuchs ist im Handwerk insgesamt groß. Anfang Juli lag die Zahl der freien Ausbildungsplätze satte 18 Prozent über dem Vorjahr. Derzeit sind noch 359 Lehrstellen frei - und das, obwohl das Ausbildungsjahr 2012 bereits in wenigen Tagen offiziell beginnt.

Das Problem mit ausländischen Azubis besteht allerdings in den mangelnden deutschen Sprachkenntnissen möglicher Bewerber, sowie in der Unterbringung und Betreuung der Jugendlichen in der Hansestadt. Die Hamburger Betriebe können sich nach Glücklichs Einschätzung zwar um die eigentliche Ausbildung kümmern, sind mit der Begleitung und auch der Organisation von nötigen Deutschkursen aber überfordert.

Um sich Unterstützung bei der Lösung dieser Schwierigkeiten zu holen, wandte sich Glücklich an die Bundesregierung. Dort, so seine Einschätzung, müsste man eigentlich an einem entsprechenden Programm arbeiten. Immerhin hatte Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) erst kürzlich zusammen mit ihrem spanischen Amtskollegen José Ignacio Ortega angekündigt, iberische Jugendliche im Norden in die Lehre zu schicken.

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Doch entgegen den vollmundigen Ankündigungen stießen die Hamburger bislang auf Granit. Hauptgeschäftsführer Glücklich wurde zwischen Wirtschafts-, Arbeits- und Bildungsministerium hin- und hergereicht, bis er schließlich direkt an Bundeskanzlerin Angela Merkel schrieb. Im Kanzleramt beschied man ihm, sich doch "vertrauensvoll" an die lokale Hamburger Arbeitsagentur zu wenden, die ein solches Projekt im Rahmen "Ausbildungsbegleitender Hilfen" unterstützen könne.

Bei der Hamburger Arbeitsagentur fühlt man sich für solche Projekte allerdings ebenfalls nicht zuständig und verweist stattdessen an die Zentrale Auslands- und Fachvermittlung (ZAV) in Bonn. "Zusammen mit unseren europäischen Partnern klären wir gerade, wie groß die Bereitschaft von Jugendlichen aus den südeuropäischen Ländern ist, hier eine Ausbildung zu absolvieren und wie wir sie gegebenenfalls unterstützen können", sagt ZAV-Sprecherin Beate Raabe. Starten könne ein entsprechendes Projekt allerdings frühestens zum Ausbildungsjahr 2013.

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Raabe gibt zudem zu bedenken, dass spanische Jugendliche sehr familienverbunden seien und aus diesem Grund nicht so ohne Weiteres in ein fremdes Land zur Ausbildung ziehen würden. Zudem sei die Ausbildung in dem iberischen Land anders organisiert als in Deutschland.

Kammergeschäftsführer Glücklich sieht nach wie vor die Bundesregierung in der Pflicht, die Finanzierung für ein entsprechendes Programm in Angriff zu nehmen. "Die mangelnde Unterstützung vonseiten der Bundesregierung ist frustrierend und enttäuschend", sagt Glücklich. Es kann nicht sein, dass Frau Schavan einerseits mehr junge Spanier nach Deutschland holen will, andererseits aber konkrete Projekte an der nötigen Finanzierung und Koordination scheitern."