Die Verbraucherzentrale in Hamburg hebt ihre Preise um bis zu 50 Prozent an. Ein Grund ist die Anhebung der Mehrwertsteuer für Beratungen.

Hamburg. Abofallen, zu teure Gaspreise oder eine Geldanlage, die Verluste brachte: Immer mehr Bürger suchen den Rat der Verbraucherzentrale Hamburg. "In diesem Jahr rechnen wir mit fünf Prozent mehr Ratsuchenden", sagt Günter Hörmann, Geschäftsführer der Verbraucherzentrale Hamburg, im Gespräch mit dem Abendblatt. Das wären rund 226.000 Ratsuchende. Doch im kommenden Jahr wird der Rat der Verbraucherzentrale deutlich teurer. Nach Informationen des Abendblatts verteuern sich mindestens rund 20 verschiedene Beratungsleistungen von der Kurzberatung im Verbraucherrecht bis zur ausführlichen Baufinanzierungsberatung um durchschnittlich 20 Prozent. Die Spanne der Preisanhebungen reicht von zehn bis 50 Prozent.

"Unsere wichtigste Leistung, die allgemeine Aufklärung der Verbraucher, bleibt kostenlos", sagt Hörmann. Dazu zählt vor allem die Internetseite mit zahlreichen Tipps, schwarzen Listen über unseriöse Firmen und Musterschreiben, die die Verbraucher verwenden können. Auch die telefonische Umwelt-, Klima- und Energieberatung sei weiterhin kostenlos.

Auslöser für die bundesweite Preiserhöhung bei den Verbraucherzentralen ist der Staat, der ab 1. Januar 19 statt bisher sieben Prozent Mehrwertsteuer auf alle entgeltlichen Beratungen verlangt. "Das war eine Entscheidung der Länderfinanzverwaltungen", sagt Holger Eichele, Sprecher des Bundesverbraucherministeriums. Doch die Länder hätten im Gegenzug die Möglichkeit, die Förderung ihrer Verbraucherzentralen zu erhöhen. Denn die Beratungstätigkeit sei Ländersache.

Für Hamburg war das keine Option. Nach Hörmanns Angaben wären 75.000 Euro als Kompensation nötig gewesen. "Die Haushaltslage in Hamburg lässt das nicht zu", sagt ein Sprecher der Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz. Ärmere Bundesländer haben anders reagiert. So übernimmt Mecklenburg-Vorpommern die zusätzlichen Aufwendungen für die höhere Mehrwertsteuer. Dennoch kommen die Verbraucher nicht ungeschoren davon. "Der Landesrechnungshof hat uns ermahnt, die Gebühren anzuheben", sagt Jürgen Fischer von der Verbraucherzentrale in Schwerin. So kostet eine Baufinanzierungsberatung künftig 75 statt 60 Euro.

Da werden in Hamburg ganz andere Preise aufgerufen. In ihrer Preisgestaltung sind die Verbraucherzentralen autonom. "Da wir einen größeren Anteil unserer Einnahmen an die Finanzverwaltung abführen müssen und seit sechs Jahren unsere Preise nicht erhöht haben, bleibt nur eine Anpassung der Entgelte", sagt Hörmann. "Sonst müssten wir Mitarbeiter entlassen und Beratungsleistungen abbauen. Denn auch die Zuschüsse des Senats aus Grund- und Projektförderung sind bereits in diesem Jahr um acht Prozent geringer als im Vorjahr ausgefallen." Insgesamt fließen von der Stadt 1,7 Millionen Euro 2011 an die Verbraucherzentrale.

Die persönliche Beratung zum Energierecht kostet jetzt 18 Euro. Mit der höheren Mehrwertsteuer wären 20,02 Euro fällig. Doch die Verbraucherzentrale verlangt künftig 22 Euro, also zehn Prozent mehr als erforderlich. Hörmann begründet die Anhebung damit, dass ein Teil der Preise konstant bleibt. "Das müssen wir dann an anderer Stelle kompensieren." So kostet die Nutzung der Infothek unverändert 1,50 Euro, und auch bei der telefonischen Beratung bleibt der Preis bei 1,50 Euro pro Minute. "Unsere Überlegung war, die Eintrittsschwellen bei der Verbraucherzentrale nicht zu erhöhen", sagt Hörmann. Außerdem wurde bei der neuen Preisgestaltung der finanzielle Hintergrund der Ratsuchenden berücksichtigt. "Wer ein Haus bauen will, kann sich meist mehr leisten als ein Kranker, der eine Beratung zum Patientenschutz benötigt", sagt Hörmann. Die soziale Komponente ist der Verbraucherzentrale wichtig. Für Arbeitslosengeld-II-Empfänger gibt es spezielle Tarife. Sie zahlen in der Regel nur die Hälfte. Hörmann nennt Beispiele für die differenzierte Preisgestaltung: So verteuert sich die Baufinanzierungsberatung um 20 Prozent, die Patientenberatung nur um zehn Prozent. Den hohen Preisanstieg von 50 Prozent bei einem Check aller Versicherungsverträge begründet Hörmann mit den hohen Einsparungen. "Im Ergebnis einer solchen Beratung lassen sich einige Hundert Euro pro Jahr einsparen, auf die Jahre summiert sich das zu einem stattlichen Betrag."

Besonders gefragt war im abgelaufenen Jahr die Ernährungsberatung. Dafür sorgten der Dioxin-Skandal bei Eiern zu Beginn des Jahres, die Zerstörung des Atomkraftwerks in Fukushima und die EHEC-Epidemie. "Mit unserer Arbeit sind wir auch immer ein Seismograf der Ereignisse. Von einem Tag zum anderen kann sich der Beratungsbedarf sprunghaft verändern", sagt Hörmann. Ebenfalls ein großes Ärgernis für die Ratsuchenden sind die Abofallen im Internet. Die Kunden schließen dabei auf bestimmten Seiten unbemerkt ein kostenpflichtiges Abo ab. "Wir haben über 200 Betreiber solcher Seiten auf unserer Internetseite registriert", sagt Hörmann. Sein Rat an Geschädigte: "Stur bleiben und nicht zahlen." Bei der Geldanlage waren die offenen Immobilienfonds ein großes Problem. "Viele sind seit Jahren geschlossen oder werden jetzt aufgelöst, und die Kunden kommen seit Jahren nicht mehr an ihr Geld, obwohl die Produkte als sicherere Anlagen verkauft wurden", sagt Günter Hörmann.

Im nächsten Jahr will sich die Verbraucherzentrale Hamburg schwerpunktmäßig mit dem Anbieterwechsel bei Strom und Gas beschäftigen. "Wir werden überprüfen, ob ein Wechsel wirklich innerhalb von drei Wochen möglich ist, wie es ein neues Gesetz vorsieht", sagt Hörmann. Bei der Sammelklage gegen E.on Hanse wegen zu hoher Gaspreise erwartet Hörmann im nächsten Jahr eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamburg. Doch das Verfahren werde wohl endgültig erst vor dem Bundesgerichtshof entschieden. Im kommenden Jahr wird wahrscheinlich auch das Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart gegen die Allianz wegen zu niedriger Rückkaufswerte bei vorzeitig gekündigten Lebensversicherungen rechtskräftig. Die Verbraucher können dann auf Rückerstattungen hoffen. "Auch solche Klagen müssen finanziert werden", sagt Günter Hörmann. "Wir leisten gerade, was das Versicherungsrecht betrifft, sehr viel."