Internetportal Lebensmittelklarheit.de stößt auf reges Interesse, viele Verbraucher melden Produkte. Foodwatch verlangt schärfere Gesetze.

Hamburg. Eine Rindfleischsuppe aus der Tüte, die kein Rindfleisch, sondern nur Extrakt enthält. Ein Diätjoghurt, in dem Rote-Bete-Saft und andere Farbstoffe einen hohen Anteil an Erdbeeren vorgaukeln. Und eine heiße Zitrone mit Ingwer, in der statt der vitaminreichen Wurzel lediglich Aromen enthalten sind.

Dies sind nur einige Produkte, über die sich enttäuschte Kunden derzeit auf der staatlich finanzierten Internetseite Lebensmittelklarheit.de beschweren. Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) hatte die Plattform vor fast einem Jahr ins Leben gerufen, um für mehr Transparenz bei der Kennzeichnung von Nahrungsmitteln zu sorgen. Mehr als 5600 Artikel wurden dem Onlineportal mittlerweile gemeldet, rund 300 000-mal wird die Seite im Monat aufgerufen.

"Wir sind von der großen Resonanz der Verbraucher positiv überrascht", sagt Janina Löbel, die beim Bundesverband der Verbraucherzentralen das deutschlandweite Projekt koordiniert. "Dies zeigt aber auch, dass die Kennzeichnung von Lebensmitteln in vielen Fällen nach wie vor mangelhaft ist."

Am häufigsten beschweren sich Kunden laut Löbel über das irreführende Erscheinungsbild von Verpackungen, fehlende Hinweise auf Zusatzstoffe und unklare Herkunftsbezeichnungen. "Die Verbraucher bemängeln vor allem, dass die Abbildungen auf den Lebensmittelverpackungen Erwartungen wecken, die dann von den jeweiligen Produkten nicht eingelöst werden."

Tatsächlich auf die Internetseite schafft es allerdings nur ein Bruchteil der eingereichten Beschwerden. "Ein Teil der Fälle stellt aus unserer Sicht keine Verbrauchertäuschung dar, für einen anderen Teil sind weitere Laboruntersuchungen notwendig, hier verweisen wir an die Lebensmittelüberwachung", sagt Löbel. Manchmal wollten Verbraucher auch nur ihre Wut über einen Hersteller loswerden. Derzeit sind auf dem Portal etwa 230 gemeldete Lebensmittel zu finden.

65 kritisierte Produkte sind mittlerweile von den Herstellern geändert oder gar vom Markt genommen worden. So wurde beispielsweise ein Weight Watchers Fruchtaufstrich mit angeblich "100 Prozent Früchten" vom Produzenten zurückgezogen, da er tatsächlich nur 55 Prozent an Erdbeeren enthielt. Abmahnungen verschickten die Verbraucherschützer in 13 Fällen. Die Rote Karte erhielt etwa der Hersteller eines Süßungsmittels, der auf der Verpackung groß mit dem Zuckerersatzstoff Stevia warb, tatsächlich aber nur drei Prozent davon in seine sogenannte Tafelsüße packte.

Trotz solcher Erfolge reicht das Portal aus Sicht der unabhängigen Verbraucherschutzorganisation Foodwatch aber nicht aus, um eine Verbesserung der Lebensmittel in Deutschland zu erreichen. "Wenn es Frau Aigner ernst meint mit mehr Lebensmittelklarheit, dann muss sie die eklatanten Gesetzeslücken schließen und lesbare, verständliche Angaben für die wichtigsten Produktmerkmale vorgeben", sagt Foodwatch-Geschäftsführer Thilo Bode. "Es reicht nicht, freiwillige Selbstverpflichtungen oder noch weitere freiwillige Siegel einzuführen."

In einem 15-Punkte-Plan fordert Foodwatch unter anderem die Einführung einer lesbaren Mindestschriftgröße für die Zutatenliste fertiger Lebensmittel, realistische Produktabbildungen, die den Kunden keine heile Welt vorgaukeln, eine umfassende Herkunftsangabe und eine lückenlose Kennzeichnungspflicht für gentechnisch veränderte Pflanzen und Tiere. Auch müsse klar auf den Restalkoholgehalt in Bieren oder anderen Getränken hingewiesen werden. Bislang können Biere, die bis zu 0,5 Prozent Alkohol enthalten, noch als "alkoholfrei" beworben werden. Daneben mahnt die Organisation ein generelles Marketingverbot für unausgewogene oder dick machende Kinderprodukte an.

Das Bundesverbraucherministerium will hingegen erst nach Abschluss des auf zweieinhalb Jahre angelegten Onlineprojekts ermitteln, ob die Gesetze für den Verbraucherschutz verschärft werden müssen. Zudem verweist man dort auf die neue EU-Lebensmittelinformationsverordnung, in der bereits einige zusätzliche Vorgaben zur besseren Lesbarkeit der Verpackungen und für eine klarere Kennzeichnung von Lebensmittelimitaten enthalten sind. Durch lange Übergangsfristen werden diese Änderungen aber erst im Dezember 2014 in Kraft treten.

Der Lebensmittelindustrie gehen die Aktivitäten des Ministeriums ohnehin schon zu weit. Auf dem staatlich finanzierten Portal der Verbraucherzentralen würden Marken unberechtigt mit dem Makel eines Täuschungsvorwurfs versehen, kritisierte der Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde. Er forderte, das Portal "am bestehenden Lebensmittelrecht und nicht an den politischen Zielen der Verbraucherzentralen" auszurichten.