ExxonMobil will sich wohl aus Märkten mit sinkendem Mineralölabsatz verabschieden. Stationen dürften Konzern rund eine Milliarde Euro einbringen.

Hamburg. Der weltgrößte Ölkonzern ExxonMobil erwägt mit seiner Marke Esso den Rückzug aus dem deutschen Tankstellenmarkt. Das Unternehmen verhandelt bereits mit mehreren potenziellen Investoren, die unter anderem aus Russland oder anderen osteuropäischen Ländern stammen, berichtet die Nachrichtenagentur Bloomberg. Die Gespräche seien allerdings noch in einem frühen Stadium. Der Verkauf der rund 1100 Esso-Stationen im Bundesgebiet dürfte dem Konzern rund eine Milliarde Euro einbringen. Weder ExxonMobil noch die deutsche Esso-Sprecherin Gabriele Radke wollten dies gestern kommentieren.

"Das ist ein ernst zu nehmendes Gerücht", sagte hingegen Heino Elfert, ein profunder Kenner der Branche und Herausgeber von "Energie Informationsdienst" (eid) in Hamburg. Deutschland ist kein Einzelfall. ExxonMobil-Chef Rex Tillerson prüft ständig die Beteiligungen des Konzerns und hat in den vergangenen vier Jahren bereits fast ein Drittel seines weltweiten Tankstellennetzes verkauft. Der Konzern kehrt vor allem jenen Märkten den Rücken, in denen der Mineralölabsatz zurückgeht oder stagniert. Auch in Deutschland, wo der Benzinverbrauch unter anderem wegen deutlich sparsamerer Automotoren seit Jahren sinkt, ist der Treibstoffabsatz rückläufig, genauso wie in vielen anderen westeuropäischen Märkten. Sein österreichisches Netz hat ExxonMobil deshalb bereits 2010 an den italienischen Mineralölkonzern Eni verkauft. Die Stationen in der Schweiz gingen Anfang des Jahres an den Energiekonzern Socar aus Aserbaidschan. Das ölreiche Land verschaffte sich mit dem Engagement eine Eintrittskarte in den westeuropäischen Markt.

Sinkende Spritverkäufe betreffen die gesamte Branche. Doch bei Esso gibt es weitere Belastungen. So hat Tillerson bei den Investitionsplanungen seine deutsche Tankstellentochter bereits seit einigen Jahren nicht mehr gebührend berücksichtigt. Während Aral, Shell und Co. ständig neue Stationen eröffnen, alte modernisieren und an neuen Shop-Konzepten basteln, herrscht bei Esso inzwischen fast schon ein Investitions-Stillstand. Die Zeiten, in denen das Unternehmen mit einem hohen Marketingaufwand für den "Tiger im Tank" werben konnte oder mit dem Slogan "Packen wir es an, es gibt viel zu tun", gehören der Vergangenheit an.

Für den Mutterkonzern ist Deutschland offenbar nur noch als Förderland interessant. Denn die Renditen bei der Exploration von Öl und Gas sind um ein mehrfaches höher als beim Verkauf von Benzin. In Deutschland etwa verdient die Explorationssparte vier Fünftel des Esso-Jahresgewinns - mit nur einem Fünftel der Belegschaft von insgesamt gut 3200 Mitarbeitern. Konzernweit lag im vergangenen Jahr die Gewinnmarge in der Förderung bei 74 Prozent, während nur 1,3 Prozent der Gewinne mit den Raffinerien und dem Tankstellengeschäft erwirtschaftet wurden. Zehn Prozent entfielen auf die Chemieaktivitäten.

Die deutsche Esso hat ihren Sitz in Hamburg, wo 450 Mitarbeiter in der Zentrale arbeiten. Das Unternehmen kam vor allem im Jahr 2002 in die Bredouille, als sich der Tankstellenmarkt konsolidierte. Damals übernahm die britische BP von Veba Oel den Tankstellenkonzern Aral, während Shell sich die deutsche Kette Dea einverleibte. Der Druck auf den durch Überkapazitäten gekennzeichneten deutschen Markt erhöhte sich damit.

Für Esso blieb kein großer Übernahmekandidat mehr übrig. Auch hätte das Bundeskartellamt eine weitere, dritte Fusion zwischen deutschen Anbietern wohl kaum erlaubt. Der damals drittgrößte deutsche Benzin- und Dieselanbieter konnte plötzlich zu den beiden größten der Branche nicht mehr aufrücken. Im Gegenteil: Der Marktanteil von Esso sank von damals zehn auf inzwischen 7,5 Prozent (siehe Grafik). Esso teilt sich gemeinsam mit dem französischen Anbieter Total den fünften Platz in der deutschen Rangliste.